Das Beratungszentrum für Gesundheit und Zusammenarbeit hilft Mitarbeitenden durch den Lockdown„Einfach nur Durchhalten kann zum Burnout führen“
17. Februar 2021, von Christina Krätzig
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Foto: UHH/privat
Bei gesundheitlichen, familiären oder finanziellen Problemen oder Konflikten auf der Arbeit können sich Mitarbeitende der Universität Hamburg an das Beratungszentrum für Gesundheit und Zusammenarbeit wenden. In der Corona-Pandemie wird das Angebot stark nachgefragt – und ausgebaut.
Frau Schwartz, Frau Nielbock, wer sucht Ihren Rat? Wie groß müssen Probleme sein, um sich bei Ihnen zu melden?
Stephanie Schwartz: Ich höre im Erstkontakt oft den Satz: Ich weiß gar nicht, ob meine Situation überhaupt schlimm genug ist. Darauf antworte ich, dass es keine zu kleinen Probleme gibt. Oft empfinden Mitarbeitende es auch als problematisch, dass sie relativ unspezifische Beschwerden haben. Sie klagen beispielsweise über Schlafstörungen oder darüber, dass sie schneller als sonst die Beherrschung verlieren. Dann helfe ich in einem ersten Schritt dabei, zu klären, was dahinterstecken könnte. Wichtig ist wahrzunehmen, dass etwas nicht stimmt. Die Ursache finden wir gemeinsam heraus.
Sonja Nielbock: Im letzten Jahr gab es neben den Arbeitskonflikten auch Konflikte um die Umsetzung der Corona-Schutzreglungen und rund um das Thema Home Office. Nach dem ersten digitalen Semester waren viele Beschäftigte überlastet und die bereits vorher schwelenden Konflikte wurden deutlicher oder neue Konflikte entstanden auf der Basis von Erschöpfung und Dünnhäutigkeit. Insgesamt gilt in der Konfliktberatung: Kleine Konflikte lassen sich leichter lösen als große. Deswegen sage auch ich, es ist gut, sich so früh wie möglich zu melden.
Können Sie die Probleme der Beteiligten immer lösen?
Stephanie Schwartz: In der Sozialberatung ist es nicht das Ziel, Probleme für jemand anderen zu lösen. Wir helfen, den Kern eines Problems zu identifizieren und Strategien zu erarbeiten, wie die Betroffenen damit umgehen können. Oft können sie das nach drei oder vier Sitzungen allein umsetzen. Manchmal hilft es auch schon, sich einfach mal auszusprechen. Möglich ist auch das Weiterverweisen an universitätsinterne oder externe Fachberatungsstellen. Oder es stellt sich heraus, dass jemand mit Hilfe einer Therapeutin oder einem Therapeuten weiter an einem Thema arbeiten möchte.
Sonja Nielbock: In der betrieblichen Konfliktberatung geht es vorrangig darum, Klarheit zu schaffen. Ziel ist es, zwei Personen so zu beraten, dass eine möglichst reibungsfreie, unbelastete Zusammenarbeit wieder möglich ist. Dafür müssen sie sich nicht mögen – diese Erkenntnis erleichtert viele. Wichtiger ist es, zu verstehen, wie der oder die andere „tickt“ und wie man mit den Unterschieden im Arbeitsalltag umgehen kann.
Frau Schwartz, wie hat sich Ihre Arbeit in der Sozialberatung der Universität Hamburg durch die Corona-Pandemie verändert?
Stephanie Schwartz: Wir sehen seit Beginn der Pandemie einen zunehmenden Bedarf für Beratung. Das begann im vergangenen März, als viele Mitarbeitende aus Sorge vor dem neuartigen Virus das Gespräch mit uns suchten. Es herrschte ein Gefühl von Ungewissheit vor, die Frage: Was kommt jetzt auf mich zu?
Inzwischen belastet der Lockdown die Menschen mehr als die Angst vor dem Virus selbst. Viele Eltern leiden unter der Doppelbelastung durch die gleichzeitige Kinderbetreuung und Arbeit zu Hause. Alleinstehende kämpfen mit Isolation und Einsamkeit. Wir beobachten eine Zunahme von Suchtverhalten oder Depressionen. Auch der unstrukturierte Alltag und die Ungewissheit, wie lange das alles noch dauert, ist für viele problematisch.
Eine besondere Erfahrung für uns ist, dass sowohl die Telefon- als auch Videoberatung sehr gut angenommen wird. Auch wenn der persönliche Kontakt natürlich schöner wäre.
Frau Nielbock, gibt es auch in der Konfliktberatung Veränderungen?
Sonja Nielbock: Die Menge der Konflikte ist etwa gleichgeblieben, aber ihre Art hat sich verändert. Wir hören häufig, dass als schwierig wahrgenommene Situationen während des Homeoffice nicht angesprochen werden, weil die Hemmschwelle für einen Anruf höher ist als beispielsweise eine kurze Nachfrage in der Teeküche.
Plant das Beratungszentrum für Gesundheit coronabedingt auch neue Maßnahmen?
Stephanie Schwartz: Tatsächlich werden wir ab sofort einen regelmäßigen Austausch in einer Gruppe ausprobieren. Hier sollen die bereits genannten, durch den Lockdown verursachten Probleme im Vordergrund stehen. Deswegen bieten wir ab sofort wöchentlich moderierte Videokonferenzen mit maximal zwölf Teilnehmenden an.
Sonja Nielbock: Wir möchten mit diesem neuen Format besonders die Mitarbeitenden und Führungskräfte erreichen, die im Homeoffice ein diffuses Unwohlsein verspüren. Viele haben sich irgendwie in der neuen Situation eingerichtet. Sie funktionieren in der digitalen Welt einigermaßen und schlagen sich in der realen Welt so durch. Das könnte dazu führen, dass sie erst nach dem Ende des Lockdown bemerken, wie schlecht es ihnen eigentlich geht, und dass wir dann vermehrt Burnouts oder Boreouts sehen werden. Dem wollen wir mit unserem neuen Gesprächsangebot vorbeugen.
Zum Beratungszentrum
Im Beratungszentrum für Gesundheit und Zusammenarbeit können sich alle Mitarbeitenden der Universität Hamburg unentgeltlich zu verschiedenen Problemstellungen beraten lassen. Die Beraterinnen und Berater unterliegen der Schweigepflicht. Termine vereinbaren sie per E-Mail. Das Beratungszentrum gehört zur Stabsabteilung Organisation und Gesundheit und ist unterteilt in Sozialberatung, Suchtprävention und Beratungen zu sexualisierter Diskriminierung sowie Konfliktprävention, Konfliktberatung und Gesundheitsmanagement.