DAAD-Preisträger Sadequle Islam„Ich versuche mich überall sozial zu engagieren“
12. Dezember 2023, von Marie Schlicht
Foto: UHH/Esfandiari
Sadequle Islam promoviert an der Fakultät für Erziehungswissenschaft und hat den diesjährigen Preis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) erhalten. Die Auszeichnung wird an internationale Studierende verliehen, die herausragende studentische Leistungen sowie soziales und interkulturelles Engagement vorweisen können. Im Interview erzählt er von seiner Promotion, seinen Plänen für die Zukunft und seinen eigens gegründeten Stiftungen.
Ursprünglich kommen Sie aus Bangladesch, nun sind Sie seit drei Jahren in Hamburg. Warum wollten Sie an der Uni Hamburg promovieren?
Nachdem ich meinen Bachelor und meinem Master an der Universität Dhaka absolviert hatte, begann ich zu unterrichten. Ich merkte jedoch, dass mir die Forschung fehlte und bewarb mich in den USA, Großbritannien, Kanada und Deutschland auf Promotionsstellen. Dass ich mich für Hamburg entschieden habe, liegt an meiner jetzigen Supervisorin, Frau Melo Pfeifer. Mein Hauptkriterium bei der Entscheidung war es, mit herausragenden Professorinnen und Professoren aus meinem Feld zusammenzuarbeiten. Frau Melo Pfeifer ist eine der besten in den Feldern Angewandte Linguistik und „Translanguaging“. Darum habe ich die Uni Hamburg gewählt.
Was versteht man unter Ihrem Forschungsbereich „Translanguaging“?
Translanguaging ist ein linguistisches und pädagogisches Konzept. Die Idee ist, dass multilinguale Menschen nicht nur eine Sprache benutzen, um sich auszudrücken, sondern mehrere Sprachen miteinander verbinden. Im Bildungsbereich, in dem ich das Konzept erforsche, wird der Ansatz genutzt, um das Sprachverstehen und den Ausdruck von Studierenden verbessern. Mehrsprachige Menschen sollen, wenn sie zum Beispiel Englisch lernen, also nicht nur Englisch sprechen dürfen, sondern mehrere Sprachen, um wiederum Englisch besser zu lernen.
Und was genau erforschen Sie in dem Bereich?
Ich führe eine vergleichende Studie zwischen Deutschland und Bangladesch durch. Ich untersuche, wie Englisch an Universitäten beigebracht wird und welche Translanguaging-Praktiken von den Dozentinnen und Dozenten eingesetzt werden. Um das herauszufinden, führe ich in beiden Ländern Interviews mit den Dozierenden durch und beobachte den Englischunterricht in den Seminarräumen. In Deutschland habe ich beinahe alle Daten gesammelt, nächstes Jahr mache ich in Bangladesch weiter.
Ich konnte bereits einige Probleme beobachten: Zum Beispiel gibt es in Deutschland viele Studierende, die ganz unterschiedliche Muttersprachen sprechen. Englisch ist dann oftmals die dritte Sprache, die sie lernen. Die Dozierenden haben mir in den Interviews zwar erzählt, dass sie den Studentinnen und Studenten im Unterricht erlauben, auch ihre Muttersprache zu sprechen, in der Praxis habe ich jedoch anderes beobachtet. Für das Englischlernen ist es aber nicht förderlich, wenn das Sprechen der Muttersprache verboten wird. Darum müssen neue Lehrmethoden implementiert werden. Daran forsche ich.
Was sind Ihre Pläne für danach?
Nach meiner Promotion möchte ich zurück nach Bangladesch, um das neue Wissen zu vermitteln und anzuwenden. Ich möchte außerdem als Postdoc an ähnlichen Themen weiterforschen, für die in meiner Promotion kein Platz mehr war.
Den DAAD-Preis erhält man auch für ein besonderes soziales Engagement. In welchem Bereich sind Sie aktiv?
Bangladesch ist ein Entwicklungsland und sehr viele Menschen leben in Armut. Darum habe ich dort die Wohltätigkeitsorganisation „MBSK (Mawlana Baset - Salma Khatun) Foundation“ gegründet. Das Ziel ist die Verbesserung der Lebensbedingungen marginalisierter Menschen. Wir wollen die ländliche Entwicklung und soziale Sicherheit vorantreiben. Ich versuche, die Stiftung durch mein Gehalt und mein Stipendium so gut es geht zu unterstützen.
In Hamburg setze ich mich für die hier lebenden Bangladescherinnen und Bangladescher ein. Ich habe die „Bangladesh North Bengal Community Germany“ mitgegründet. Wir bieten regelmäßige Beratungsgespräche an, vor allem für Studentinnen und Studenten, die neu hier sind und Probleme haben, Wohnungen zu finden oder die mit dem Studium noch nicht zurechtkommen. Außerdem organisieren wir Kulturprogramme.
Außerdem bin ich Mitglied der „Islamischen Gemeinschaft für Bildung und Soziales” und Alumnus der „Dialogue Perspectives“, einer europäischen Plattform, die eine neue Art des Austauschs zwischen Menschen verschiedener Glaubensrichtungen und Weltanschauungen zum Ziel hat. Ich versuche mich überall, wo ich bin, sozial zu engagieren.
DAAD-Preis
Der mit 1.000 Euro dotierte und aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanzierte DAAD-Preis zeichnet jedes Jahr herausragende internationale Studierende bzw. Promovierende aus, die sich sowohl durch besondere akademische Leistungen als auch bemerkenswertes gesellschaftliches oder interkulturelles Engagement hervorgetan haben. Mit dem Preis soll einer breiteren Öffentlichkeit deutlich gemacht werden, welche Bereicherung internationale Studierende und Promovierende für die Hochschulgemeinschaft darstellen. Der diesjährige DAAD-Preis wurde am 4. Dezember 2023 von Universitätspräsident Hauke Heekeren übergeben.