Co-Working-Space für kreative GründungsteamsMithilfe Künstlicher Intelligenz Bienen schützen
27. Juli 2022, von Anna Priebe
Foto: pixabay/suju-foto
Wie kann ein Milbenbefall von Bienenvölkern frühzeitig erkannt werden? Ein interdisziplinäres Studierendenteam hat eine Technologie zur automatisierten akustischen Überwachung entwickelt. Dafür nutzten sie das Angebot eines neuen Co-Working-Space an der Uni. Nabil Basharat und Kevin Kraus berichten über die gemeinsame kreative Arbeit.
Artenschutz und Insektensterben sind sehr aktuelle Themen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Probleme mit Methoden der Künstlichen Intelligenz anzugehen?
Kevin Kraus: Ausgangspunkt für die Themensuche im Seminar „Digital Innovation Lab“ waren die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Als ich meiner Freundin beim Brainstormen von einem Start-up erzählt habe, das per Bilderkennung die im Bienenstock ein- und ausfliegenden Bienen sowie die mitgebrachte Pollenmenge auswertet, meinte sie, ihre Mutter hätte eine Zeit lang Bienen gehabt. Die sind aber an der Varroamilbe gestorben – einer Milbenart, die Bienenstöcke befällt und ein Hauptgrund für das weltweite Bienensterben ist. Auch hier gibt Ansätze, die den Befall per Bilderkennung überprüfen. Diese Technik wollten wir weiter automatisieren, was sich aber als sehr schwer umsetzbar herausgestellt hat.
Wie funktioniert Ihr alternativer Ansatz?
Kraus: Wir haben weiter recherchiert und sind auf die Akustik der Bienen als Indikator für das Befinden des Volkes gestoßen. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass man am Summen zum Beispiel erkennen kann, ob eine Königin vorhanden ist, aber auch, ob eine Infektion mit der Varroamilbe vorliegt. Daraufhin haben wir uns für diesen Überwachungsansatz entschieden.
Unser Prototyp besteht aus einem kleinen Mikrocontroller, also einem Chip, der verschiedene Steuerelemente enthält und mit Solarstrom betrieben wird. Das ist quasi ein Mini-PC, der die Töne aufzeichnet und diese mit einem Machine-Learning-Modell untersucht. Das Modell haben wir mit Aufnahmen von Bienengeräuschen trainiert und immer wieder erprobt. Das heißt, dass die Untersuchung direkt im Gerät vor Ort stattfindet und nur das Ergebnis der Klassifikation am Ende übertragen werden muss.
Was sind die Herausforderungen gewesen?
Kraus: Das maschinelle Lernen hängt stark von der Qualität der Daten ab, mit der man die Künstliche Intelligenz trainiert. Leider gibt es noch keine Datenbank mit Audiodateien von verschiedenen Bienen, etwa mit Milbenbefall. Wir konnten unseren Prototypen nur so trainieren, dass er zwischen Bienen und Umgebungsgeräuschen unterscheiden kann. Das Modell muss also noch lernen, die spezifischen Geräusche von mit Milben infizierten Bienen zu erkennen.
Nabil Basharat: Aber wir haben die eine grundsätzliche Technik entwickelt, die am Bienenstock installiert werden kann, um dort Geräusche aufzunehmen und direkt zu verarbeiten. Es hat uns dabei sehr geholfen, dass wir aus verschiedenen Bereichen kommen. Tobias Bartsch und Kevin studieren Wirtschaftsinformatik im Master und haben sich um die Software, das Machine Learning sowie die Hardware-Architektur gekümmert. Zudem war Alexia Geoffrien Teil unseres Teams. Sie war Austauschstudentin aus Frankreich und hat die Marketing-Perspektive eingebracht. Ich studiere Wirtschaftsingenieurwesen und habe vor allem das Design und die Herstellung der Box, die alle Komponenten enthält und am Bienenkorb befestigt wird, übernommen. Dafür habe ich unter anderem den 3D-Drucker im Co-Working-Space genutzt.
Der neue Co-Working-Space für Gründungsteams war ein wichtiger Bestandteil des Projektformats „Digital Innovation Lab“. Wie haben Sie von diesem Kreativraum profitiert?
Basharat: Klasse war vor allem, dass dort so viel Hardware wie der 3D-Drucker vorhanden ist. Außerdem bietet sie viel Inspiration und Potenzial, um Entwicklungen zu testen. Und man kann den Raum flexibel nutzen und hat immer einen Ort, an dem man sich an der Uni treffen kann, ohne lange suchen zu müssen.
Kraus: Ja, auch das Großmembranmikrofon sowie die vorhandenen Computerkomponenten für unseren Mikrocontroller waren sehr hilfreich. Vor allem haben wir den Raum aber auch für den Austausch mit anderen Gruppen genutzt.
Wie geht es jetzt mit Ihrer Idee weiter?
Kraus: Wir hatten bisher aber nicht die Chance, ihn in der Praxis zu testen. Nach dem Ende des Wahlfachs ist bisher noch keine Weiterführung geplant, aber unsere Entwicklung ist Open Source. Das heißt, vielleicht finden sich Interessierte, die den Prototypen weiterentwickeln und zur Anwendung bringen wollen.
Co-Working-Space des Management Transfer Labs
Das Management Transfer Lab (MTL) an der Fakultät für Betriebswirtschaft bietet seit diesem Jahr allen Gründungsinteressierten aus dem universitären Kontext sowie EXIST-Gründungsteams einen Raum für gemeinsames, kreatives Arbeiten. Der Co-Working-Space im Von-Melle-Park 5 bietet eine umfassende Ausstattung an Hardware (u. a. einen 3D-Drucker, 4K-Kameras, High-Performance-PCs und Maker-Kits) sowie Software (z. B. Qualtrics und Sawtooth). Gründerinnen und Gründer finden hier Platz zum kreativen Arbeiten, für den Prototypenbau, zur Validierung der eigenen Geschäftsidee und für den Austausch mit anderen Kreativen. Gebucht werden können die Räumlichkeiten und Hardware über das Buchungsportal.
Der Co-Working-Space sowie das von Prof. Dr. Jan Recker (Professur für Information Systems and Digital Innovation) angebotene Veranstaltungsformat „Digital Innovation Lab“ werden im Rahmen von „Exist“ gefördert – einem Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.