Willkommen an Bord„Unsere gesamte Welt ist ein dreidimensionaler Raum“Prof. Dr. Chinmoy Bhattacharjee verstärkt die Mathematik
12. Januar 2024, von Heiko Fuchs
Foto: privat
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Mathematiker Prof. Dr. Chinmoy Bhattacharjee.
Prof. Dr. Chinmoy Bhattacharjee ist zum September von der Universität Luxemburg nach Hamburg gekommen und hat die W1-Professur für „Mathematik, insbesondere Mathematische Stochastik“ am Fachbereich Mathematik der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften angetreten.
Herr Bhattacharjee, mit welchen Themen beschäftigen Sie sich?
Im Allgemeinen befasse ich mich mit der Wahrscheinlichkeitstheorie, einem Teilgebiet der Mathematik, das sich mit zufälligen Ereignissen und deren Wahrscheinlichkeiten befasst. Diese zufälligen Ereignisse und Prozesse spielen überall in der Mathematik, Informatik und den Naturwissenschaften eine wichtige Rolle. Innerhalb der Wahrscheinlichkeitstheorie interessiere ich mich für die Untersuchung von Objekten, die eher geometrischer Natur sind. Das entsprechende Fachgebiet heißt daher Stochastische Geometrie.
Meinen Sie damit zufällige geometrische Formen?
Ich beschäftige mich mit der Untersuchung von Zufallsobjekten in einem geometrischen Raum, wie beispielsweise Zufallsmosaike, Keimkornmodelle und Zufallsgraphen. Ein Beispiel für ein solches Modell ist die Perkolation. Man betrachtet dabei eine zweidimensionale Ebene und unterteilt sie auf eine zufällige Art und Weise in Zellen, wodurch die gesamte Ebene zu einem Mosaik wird. Wählt man nun zufällig einige dieser Zellen aus und drückt sie nach unten, entsteht eine dreidimensionale Struktur, bei der sich einige Zellen unten und einige oben befinden. Dann können wir über eine Zelle, die auf einer der Seiten der Ebene nach unten gedrückt wurde, Wasser in diese Struktur einfüllen und untersuchen, ob das Wasser auf die gegenüberliegende Seite fließen kann und die Zellen unten mit der gegenüberliegenden Seite verbunden sind. Mit anderen Worten, wir fragen, ob das Wasser durch diese Struktur versickern kann. Diese Art von Modellen hat viele Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel bei der Untersuchung der Ausbreitung von Epidemien oder bei der Bekämpfung von Waldbränden.
Gibt es weitere Forschungsgebiete mit denen Sie sich beschäftigen werden?
Ein weiteres wichtiges Gebiet, das ich in den nächsten Jahren untersuchen möchte, ist die Superkonzentration. Im Allgemeinen kann man den genauen Wert von Zufallsvariablen nicht bestimmen, aber typischerweise sind sie um einen bestimmten Mittelwert konzentriert. Eine Zufallsvariable wird als superkonzentriert bezeichnet, wenn sie sich ungewöhnlich stark um diesen Mittelwert herum konzentriert. Mein Ziel ist es, einige allgemeine Kriterien für die Superkonzentration von Zufallsvariablen in einem bestimmten geometrischen Setting zu finden. Ich habe kürzlich ein DFG-Stipendium im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Geometrische Zufallssysteme“ erhalten, um diese spezielle Frage zu untersuchen.
Sie hatten den Anwendungsaspekt kurz angesprochen, wo lässt sich Ihre Forschung noch überall anwenden?
Wir alle leben in einem geometrischen Raum; unsere gesamte Welt ist ein dreidimensionaler Raum. Daher haben alle diese Modelle der stochastischen Geometrie viele reale Anwendungen. Man kann zum Beispiel mit einigen dieser Modelle soziale Netzwerke, Telekommunikationsnetze oder sogar das Internet modellieren. Sie finden Anwendung in ökologischen Systemen, um das Wachstum von Bakterien in einer bestimmten Umgebung zu erforschen, bis hin zur Astronomie, um die Entstehung von Galaxien oder die Sternbildung in bestimmten Regionen des Weltraums zu untersuchen, um nur einige zu nennen. All diese völlig unterschiedlichen Bereiche können untersucht werden, indem man sie mit verschiedenen zufälligen geometrischen Systemen modelliert.
Was benötigen Sie für Ihre Forschung?
Meine Forschung ist eher theoretisch, auch wenn es viele Anwendungen der von mir untersuchten Modelle in der realen Welt gibt. Für meine Arbeit brauche ich meist nur einen Stift und ein Blatt Papier sowie natürlich einen Computer, um einige Simulationen durchzuführen und um vor allem meine Ergebnisse aufzuschreiben.
Warum haben Sie sich für die Universität Hamburg entschieden?
Hamburg ist ein toller Ort für mich. Es liegt ein bisschen weiter nördlich und ich war anfangs etwas besorgt wegen des Wetters, aber jetzt gefällt es mir hier wirklich gut. Der Fachbereich Mathematik ist großartig und es gibt hier viele Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich zusammenarbeiten kann. Außerdem arbeite ich auch mit einigen Forschenden der Technischen Universität Hamburg zusammen. Es gibt hier also eine gut etablierte Gemeinschaft, in der ich viele Möglichkeiten zur Zusammenarbeit finde und mich so als Wissenschaftler weiterentwickeln kann.
Gibt es weitere Kooperationspartner?
Ich möchte meine Forschung in naher Zukunft mehr auf angewandte Bereiche ausweiten und könnte mir durchaus weitere Kooperationen vorstellen, zum Beispiel mit dem Fachbereich Informatik.
Was planen Sie für Ihre Lehrveranstaltungen?
Ich unterrichte mit großer Leidenschaft und das ist eines der Dinge, die ich wirklich genieße. Zurzeit unterrichte ich einen Masterkurs über Zufallsgraphen und im nächsten Semester habe ich einen Kurs über die Stein'sche Methode. Das sind alles Themen, die viel mit meiner eigenen Forschung zu tun haben. Ich finde meinen Kurs in diesem Semester wirklich wunderbar! Ich hoffe, dass ich einige meiner Studenten dazu motivieren kann, mathematische Forschung zu betreiben, insbesondere im Bereich der Wahrscheinlichkeitstheorie. Natürlich würde ich mich freuen, wenn einige von ihnen später in meinem Fachgebiet promovieren möchten.