„Willkommen an Bord“Von Knoten, Henkeln und WurmlöchernProf. Dr. Paul Wedrich verstärkt den Fachbereich Mathematik und den Exzellenzcluster „Quantum Universe“
15. Oktober 2021, von Wedrich/Red.

Foto: privat
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor.
Paul Wedrich ist seit Kurzem Professor für Kohomologische Methoden am Fachbereich Mathematik. Hier erklärt er seine Faszination für ein Forschungsgebiet, das die menschliche Vorstellungskraft herausfordert. Vor seinem Wechsel nach Hamburg war Paul Wedrich in Bonn an der Universität und am Max-Planck-Institut für Mathematik.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Ich untersuche niedrigdimensionale Mannigfaltigkeiten und Knoten – die man sich wie alltägliche Knoten in Seilen vorstellen kann – mit algebraischen Strukturen, die durch die Quantenphysik inspiriert sind. Mein Spezialgebiet sind Homologietheorien für Knoten, die Eigenschaften einer zeitlichen Entwicklung von Knoten messen können. Dadurch werden feine Unterschiede zwischen glatten vierdimensionalen Mannigfaltigkeiten auffindbar.
Und so erkläre ich meinen Freunden und meiner Familie, worum es da geht:
Wie auch in anderen Wissenschaften gibt es in der Mathematik Messinstrumente. Mathematikerinnen und Mathematiker nennen sie Invarianten und nutzen sie, um mathematische Objekte, beispielsweise Knoten, zu erforschen. In vielen Fällen funktionieren diese Invarianten algorithmisch, d.h. man kann sie durch eine Vorschrift berechnen, die ein Computer abarbeiten kann. Ich beschäftigte mich mit der Entwicklung und Untersuchung solcher Messinstrumente mit theoretischen Methoden und Computerexperimenten.
Das sind die Schnittstellen meiner Forschung zum Exzellenzcluster Quantum Universe:
Die besagten Invarianten sind Bausteine sogenannter topologischer Quantenfeldtheorien, die im Exzellenzcluster Quantum Universe intensiv untersucht werden. Mit kohomologischen Methoden werden neue, leistungsfähige Beispiele solcher topologischen Theorien zugänglich, vor allem in vier Dimensionen – die wahrscheinlich interessanteste Dimensionszahl sowohl in der Mathematik als auch im Alltag, wo wir eine vierdimensionale Raum-Zeit erleben.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Der Forschungsschwerpunkt „Teilchen-, Astro- und Mathematische Physik“ bietet eine ideale interdisziplinäre Forschungsumgebung für mein Fachgebiet. In der Lehre finde ich die Möglichkeit zur Mitgestaltung der neuen Lehramtsstudiengänge besonders spannend. Ich freue mich auf den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen und vielen interessierten Studierenden. Hamburg wirkt auf mich wie eine vielfältige, weltoffene und zukunftsorientierte Stadt. Nach einigen Jahren fern der Küste freue ich mich sehr über die Wind- und Wassersportmöglichkeiten in der Umgebung.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Mich fasziniert, wie sich einerseits anschauliche alltägliche Sachverhalte in ausgefeilte mathematische Konstruktionen übersetzen lassen, und wie andererseits solche Konstruktionen die Anschauung erweitern und die eigene Intuition schärfen können. Ein Beispiel: Viele Menschen haben eine intuitive Vorstellung von einem Wurmloch, einer Art kosmischen Tunnel, der eine Abkürzung zwischen zwei sonst fernen Punkten im Raum darstellt. In der Mathematik nennen wir das einen 1-Henkel, den kann man sich wie einen Henkel an einer Tasse vorstellen. Richtig interessant wird es aber erst, wenn wir auch 2-Henkel erlauben. Das sind ebenfalls Abkürzungen im Raum, aber nicht zwischen zwei Punkten, sondern von allen Punkten auf einem Knoten zueinander. Sobald man das versteht – und mathematische Werkzeuge helfen dabei – kann man mit Knoten verschiedene Formen von drei- und sogar vierdimensionalem Raum beschreiben. Wer sich also immer schon einmal vierdimensionale Objekte vorstellen und Bilder davon zeichnen können wollte, ist bei uns gut aufgehoben!
Blick in die weite Welt: mit diesen internationalen Einrichtungen, Universitäten oder Institutionen arbeite ich zusammen:
In meinem Forschungsgebiet gibt es eine Vielzahl hochkarätiger Forschungsprogramme auf der ganzen Welt. Gemeinsame Forschungsprojekte habe ich unter anderem mit Kolleginnen und Kollegen an Universitäten in Bonn, Montpellier, Stanford und Sydney sowie der Microsoft Station Q in Santa Barbara.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig – zur Lösung dieser Probleme könnte meine Forschung beitragen:
Meine wissenschaftliche Arbeit basiert auf Fragen wie „Welche Formen kann vierdimensionaler Raum annehmen?“ und „Wie lassen sie sich unterscheiden?“. Das ist Grundlagenforschung. Mittel- und längerfristig sind Anwendungen im Zusammenhang mit Quantencomputern und verknoteten Biopolymeren denkbar. Den größten Einfluss meiner Tätigkeit auf die Gesellschaft sehe ich in der Lehre. Unser Alltag ist zunehmend von Technologien geprägt, die immer komplexere mathematische Grundlagen haben. Ich finde es wichtig für eine demokratische Gesellschaft, solche Grundlagen auf breiter Basis und so weit wie möglich nachvollziehen zu können. Dazu möchte ich mit meiner Lehrtätigkeit einen Beitrag leisten.