„Willkommen an Bord“„Mich treibt die Vision einer Gesellschaft des langen Lebens und Lernens um“Prof. Dr. Claudia Kulmus verstärkt die Erziehungswissenschaft
22. Juni 2022, von Kulmus/Red.
Foto: UHH/Scholz
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Claudia Kulmus
Prof. Dr. Claudia Kulmus ist von der Humboldt-Universität in Berlin nach Hamburg gekommen und hat im Juni eine Juniorprofessur für „Erwachsenenbildung“ an der Fakultät für Erziehungswissenschaft angetreten.
Mein Forschungsgebiet in wenigen Sätzen:
Was mich ganz zentral umtreibt, ist die Frage, wie wir eine Gesellschaft des langen Lebens und damit auch des langen Lernens Realität werden lassen können. Dazu bedarf es der Forschung zum Lernen von älteren Erwachsenen und ihren Interessen – sowohl in Bildungseinrichtungen als auch in ihrem Lebensalltag und im Sozialraum. Das ist auch ein politisches Thema, nämlich die Frage, wie eine Gesellschaft aussehen müsste, in der man nicht „den Alten“ eine Sonderrolle zuweist. Wir brauchen Strukturen, die Menschen auch im späten Leben noch gesellschaftliche Teilhabe und Anerkennung ermöglichen.
Zudem interessiert mich professionelles pädagogisches Handeln in der Lehre und in Form von Programmplanung und Organisationsgestaltung in der Erwachsenenbildung. Denn über dieses professionelle Handeln unterstützen wir das Lernen Erwachsener und suchen auch nach Wegen, diejenigen zu unterstützen, die zwar lernen – das tun wir alle immer –, aber von alleine nicht so leicht den Weg in Weiterbildung finden.
Konkret arbeite ich gerade an einem Projekt zur „Seniorinnen- und Seniorenbildung in der Pandemie“, wo ich danach frage, welche langfristigen – auch positiven – Wirkungen sich für Bildungs- und Begegnungseinrichtungen aus dieser Pandemie ergeben könnten – neben all den negativen Seiten, die es für ältere Menschen selbst, aber eben auch für Bildungs- und Begegnungseinrichtungen in der Pandemie gab.
So erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Menschen lernen ihr ganzes Leben lang, immer weiter, immer wieder neu, immer wieder anders. Alle Menschen können lernen, bis ins ganz hohe Alter hinein, aber nicht alle haben die gleichen Voraussetzungen und Möglichkeiten dazu. Außerdem gibt es viele Vorurteile gegenüber dem Lernen, vor allem im Alter – und wir versuchen das genauer zu untersuchen und zu zeigen, wann und wie Menschen „lebenslang und lebensbreit“ lernen, welche Bedingungen dafür nötig sind, aber auch welche Unterstützung, welche Bildungsangebote, welche Beratung dabei helfen können.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig:
Mich treibt unter anderem die Vision einer Gesellschaft des langen Lebens und Lernens um. Würden wir das erreichen, wären nicht nur für Ältere, sondern auch für jüngere Menschen so manche (berufs-)biografischen Brüche viel weniger dramatisch, weil es bis ins hohe Alter hinein immer sichtbare und akzeptierte Wege gäbe sich neu zu orientieren, sich weiterzuentwickeln, Einstiege in neue Themen- und Handlungsfelder zu finden und dafür auch gesellschaftliche Akzeptanz zu finden. Dabei sollten auch das Wissen, die Erfahrung und vielleicht gar die Weisheit Älterer dies- und jenseits der Erwerbsarbeit viel sichtbarer werden.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Ich verstehe Lehre als gemeinsame Arbeit an Themen, denen ich mich immer wieder neu mit Studierenden annähere. Als Erwachsenenbildnerin versuche ich außerdem, meine eigenen Intentionen und Überlegungen in Bezug auf das Seminar oder die Vorlesung so transparent und nachvollziehbar wie möglich zu machen. So kann ein kooperatives Arbeiten möglich werden und es können auch in Seminaren Räume für individuelle Interessen und Entwicklung entstehen. Das gelingt mal mehr und mal weniger gut, aber so wünsche ich mir das zumindest.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg (in Bezug auf Transfer, Lehre o. Ä.):
Inhaltlich möchte ich über meine Projekte in der Beteiligungs- und Professionsforschung dazu beitragen, dass das lebenslange Lernen bis ins hohe Alter hinein in der Erziehungswissenschaft und vor allem der Erwachsenenbildung wirklich ankommt. Lernen endet nicht mit dem Ende der Berufs- oder Familientätigkeit, Lernfähigkeit erst recht nicht.
In der Lehre möchte ich gerne eine systematische Theorie-Praxis-Reflexion weiterentwickeln. Das ist mir deshalb wichtig, weil es an der Uni vorrangig darum geht, wissenschaftliches Denken und Arbeiten einzuüben – und dabei manchmal der Eindruck entstehen kann, das sei aber nicht praxistauglich oder nicht hilfreich. Das sehe ich völlig anders, aber das Verhältnis von Theorie und Praxis, den wechselseitigen „Nutzen“ sichtbar zu machen, erfordert systematische Reflexion. Für die braucht es Raum in der Lehre.
Blick in die weite Welt – mit diesen internationalen Einrichtungen, Universitäten oder Institutionen arbeite ich zusammen:
Ich bin gerade dabei, mich in die unterschiedlichsten Netzwerke der Alternsforschung einzubringen – das Thema wird ja international und auch interdisziplinär bearbeitet. Kontakte – auch über Konferenzen – hatte ich dazu beispielsweise nach Finnland, England und Kanada. Über einen Teaching-Exchange war ich in Dänemark und wir hatten einen Forscher aus Ungarn zu Gast.
In Hamburg gibt es außerdem das UIL, das UNESCO Institute for Lifelong Learning. Das ist ja eigentlich prädestiniert für Fragen der Unterstützung eines Lernens bis ins hohe Alter hinein, deshalb möchte ich das sehr gerne kennenlernen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausloten.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Auf die Alster – meine Lieblingsbank für kurze Auszeiten ganz in Büro-Nähe habe ich schon gefunden – und das Moin, auf die Kolleginnen und Kollegen und auf die Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten wissenschaftlicher Tätigkeit.
Ein ausführliches Interview mit Prof. Dr. Kulmus gibt es auf der Webseite der Fakultät für Erziehungswissenschaft.