Willkommen an BordSeltene sprachliche Phänomene und ihre FolgenProf. Dr. Edyta Jurkiewicz-Rohrbacher verstärkt die Geisteswissenschaften
9. Oktober 2023, von Jurkiewicz-Rohrbacher/Red.
Foto: Stefan Rohrbacher
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Slavistin und Linguistin Prof. Dr. Edyta Jurkiewicz-Rohrbacher.
Prof. Dr. Edyta Jurkiewicz-Rohrbacher ist zum Wintersemester von der Universität Regensburg gekommen und hat an der Fakultät für Geisteswissenschaften eine Professur für „Slavistische Linguistik, insbesondere Polonistik und eine weitere Slavine“ angetreten.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Momentan beschäftige ich mich mit seltenen Phänomenen in der Syntax der slavischen Sprachen. Im Sprachunterricht werden meistens die Regeln gezeigt, die typisch für eine Standardsprache sind. Viel schwieriger ist es, festzustellen, wann Sprecherinnen und Sprecher von den Regeln abweichen und warum. Oder wann die Regeln keine Anwendung haben. Ich meine hier keine ‚Fehler‘ die zum Beispiel Kinder machen, wenn sie Sprache lernen, sondern die Phänomene, die unserer Aufmerksamkeit entgehen. Um sie zu untersuchen, braucht man großen Mengen an Daten, weil sie so selten sind. Es gibt auch keine anerkannten Verfahren, diese muss ich erst ausarbeiten.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Wir Menschen nutzen Sprache als Werkzeug, um unsere Gedanken und Emotionen zu formulieren und diese unseren Mitmenschen mitzuteilen. Ohne Sprache würde es zum Beispiel keine Bücher, keine Politik und auch keine Wissenschaft geben. Deswegen ist es wichtig zu verstehen, welche Prozesse hinter der Sprache als Mittel der Kommunikation und mentalen Verarbeitung stecken.
Die Sprache kann man sich dabei als Legosteine vorstellen. In meiner Forschung fokussiere ich mich momentan auf Syntax, das heißt, wie die Legosteine der Sprache verbunden werden dürfen und warum manche Typen von Steinen äußerst selten zusammengefügt werden. So gibt es in Lego-Häusern nur selten Rutschen, aber in manchem Gebäude gibt es sie doch.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Ich freue mich auf das nördliche Flair der Stadt, das man hier spüren kann. Das vermisse ich, seitdem ich vor zehn Jahren aus Helsinki weggezogen bin. Die Universität Hamburg ist zudem eine riesige Gemeinschaft, die Forschungsqualität sichern kann. Ich bin davon überzeugt, dass ich schon intern viele Kooperationspartnerinnen und -partner finden werde. Schon jetzt habe ich viel gutes Feedback von meinen Kolleginnen und Kollegen für erste Ideen der Zusammenarbeit bekommen.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg:
Ich möchte digitale Kompetenzen in Lehre und Forschung stärken. In der Praxis bedeutet das vor allem die Nutzung und das Erzeugen digitaler Daten oder Quellen. Wir fangen mit einem Seminar zum Thema „Maschinelle Übersetzung und generative Sprachproduktion“ an, damit meine Studierenden wissen, wie man mit solchen Tools wie ChatGPT oder Bard im privaten und professionellen Leben bewusst umgehen sollte. Ich möchte, dass die Studierenden ihr eigenes Können dann in Form eines Übersetzungslabors an ein breiteres Publikum vermitteln.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Sie werden lernen, kritisch mit Quellen und Informationen umzugehen. Vor allem in Bezug auf Texte, die quantitative Daten beinhalten. Diese Fähigkeiten kann man täglich anwenden, zum Beispiel beim Nachrichten lesen oder schauen.
Zudem werden sie auch nach Informationen zu suchen lernen. Wir haben heutzutage fast unbegrenzten Zugang zu Informationen. Das Problem ist: Wie und wo finden wir jetzt die richtigen? Korpuslinguistik ist eine Methodologie, die sich perfekt dazu eignet, anhand von Sammlungen natürlicher Sprachen die künstlichen Suchsprachen zu testen.
Blick in die weite Welt – mit diesen internationalen Einrichtungen, Universitäten oder Institutionen arbeite ich zusammen:
Ursprünglich plante ich Finnougristin zu werden, daher arbeite ich auch heute eng mit dieser Disziplin zusammen und kooperiere momentan mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von der Universität Tartu in Estland. Zukünftig hoffe ich auch auf Kooperationen mit den Universitäten Helsinki und Tampere. Ich werde zudem gemeinsam mit Dr. Zrinka Kolaković forschen, die das nächste Jahr an der Universität Kopenhagen verbringt. Auch wichtig ist mir die Kooperation mit slavischen Ländern. Hier hoffe ich auf gemeinsame Projekte mit unseren Partnern aus Prag und Warschau.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig:
Seltene sprachliche Phänomene verursachen der künstlichen Intelligenz viele Probleme. Ich hoffe, dass durch meine Forschung die Kommunikation mit Maschinen einfacher wird. Das könnte jenen Personen bessere Chancen geben, die als Nicht-Muttersprachlerinnen und -muttersprachler in der Gesellschaft benachteiligt sind.
Ich denke, meine Forschung könnte auch politische Entscheidungen beeinflussen. In Deutschland wird häufig zwischen dem Bosnischen, dem Kroatischen, dem Montenegrischen und dem Serbischen nicht differenziert, was zum Beispiel in Polen oder Tschechien ganz normal ist. Unsere bisherigen Studien zeigen, dass die Sprachunterschiede jedoch signifikant sind und man gezielt für einzelne Sprachen schulen sollte. Das ist wichtig bei der Einstellung von Fachleuten in Betrieben, die mit diesen Ländern Geschäfte führen, aber auch für den Schulunterricht von Kindern, die südslavische Wurzel haben.