„Willkommen an Bord“„Meine Forschung kommt dem Umweltschutz und dem nachhaltigen Ressourcenmanagement zugute“Jun.-Prof. Dr. Flemming Dahlke verstärkt die Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften
28. Dezember 2022, von Dahlke/Red.
Foto: privat
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor.
Juniorprofessor Dr. Flemming Dahlke ist zum 1. November 2022 vom Thünen-Institut an die Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften gewechselt, hat eine Tenure-Track Professur für „Ökologie mariner lebender Ressourcen“ angetreten und wird am Fachbereich Biologie arbeiten.
Herr Dahlke, Sie haben die Professur für die „Ökologie mariner lebender Ressourcen“ angetreten. Was werden Sie erforschen?
Die zentrale Frage meiner Forschung ist, wie sich Umweltveränderungen auf die Verbreitung und Produktivität von Tierbeständen auswirken. Das umfasst nicht nur Fische, sondern beispielsweise auch Muscheln in Wildbeständen oder in Aquakultur.
Meinen Sie mit Umweltveränderungen vor allem das Klima?
Das Klima ist ein Faktor von vielen. Wir beobachten zum Beispiel, dass es vermehrt zu extremen Ereignissen kommt – zum Beispiel zu einer Kombination von Hitzewellen und Sauerstoffminimumereignissen. Hinzu kommen noch weitere Faktoren, die diese Dynamiken verstärken. Dazu gehört unter anderem die Eutrophierung, also der Eintrag von Nährstoffen aus der Landwirtschaft in Küstengewässer, sowie die Fischerei selbst und die Umweltverschmutzung.
Sie sprachen gerade von Küstengewässern. Werden Sie sich in Ihrer Forschung auf bestimmte Regionen fokussieren?
Meine Forschung wird sowohl experimentelle Arbeiten umfassen als auch Feldforschung und Meta-Analysen von Daten aus vorhandenen Studien und Datenbanken. Bei meiner experimentellen Arbeit werde ich mich hauptsächlich mit Arten aus unseren heimischen nordeuropäischen Gewässer wie der Ostsee, Nordsee und dem Nordatlantik befassen. Im Fokus steht hierbei die Reproduktions- und Entwicklungsphysiologie von Fischen. Geht es um Fragestellungen rund um die Dynamik mariner Ökosysteme im Klimawandel, nutze ich vorhandene Daten aus Experimenten und Feldstudien als Grundlage für die Entwicklung biophysikalischer Modelle. Die Anwendung dieser Modelle findet entsprechend der Fragestellung auf regionaler oder globaler Ebene statt.
Wie muss man sich die experimentellen Arbeiten vorstellen?
Fische haben generell einen komplexen Lebenszyklus: Aus dem Ei entwickelt sich zunächst die Larve. Daraus wird der junge Fisch und irgendwann der adulte Fisch. Die Lebensräume, die diese unterschiedlichen Lebensstadien benötigen, können zum Teil sehr weit auseinanderliegen und unterschiedliche Eigenschaften haben. Nehmen wir zum Beispiel die Frage, wie der Kabeljau auf den Klimawandel reagiert. Wollen wir dies beantworten, dann untersuchen wir, welchen Einfluss Temperatur- und Sauerstoffveränderungen auf den Stoffwechsel und die generelle Fitness dieser Art haben. Insofern schauen wir im Labor, welche Lebensstadien besonders empfindlich sind und bestimmen die Toleranzgrenzen hinsichtlich Temperatur und Sauerstoff, innerhalb derer die Fortpflanzung und damit das Überleben der Art möglich ist.
Sie sagten auch, dass Sie Feldarbeiten durchführen werden. Wie spielt dies in die experimentellen Arbeiten mit hinein?
Nach unseren experimentellen Arbeiten gehen wir ins Feld und überprüfen, zu welchen Jahreszeiten und an welchen Orten sich die Arten in den verschiedenen Lebensstadien aufhalten. So validieren wir unsere experimentellen Daten. Diese können wir dann in ökologische Modelle einbauen, um dann in Verbindung mit Klimaprojektionen Vorhersagen treffen zu können. Diese zeigen dann auf, wo sich eine Art in 20, 30 oder 100 Jahren nicht mehr reproduzieren kann und ob wichtige Arten wie der Kabeljau in einer bestimmten Region dann für die Fischerei noch verfügbar sein werden.
Ihre Forschung ist also sehr anwendungsbezogen.
Wir untersuchen Mechanismen auf der Ebene von Zellen und einzelnen Organismen, versuchen aber letzten Endes diese Erkenntnisse in Vorhersagen einzubauen, die direkt dem Umweltschutz und dem nachhaltigen Management von Ressourcen zugutekommen. Um Lebensräume unter Schutz zu stellen, muss man wissen, welche Arten heute dort vorkommen und welche Arten es in 50 Jahren sein werden. Auch für die Fischerei spielen unsere Vorhersagen eine wichtige Rolle. Nehmen wir zum Beispiel die Nordsee: Hier kommen durch die Meereserwärmung neue Arten hinzu, andere verschwinden dafür. Die Fischerei muss versuchen, sich anzupassen.
Sie sprachen ganz am Anfang auch schon die Aquakultur an. Hier geht es ja auch um Ressourcenmanagement.
Genau. In einem meiner Projekte, welches ich an die Universität Hamburg bringe, geht es um die Kombination von Garnelen, Aquakultur und Photovoltaik in Vietnam. Dort wird eine Pilotanlage gebaut, bei der wir die Produktion unter anderem wissenschaftlich begleiten und bewerten. Es geht vor allem um Ressourcenmanagement und die Frage, wie man unsere Wirtschaft und Nahrungsproduktion nachhaltiger gestalten kann.
Was erforschen Sie dort konkret?
Meine Aufgabe ist zu untersuchen, wie sich die Konstruktion von Photovoltaikanlagen auf die Zucht der Garnelen und die Wasserqualität auswirkt. Das Projekt wird vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg geleitet. Hier beabsichtige ich auch weiterhin Kooperationen anzustoßen und betreue jetzt schon die erste Masterarbeit in dem Bereich. Ich hoffe, dass sich dann auch die Möglichkeit ergeben wird, Studierende für das Projekt nach Vietnam zu schicken.
Masterarbeit ist ein gutes Stichwort: Welche Bereiche Ihrer Forschung können die Studierenden in den Lehrveranstaltungen erwarten – die experimentellen, Feldforschung oder Modellierungen?
Die Studierenden werden die Möglichkeit haben, in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen meiner Forschung ausgebildet zu werden. Der Schwerpunk meiner Lehre liegt auf experimentellen Methoden und physiologischen Analysen zum Thema Reproduktion und Entwicklung unter dem Einfluss anthropogener Faktoren wie Klimawandel und Umweltverschmutzung. Wir werden Praktika anbieten, die sowohl im Labor als auch im Feld oder auf Forschungsschiffen stattfinden. Eine zentrale Rolle spielt natürlich auch der theoretische Hintergrund, also der Zusammenhang zwischen den physiologischen Eigenschaften von Arten, ihrer Populationsdynamik und der Entwicklung eines nachhaltigen Fischereimanagements in Zeiten rasanter klimatischer Veränderungen.