„Willkommen an Bord“„Mehr linguistisches Wissen über sexuelle und geschlechtliche Identitäten fördert die Aufklärung“Prof. Dr. Lars Vorberger verstärkt die Geisteswissenschaften
4. Oktober 2022, von Vorberger/Red.
Foto: UHH/Lutsch
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal Linguist Prof. Dr. Lars Vorberger.
Prof. Dr. Lars Vorberger hat zum Wintersemester eine Professur für „Linguistik des Deutschen“ an der Universität Hamburg angenommen. Er war vorher in der Stabsstelle Gleichstellung der Uni Hamburg beschäftigt und für den Bereich Diversity verantwortlich.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Im Rahmen meiner Professur möchte ich mich der Erforschung der komplexen Zusammenhänge von Sprache und Sexualität sowie Geschlecht widmen. Man spricht hier von Queer- und Gender-Linguistik, das heißt beispielsweise: Wie werden diese Identitäten sprachlich konstruiert? Wie prägen Vorstellungen von Sexualität und Geschlecht unsere Sprache? Und umgekehrt: Wie prägt Sprache diese Vorstellungen? Dabei möchte ich einen Schwerpunkt auf die lautliche Ebene, also Phonetik und Phonologie, legen, was wiederum die Verbindung zur Regionalsprachenforschung herstellt, die bisher eines meiner Hauptgebiete war und zu der ich auch weiter forschen möchte. Daneben bietet das Forschungsgebiet „Sprache – Sexualität“ zahlreiche weitere spannende Anknüpfungspunkte, etwa zur forensischen Linguistik, zur Psychologie und Soziologie oder zu den Erziehungswissenschaften.
Und so erkläre ich meinen Freunden und meiner Familie, worum es da geht:
Ich imitiere häufig Hape Kerkelings Parodie „Schwuler im Café“. Die Reaktionen lassen meist nicht auf sich warten und bieten einen wunderbaren Ausgangspunkt: Die Leute lachen, meine Imitation bzw. Kerkelings Parodie hat also erfolgreich das Konzept einer „schwulen“ Aussprache hervorgerufen. Das heißt, es muss eine gesellschaftlich geteilte Vorstellung davon geben, wie schwule Männer stereotyp sprechen. Das wurde im Deutschen bisher wenig erforscht. Interessanterweise gibt es zwischen den Sprachen Unterschiede: Im Deutschen ist es nach bisherigen Erkenntnissen eine (de-)nasale Aussprache, im Englischen hingegen Lispeln – das hat wiederum Auswirkungen auf die Konzeption von sexuellen Identitäten, die kulturgebunden zu sein scheinen. Dies war eine beispielhafte Fragestellung, andere beschäftigen sich etwa damit, wie in den Medien über sexuelle Identitäten berichtet wird oder welche Auswirkungen Personenreferenzen wie „die Memme“, „die Bürgerin“, „Schwester“ oder „Feuerwehrleute“ auf unsere Vorstellungen haben.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Ich lebe ja bereits in Hamburg und kenne auch die Universität Hamburg – hier habe ich am Institut für Germanistik mein Bachelor-Studium absolviert und in der Stabsstelle Gleichstellung gearbeitet. Für mich fühlt es sich also eher wie eine Rückkehr an.
Ich bin der Stadt sehr verbunden. Wenn auch im Herzen Hessen, ist Hamburg meine Wahlheimat. Die Universität habe ich durch meine Arbeit in der Gleichstellung noch einmal anders, aus der Verwaltungsperspektive kennengelernt, was sicher hilfreich sein kann. Aus diesem Grund weiß ich um die guten Forschungs- und Lehrbedingungen an der Universität und der Fakultät für Geisteswissenschaften und freue mich auf die Zusammenarbeit im Kollegium sowie mit den Studierenden.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg:
Ich möchte gerne das Forschungsgebiet „Sprache und Sexualität“ weiter erschließen und es an der Universität Hamburg innerhalb der deutschen Hochschullandschaft etablieren. Es gibt hier in diesem Gebiet bisher nicht viel Forschung – anders als etwa im englischsprachigen Raum. Es handelt sich um gesellschaftlich aktuelle und relevante Themen, die ich in der Lehre aufgreifen und nach außen, in die Gesellschaft tragen möchte. Zudem bieten sich spannende Anknüpfungspunkte an die bestehende Forschung in verschiedenen Fächern an der Uni – das Forschungsgebiet lebt von seiner immanenten Interdisziplinarität und die gilt es zu nutzen.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Zunächst handelt es sich um ein – für das Deutsche – recht junges Forschungsgebiet, was zahlreiche Möglichkeiten eröffnet: es gibt noch viel zu erforschen und zu entdecken. Dies würde ich gerne zusammen mit den Studierenden angehen und sie auch eigene kleine empirische Forschungsprojekte durchführen lassen. Außerdem sind es – wie angesprochen – sehr aktuelle Fragestellungen, die unter anderem für Lehramtsstudierende sehr wichtig sein können, aber mit denen wir alle etwas anfangen können, da Sexualität und Geschlecht fast omnipräsent sind. Ich hoffe, dass mein großes Interesse und meine Begeisterung für das Forschungsgebiet auf die Studierenden übergehen.
Blick in die weite Welt: mit diesen internationalen Einrichtungen, Universitäten oder Institutionen arbeite ich zusammen
Bisher hatte ich – durch den Schwerpunkt der Regionalsprachforschung des Deutschen – noch keine internationalen Kooperationen. Es bestehen aber Kontakte, vor allem in die USA, aber auch nach Schweden. Diesen Austausch möchte ich gerne intensivieren. Das Forschungsfeld ist nicht nur interdisziplinär, sondern auch international, sodass der Vergleich mit verschiedenen Sprachen und Kulturen vielversprechend erscheint.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig:
Einen direkten gesellschaftsrelevanten Punkt stellt die geschlechtergerechte und diversitätssensible Sprache dar, die auch Teil meiner Forschung und Lehre sein wird. Das Thema wird immer noch intensiv diskutiert und hat gesellschaftliche Sprengkraft, sodass bisherige und kommende Erkenntnisse weiter aufklären können. Und auch die Forschung zum Verhältnis von Sprache und Sexualität kann gesellschaftlich wichtige Resultate erzielen: Mehr linguistisches Wissen über Sexualität sowie sexuelle und geschlechtliche Identitäten – wie zum Beispiel zum Konstruktionscharakter, zur Kulturgebundenheit, zu den sprachlichen Mechanismen oder zu Stereotypen – fördert die Aufklärung. Es kann im besten Fall zu einer Reduzierung von Vorurteilen und Diskriminierung bei gleichzeitiger Förderung der Diversität beitragen, was bei den aktuellen Debatten um Geschlecht und Sexualität dringender denn je erscheint.