„Willkommen an Bord“„Ich versuche immer, einen Bezug zur aktuellen Lebensrealität herzustellen“Prof. Dr. Daniel Fliege verstärkt die Geisteswissenschaften
3. März 2023, von Fliege/Red.
Foto: privat
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Daniel Fliege
Prof. Dr. Daniel Fliege ist zum Wintersemester 2022/23 von der Humboldt-Universität zu Berlin nach Hamburg gekommen und hat an der Fakultät für Geisteswissenschaften eine Professur für Romanistik, insbesondere Italienische und Französische Literaturwissenschaft, angetreten.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Meine Forschung umfasst – wie in der Romanistik üblich – zwei ganz unterschiedliche Gebiete: Zum einen beschäftige ich mich damit, wie Übernahmen aus bestehenden kulturellen Modellen in der spirituellen Literatur der Frühen Neuzeit produktiv umfunktioniert werden. Zum anderen befasse ich mich damit, wie in der sogenannten „littérature du sida“, d. h. in seit Mitte der 1980er-Jahre entstandenen frankophonen – insbesondere autobiografischen und autofiktionalen – Texten über HIV/AIDS, das Verhältnis zwischen HIV-Infektion/AIDS-Krankheit und der Darstellung der (eigenen) (Homo)Sexualität verhandelt wird.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Es ist mir wichtig, dass meine Forschung auch von Nichtakademikern verstanden wird. Grob vereinfacht geht es mir erstens darum, zu erforschen, wie geistliche Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts von eigentlich nicht religiösen Modelltexten, -autorinnen und -autoren beeinflusst wurde: Also wie zum Beispiel die Dichterin Marguerite de Navarre weltliche Liebeslieder umdichtet, um ihren Glauben zu besingen. Außerdem beschäftige ich mich mit Texten, in denen Menschen, die mit HIV infiziert und/oder an AIDS erkrankt sind, über ihre eigene (Homo)Sexualität schreiben. Dabei interessiert mich, wie die Infektion bzw. Erkrankung das Verhältnis zum eigenen wie auch anderen Körper und insgesamt die Sexualität verändert.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Ich schätze die Offenheit der Stadt Hamburg wie auch der Hamburgerinnen und Hamburger sehr – sowohl die landschaftliche Offenheit durch die zahlreichen Kanäle und Parkanlagen, in denen man durchatmen und die Gedanken schweifen lassen kann, als auch die Offenheit gegenüber Diversität: Hamburg ist eine unheimlich bunte und dynamische Stadt und ich freue mich auf das kulturelle Leben in der Hansestadt.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg:
In den kommenden Semestern möchte ich eine wiederkehrende Vorlesungsreihe unter dem Titel „Hamburg Open Lectures“ ins Leben rufen, in denen Themen nicht allein der akademischen Öffentlichkeit präsentiert werden sollen, sondern in denen Akademikerinnen und Akademiker mit der Stadtöffentlichkeit in den Dialog treten können. Im Mittelpunkt sollen dabei Themen stehen, die fächerübergreifend diskutiert werden können.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
In meinen Veranstaltungen dürfen sich Studierende auf spannende Themen freuen, bei denen ich Artefakte im historischen Kontext lese, aber auch immer versuche, einen Bezug zur aktuellen Lebensrealität herzustellen. Neben literarischen Texten beziehe ich auch andere Künste mit ein, vor allem bildende Kunst und Film. Schließlich sind meine Seminare durch aktuelle kulturwissenschaftliche Theorien bereichert, vor allem aus den Bereichen der Gender und Queer Studies sowie des Postkolonialismus.
Blick in die weite Welt: mit diesen internationalen Einrichtungen, Universitäten oder Institutionen arbeite ich zusammen
Zurzeit arbeite ich insbesondere mit französischen Kolleginnen und Kollegen aus Paris (Sorbonne und Paris Nanterre) zusammen und wir erforschen, wie der Petrarkismus sich über kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg verändert. Außerdem arbeite ich eng mit der Romanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin zusammen, wo wir die posttridentinische Hagiographie in Frankreich untersuchen.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig – zur Lösung dieser Probleme könnte meine Forschung beitragen:
Meine Forschung ist deshalb wichtig, weil ich – gerade für die Frühe Neuzeit – oftmals Autorinnen und Autoren erforsche, die lange von der Forschung vergessen oder vernachlässigt wurden. Auf längere Sicht kann meine Forschung damit hoffentlich einen Beitrag dazu leisten, den literarischen Kanon zu erweitern.