Willkommen an Bord„Welche pädagogischen Möglichkeiten sehen wir angesichts einer fraglich gewordenen Zukunft?“Prof. Dr. Kerstin Jergus verstärkt die Erziehungswissenschaft
1. November 2023, von UHH/Gießelmann
Foto: privat
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Kerstin Jergus.
Prof. Dr. Kerstin Jergus ist zum Wintersemester 2023/24 von der Technischen Universität Braunschweig nach Hamburg gekommen und hat an der Fakultät für Erziehungswissenschaft eine Professur für „Allgemeine Erziehungswissenschaft“ angetreten.
Mein Forschungsgebiet in wenigen Sätzen:
In erster Linie beschäftigen mich schon sehr lange und mit immer wieder neuer Begeisterung die Theorie und Geschichte der Pädagogik. Ich arbeite zum Beispiel zu Fragen der pädagogischen Autorität, zu Bildungstheorie oder zu pädagogischen Beziehungen im historischen Wandel und in der Gegenwart. In diesem Zusammenhang interessiert mich vor allem auch, wie gesellschaftliche Transformationen und gesellschaftspolitische Rahmungen die jeweiligen Erziehungs- und Bildungsverhältnisse bedingen und diese ermöglichen.
Aktuell könnte in dieser Hinsicht beispielsweise der Klimawandel genannt werden, der unmittelbar die Frage aufwirft, wie den nachfolgenden Generationen die Einrichtung ihrer Welt überhaupt ermöglicht wird. Und hier spielen auch bildungspolitische und soziokulturelle Dimensionen eine Rolle, etwa mit Blick auf das Verhältnis zur Demokratie oder auch den Normierungen bzw. Identitätszumutungen in Selbstwerdungsprozessen.
Diese beiden Schwerpunkte – Theorie und Geschichte in Verbindung mit gesellschaftspolitischen Kontexten – interessieren mich als zweites auch unter Forschungsgesichtspunkten. Was heißt es beispielsweise, eine pädagogische Fachkraft in einem bildungspolitisch neu bewerteten Feld zu sein, wie ich in meiner Forschung zu Weiterbildungen von Erzieherinnen und Erziehern mit der Frankfurter Kollegin Christiane Thompson untersucht habe? Oder was heißt es, als Jugendliche derzeit im Horizont politischer und gesellschaftlicher Transformationen aufzuwachsen und sich in diesem Rahmen zu bilden – eine Frage, die ich derzeit im Rahmen von Forschungen zu Zukunft-Jugend-Politik bearbeite.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Ich beschäftige mich mit pädagogischen Themen, die sich auf die Frage beziehen, wie die von uns bewohnte Welt (und wer ist eigentlich dieses „uns“) auch für die nachkommenden Generationen eine (selbständige und) selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen. Aktuell stellen sich diese Fragen intensiv im Horizont des Klimawandels und vor dem Hintergrund antidemokratischer Tendenzen in der Gesellschaft.
Diese Methoden wende ich bevorzugt an:
Ich forsche theoretisch, ethnographisch und diskursanalytisch, d. h. meine Methoden beziehen immer auch die Frage ein, wie Ordnungsgefüge und machtvolle Strukturen „gemacht“ werden und also auch den Blick dafür öffnen, wie Beteiligten ein eigenständiges oder widerständiges Agieren ermöglicht werden kann.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig:
Bereits genannt habe ich die Frage nach den pädagogischen Möglichkeiten angesichts einer fraglich gewordenen Zukunft im Lichte des Anthropozäns und des menschengemachten Klimawandels, d. h. es geht mir um eine gesellschaftskritische Perspektive auf das Aufwachsen in der gegenwärtigen Gesellschaft.
Meinen Beitrag hierzu sehe ich zum einen im Hinblick auf die Ausbildung pädagogischer Fachkräfte in und außerhalb der Schule, die sich zu solchen Gegenwartsfragen theoriebasiert, reflexiv und kritisch positionieren können. Zum anderen sehe ich meine Theoriearbeiten und Forschungen als wichtige Beiträge zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen, die insbesondere die politische Bildung von Kindern und Jugendlichen betreffen, auch das Nachdenken über Herrschafts- und Machtverhältnisse und nicht zuletzt die Frage nach den Möglichkeiten der Veränderung, die sich nicht den gegenwärtigen Optimierungszwängen unterordnet.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
In meiner akademischen Lehre werden Grundlagen und Grundfragen der Pädagogik behandelt und zwar so, dass die gegenwärtigen Herausforderungen und die historischen Bahnen pädagogischen Handelns zugänglich gemacht werden. Dieser Anspruch an eine theoriebasierte und zeitgemäße akademische Lehre wird durch die gemeinsame Verständigung getragen – akademisches Arbeiten ist zwar nicht immer einfach, aber vor allem auch ist es eine freudvolle Angelegenheit und das möchte ich auch gern den Studierenden vermitteln.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg:
Die Relevanz der Theoriebildung in den Humanities, aber insbesondere in der Erziehungswissenschaft zu stärken und ihr aktuelle Sichtbarkeit zu verleihen, ist für mich eine starke Triebfeder im akademischen Arbeiten. Dies mit Studierenden sowie Kolleginnen und Kollegen weiterhin in die fachliche Debatte und in die universitätsinterne Verständigung einzubringen sowie die gegenwärtigen pädagogischen Fragestellungen in der interessierten Öffentlichkeit zu diskutieren, ist ein Anliegen, das ich gern stärken möchte.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Die Weite der Stadt – kulturell, räumlich und akademisch.