Willkommen an Bord„Ich würde mich freuen, wenn Diskussionen über das Neue Testament in der WG oder im Café weitergehen“Prof. Dr. Eckart David Schmidt verstärkt die Geisteswissenschaften
7. November 2023, von Schmidt/Red.
Foto: UHH/Röttger
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Theologe Prof. Dr. Eckart David Schmidt.
Prof. Dr. Eckart David Schmidt ist zum Wintersemester von der Universität Heidelberg gekommen und hat an der Fakultät für Geisteswissenschaften eine Professur für „Evangelische Theologie: Neues Testament“ angetreten.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Eines meiner Hauptgebiete der vergangenen Jahre war die Forschungsgeschichte des Neuen Testaments, insbesondere ab dem späten 18. Jahrhundert. Meiner Beobachtung nach kann man über die Forschungsgeschichte dieser alten Texte den eigenen Umgang mit ihnen viel besser einordnen und verstehen. Das erweitert den Horizont sehr!
Des Weiteren umfassen meine Arbeitsgebiete momentan und der kommenden Jahre den unterschiedlichen Umgang mit der Figur Jesus von Nazareth – historisch, aber auch künstlerisch, verfremdend oder provokativ –, den Umgang und die Deutung von Schuld und Vergebung sowie den 1. Petrusbrief.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Auf jeden Fall nicht alles gleichzeitig! :-D Aber im Ernst: Solche „Erklärungen“ hängen natürlich ganz davon ab, wen ich mir als Gesprächspartner vorstelle. Manchmal muss ich ganz allgemein erklären, warum es überhaupt theologische Forschung gibt und was theologische Deutungskompetenzen sind. Welche Menschenbilder sind in gesellschaftlichen Debatten zu Abtreibung, Euthanasie, Gender, in politischen Entscheidungen, aber auch in Hollywood-Filmen oder ähnlichem vorausgesetzt oder werden aktiviert? Welche Wünsche oder Ideale liegen diesen Bildern zugrunde? Zu theologischen Deutungen der eigenen Existenz ist es dann gar nicht mehr so ein sehr weiter Weg. Zu meiner eigenen konkreten Forschung komme ich in solchen Gesprächssituationen dann allerdings gar nicht unbedingt.
In anderen Gesprächssituationen hingegen kann ich schneller davon erzählen, dass ich zum Beispiel den eigenartigen Umgang mit diesem kleinen Handwerker aus der Provinz des römischen Reichs, dem damals in erstaunlicher Dynamik geradezu maßlose Attribute beigelegt wurden, und das in den unwahrscheinlichsten Kontexten, immer noch spannend finde. Das konkretisiere ich dann z. B. anhand von Beispielen aus der Forschungsgeschichte oder auch aktuellen Zeitungsmagazinen o. ä. Analoges gilt z. B. auch für den Umgang mit Freiheit und Demut im 1. Petrusbrief.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Was für eine Frage! Hamburg ist ja unbestritten eine der schönsten und vielseitigsten Großstädte Deutschlands. Der Wind, die Elbe, die Nähe zum Meer … Die Kulturszene hat es mir – als ausgebildetem Musiker – natürlich besonders angetan. Wie könnte man sich auf Hamburg nicht freuen? Überdies habe ich unseren Fachbereich und die Personen dort bisher als ausgesprochen freundlich, hilfsbereit und willkommen heißend erlebt.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg:
Zunächst muss ich die Uni Hamburg und den Fachbereich natürlich erst einmal richtig kennenlernen. „Don’t cross the bridge till you come to it,“ sagt man in England. Nach Vertretungen an etlichen Unis quer durch Deutschland in den letzten Semestern weiß ich, dass die theologischen Fakultäten und Institute recht unterschiedlich ausgerichtet sein und sehr verschiedene Profile haben können. Momentan liegen mir jedenfalls schon drei Buchprojekte von Verlagen ganz unterschiedlichen Formats und für unterschiedliche Zielgruppen vor (über die ich hier aber noch keine falschen Erwartungen wecken möchte). Die möchte ich auch durch Lehrveranstaltungen und Tagungen vorbereiten bzw. begleiten.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Zunächst: Ich bin nicht der Meinung, dass die Studierenden meine Veranstaltungen eher besuchen sollten als die von Kolleginnen oder Kollegen. Ich freue mich auch über alle Studierenden der Theologie, die in einer anderen Disziplin als meiner ihre Lieblingsdisziplin finden. Ich würde mich aber freuen, eine gewisse Liebe für das Neuen Testament zu wecken und auch zu weitergehenden Diskussionen darüber im Café oder in der WG zu inspirieren.
Blick in die weite Welt: mit diesen internationalen Einrichtungen, Universitäten oder Institutionen arbeite ich zusammen:
Ich bin regelmäßig auf den einschlägigen internationalen exegetischen, und – so die Zeit erlaubt – auch religionswissenschaftlichen Konferenzen vertreten und habe sieben Jahre meines Lebens im Ausland gelebt: in Großbritannien und Kroatien. Mit dem evangelisch-theologischen Fachbereich in Zagreb verbinden mich noch mehrere gute Kontakte, die ich gerne intensivieren würde. Vielleicht bietet der neue Hamburger Fachbereich „Religionen“ dazu Anknüpfungspunkte, und das könnte spannend sein, da die theologische Ausbildung und Wissenschaft auf dem Balkan ganz andere Themen und Bedingungen hat als hier in Deutschland.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig:
Ich halte theologische Kompetenzen in Bezug auf existenzielle Themen und Anliegen in unserer Zeit globaler Verwirtschaftlichung und Krisen für umso wichtiger, als das allgemeingesellschaftliche Bewusstsein in Beruf, Bildung, Familie etc. dafür abnimmt. Wer sind wir als Menschen? Was zeichnet uns gegenüber Computern und künstlichen Intelligenzen aus? Was sind unsere Entscheidungsmöglichkeiten, Grenzen und Ziele? Wie verhält sich die Wirtschaftlichkeit eines Anliegens zu seiner existenziellen Dimension? Welchen Sinn hat die Rede von „Gott“ im postaufgeklärten Zeitalter? Für diese Fragen kann, so hoffe ich, das Neue Testament doch ein Stichwort‑ und Ratgeber sein.