„Willkommen an Bord“„Wie können auch marginalisierte Kinder und Jugendliche an Bildungsangeboten teilhaben?“Prof. Dr. Christine Schmalenbach verstärkt die Erziehungswissenschaft
24. Februar 2022, von Schmalenbach/Gießelmann
Foto: Harold Monterrosa
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Prof. Dr. Christine Schmalenbach.
Prof. Dr. Christine Schmalenbach ist zum Wintersemester 2021/22 von der Universidad Internacional Nehemías (El Salvador) nach Hamburg gekommen und hat eine Junior-Professur an der Fakultät für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt „Sonderpädagogik mit dem Schwerpunkt Lernen / emotional-soziale Entwicklung“ angetreten.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Grundsätzlich interessieren mich Unterrichtsansätze, die Partizipation – gerade auch für Kinder, die unter herausfordernden Bedingungen aufwachsen – ermöglichen, für heterogene Klassen geeignet sind und sozial-emotionales Lernen mit fachlichem Lernen verbinden. Ich beschäftige mich dabei mit dem Ansatz des Kooperativen Lernens, zum Beispiel im LIFE-Programm, einem Service Learning Projekt in El Salvador, oder im SeELe-Programm.
Dieses Programm habe ich zusammen mit drei Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland entwickelt. Wir haben die didaktischen Ansätze des Kooperativen Lernens und der Lernleitern, die aus Rishi Valley (Indien) stammen, zusammengeführt und Materialien zur Unterstützung von sozial-emotionalem Lernen ab Sekundarstufe I erstellt. Schülerinnen und Schüler können sich hier in ihrer eigenen Geschwindigkeit mit Themen wie Emotionen, Freundschaft, Kooperation und Konflikten auseinandersetzen. Gerade mit Bezug zu den Förderschwerpunkten Lernen und emotional-soziale Entwicklung gibt es zu diesen vielversprechenden Ansätzen noch deutlichen Forschungsbedarf.
Mich interessiert dabei auch, wie (angehende) Lehrkräfte dabei unterstützt werden können, einen Unterricht zu gestalten, der ein aktives, ganzheitliches Lernen aller Schülerinnen und Schüler ermöglicht. Ein Querschnittsthema, das mich bei diesen Projekten und Fragen immer begleitet, ist die Berücksichtigung von Kultur und Kontext als relevante Aspekte bei der Umsetzung von pädagogischen und didaktischen Ansätzen.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Letztendlich geht es darum, die Bedingungen zu schaffen, dass alle Kinder und Jugendlichen – auch solche, die sich im Leben besonders vielen Herausforderungen stellen müssen – ihr Potenzial so gut wie möglich entfalten können.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig:
In meiner Arbeit geht es im Grunde um Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe, also um die Frage: Wie können Bildungsangebote so gestaltet werden, dass alle Kinder und Jugendlichen, also auch solche, die unter herausfordernden Bedingungen aufwachsen, an ihnen teilhaben können und die Strategien und Kompetenzen entwickeln können, die sie brauchen, um erfolgreich durchs Leben zu kommen? Einzelnen Aspekten dieser breiten Fragestellung gehe ich in meinen Forschungsprojekten nach. In der Ausbildung von und in Kooperation mit Lehrkräften möchte ich diese darin unterstützen, sich immer wieder konstruktiv mit dieser Fragestellung auseinanderzusetzen und wissenschaftlich fundierte Lösungsansätze nutzbringend in der Praxis anzuwenden.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Ich bin selbst Lehrerin und unterrichte gern – ich hoffe, dass Studierende das meinen Veranstaltungen anmerken und sich anstecken lassen von meiner Begeisterung für den spannenden Prozess der Unterrichtsgestaltung. Wenn es das Format zulässt, sind meine Veranstaltungen interaktiv und kooperativ und erlauben die Auseinandersetzung mit echten Materialen und den Einbezug eigener Erfahrungen. Das ist in Seminaren natürlich eher möglich als in Vorlesungen.
Ein Zitat von Paulo Freire (1998) begleitet mich dabei seit Jahren: „One of the most important tasks of critical educational practice is to make possible the conditions with which the learners, in their interaction with one another and with their teachers, engage in the experience of assuming themselves as social, historical, thinking, communicating, transformative, creative persons; dreamers of possible utopias, capable of being angry because of a capacity to love.“ Von den Studierenden und mir erwarte ich, dass wir uns als Lernende und (zukünftige) Lehrende auf diesen Prozess einlassen.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg, etwa in Bezug auf Transfer, Lehre o.Ä.:
Ich würde gerne auch hier in Deutschland mit Lehrkräften aus der Praxis kooperieren und dem Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis Raum geben. Gerne bringe ich mich auch in die Kooperation mit lateinamerikanischen Institutionen ein und baue diese mit aus. Insgesamt habe ich in meinem Leben sehr viel von internationalem und interkulturellem Austausch profitiert – den dadurch entstandenen Blick für verschiedene Perspektiven auf ein Thema bringe ich mit.
Blick in die weite Welt – mit diesen internationalen Einrichtungen, Universitäten oder Institutionen arbeite ich zusammen:
Ich werde von hier aus weiterhin mit Asociación Centro Nehemías (ACN) / Universidad Internacional Nehemías (UIN) in El Salvador kooperieren. Die Fakultät für Erziehungswissenschaft kooperiert mit der Universitat de Barcelona, der Universidad El Salvador und mehreren anderen Universitäten in Mexiko, Kolumbien und Italien in einem salvadorianischen Promotionsstudiengang zu Bildung, Menschenrechten und Friedenskultur. An diesem Projekt beteilige ich mich und freue mich, dass ich auf diese Weise meine Bezüge zu El Salvador und Lateinamerika noch weiter ausbauen kann.
Meine Arbeit ist zudem geprägt worden durch den Austausch mit Nichtregierungsorganisationen in anderen Ländern, die aus der Praxis heraus spannende didaktische und pädagogische Konzepte entwickelt haben, insbesondere IFEJANT (Instituto de Formación para Educadores de Jóvenes, Adolescentes y Niños Trabajadores de América Latina y el Caribe) in Peru und RIVER (Rishi Valley Institute for Educational Resources) in Indien.
Meine letzten Projekte habe ich in Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Erfurt, der Universität Siegen und der Universität Würzburg durchgeführt, was von El Salvador aus durchaus international war. Über die IASCE (International Association for the Study of Cooperation in Education), die IAIE (International Association for Intercultural Education) und meine regelmäßige Teilnahme am ICQI (International Congress of Qualitative Inquiry) habe ich sehr unterschiedliche Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt kennengelernt. Der Austausch mit ihnen hat mir im Laufe der Jahre immer wieder neue Impulse gegeben und meine Arbeit sehr bereichert. Aktuell arbeite ich beispielsweise mit Rachel Lotan, einer emeritierten Professorin der Stanford University, an einem Artikel zu Komplexem Unterricht.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Ich freue mich auf die kulturelle Vielfalt und die internationalen Bezüge. Ich bin selbst zwischen verschiedenen Kulturen aufgewachsen – unter anderem verschiedene Kulturen in Mexiko – und in meinem Leben oft umgezogen. Hamburg erscheint mir als ein Ort, an dem diese verschiedenen Anteile ihren Raum haben und wo ich mich zu Hause fühlen kann.
Ein ausführliches Interview mit Prof. Schmalenbach gibt es auf der Webseite der Fakultät für Erziehungswissenschaft.