„Willkommen an Bord“„Grundidee von „Liberal Arts & Sciences“ ist es, die Studierenden im multiperspektivischen, vernetzten Denken auszubilden“Prof. Dr. Sophie Witt verstärkt die Geisteswissenschaften und den Studiengang „Liberal Arts & Sciences“
7. Februar 2023, von Witt/Red.
Foto: UHH/Esfandiari
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Liberal-Arts-Professorin und Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Sophie Witt.
Prof. Dr. Sophie Witt kommt zum Wintersemester von der Universität Zürich nach Hamburg und ist an der Fakultät für Geisteswissenschaften Professorin für „Literaturwissenschaft, ins. Wissenskulturen und Interdisziplinarität“. Zudem tritt sie die zweite der neugeschaffenen Professuren des Studiengangs „Liberal Arts & Sciences“ an, der im Rahmen der Förderung als Exzellenzuniversität an der Universität Hamburg eingerichtet wird.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Als Literaturwissenschaftlerin beschäftige ich mich nicht einfach mit Büchern, sondern mit der Wirkkraft von Texten, mit der Frage, wie in Form von Erzählungen, Szenen, Inszenierungen usw. Welten und Wirklichkeiten geschaffen und durchgespielt werden. Mein spezifischer Fokus liegt zum einen auf der Schnittstelle der Literaturwissenschaft zu den anderen Künsten, insbesondere zum Theater. Und zweitens beschäftigt mich seit einigen Jahren der Bereich der Medical Humanities, das heißt die Schnittstelle zwischen Geisteswissenschaften und Medizin in historischer und systematischer Hinsicht, zum Beispiel Körperkonzepte und Gesundheitsdiskurse und die Frage, welche Rolle hier die Literatur spielt.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Unsere Kinder sind noch jung genug, um von der Wirkkraft von Geschichten unmittelbar überzeugt zu sein. Aber das gilt natürlich nicht nur für Kinderwelten: Große Teile dessen, was uns umgibt und was wir für selbstverständlich gegeben halten, ist erzeugt, indem wir darüber schreiben oder uns davon erzählen. Auf diese Weise formen Menschen ihre Vorstellungen, bearbeiten ihre Sehnsüchte und Befürchtungen und verhandeln das Zusammenleben. Zu erforschen und zu erkennen, wie das im einzelnen Fall gemacht ist, ermöglicht nicht zuletzt, alternative Geschichten zu erfinden – über Zukünfte zum Beispiel.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Für mich war Hamburg immer eine Stadt, in der zu leben ich mir vorstellen konnte. Ich freue mich auf das reiche Kulturleben und auf das ‚Tor zum Norden‘. Die Universität erlebe ich als sehr offen und beweglich. An einen Ort zu gelangen, der den Mut hat, Experimente zu wagen und nicht nur das Althergebrachte verteidigt, entspricht meiner Vorstellung von Forschung, Lehre und Zusammenarbeit. Gerade die Exzellenzstrategie setzt hier viele tolle Projekte um und ich freue mich, Teil dessen zu sein.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg:
Meine Kolleginnen, Kollegen und ich werden zunächst damit zu tun haben, den Studiengang „Liberal Arts & Sciences“ im Herbstsemester starten zu lassen. Hier ist bereits sehr viel Konzeptionsarbeit geschehen und wir alle freuen uns, wenn unsere Visionen mit dem Leben der Studierenden gefüllt werden.
Da wir den Studiengang sehr interdisziplinär aufbauen, wird es automatisch viel Transfer mit den anderen Fakultäten geben. Das halte ich aus inhaltlichen Gründen für wichtig, weil sowohl die Geschichte als auch unsere Gegenwart ihre Herausforderungen nicht entlang von Disziplingrenzen designen.
Aber darüber hinaus habe ich auch einfach große Lust, viel mit Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten und gemeinsam gute Lehre zu gestalten. Mir schwebt dabei auch vor, Kooperationen mit den anderen Hochschulen und mit Kunst- und Kulturinstitutionen der Stadt auf- und auszubauen. Außerdem werde ich in der Forschung den Bereich Geisteswissenschaft/Medizin weiter ausbauen und an dem geplanten Exzellenzcluster zur Infektionsforschung beteiligt sein.
So werde ich mich in den Studiengang „Liberal Arts & Sciences“, kurz LAS, einbringen:
Eine Besonderheit der Hamburger LAS sind thematisch ausgestaltete Vertiefungsbereiche. Entsprechend meiner disziplinären Herkunft und Forschungsschwerpunkte verantworte ich einen der bislang zwei Vertiefungsbereiche (Majors) innerhalb des Studiengangs. Der trägt nach jetzigem Planungsstand den Titel „Körper, Gesundheit, Gesellschaft: Leben im Anthropozän“ und richtet sich an Studierende, die einen Fokus auf die interdisziplinäre Schnittstelle Geisteswissenschaften und Medizin legen und ihre Kenntnisse im Bereich der Literatur- und Kulturwissenschaft sowie der Künste vertiefen möchten.
Gesundheit wird als eine Frage verstanden und erforscht, die den Fachbereich der Medizin übersteigt. Aus einer interdisziplinären Perspektive soll danach gefragt werden, was es für Individuen und Gemeinschaften heißt, ‚gesund‘ zu sein, und welche Körper- und Gesellschaftskonzepte damit einhergehen. Der Major kombiniert historische Inhalte mit grundlegenden theoretischen und methodischen Fragestellungen: Aus welchen Perspektiven, mit welchen Erkenntnissen und welchen ‚blinden Flecken‘ tritt das Wissen auf? Welchen gesellschaftlichen und kulturellen Einbettungen gehorcht es? Welche politischen und ökonomischen Faktoren spielen eine Rolle?
Neben der Literatur- und Kulturwissenschaft sowie geisteswissenschaftlichen Kernkompetenzen soll der Major grundlegende Kenntnisse der klinischen Medizin und Medizingeschichte, der Sozial- und Kulturgeschichte, der Sozialwissenschaften und der Gesundheitsökonomie vermitteln. Hier stoßen wir übrigens auf die pragmatische Ebene interdisziplinären Arbeitens: Es steht noch aus, die entsprechenden Lehrkooperationen institutionell zu etablieren, da sind gesamtuniversitäre Strukturen für diese neue Form des Studierens zwischen den Fakultäten gefragt.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Grundidee von LAS an der UHH ist, die Studierenden im multiperspektivischen, vernetzten Denken auszubilden und theoretisches Wissen auch in der Praxis zu erproben. Mir sind dabei drei Säulen wichtig: Kritisch erkennen, kreativ gestalten und öffentlich involvieren.
Die Studierenden meiner Veranstaltungen dürfen sich darauf freuen, dass das Studieren nicht an der Hörsaaltür haltmacht. Geisteswissenschaften müssen zwar sicher nicht immer ‚anwendbar‘ sein, aber ich verbinde das Studium der Inhalte gerne mit der Frage nach der Relevanz unseres Denkens und Handelns. Und ich arbeite gerne mit experimentellen, zum Beispiel künstlerischen Methoden, das heißt meine Studierenden schreiben nicht nur Hausarbeiten, sondern zum Beispiel auch mal ein Theaterstück oder drehen einen Film.
Und nicht zuletzt ist mir wichtig, auf Augenhöhe mit Studierenden zu arbeiten. Es braucht natürlich die Vermittlung von Fachwissen und -kompetenzen, aber im nächsten Schritt geht es darum, junge Menschen auf ihren je eigenen Wegen zu unterstützen, damit sie ihr Wissen und Denken erproben können.