„Wir wollen’s wissen!“Wissenschaft im digitalen Klassenzimmer
28. Januar 2021, von Maria Latos
Foto: UHH/MIN/Latos
Schwarze Löcher, Comics oder Gleichberechtigung: Vom 18. bis 22. Januar präsentierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hamburg Schülerinnen und Schülern ihre Forschung – in diesem Jahr erstmals digital. Wir haben uns beim Termin von Dr. Markus Perbandt dazu geschaltet.
Um Punkt 11 Uhr ist die erste Hürde genommen: Alle 22 Schülerinnen und Schüler haben sich pünktlich ins Online-Meeting einloggen können und erscheinen als kleine dunkle Rechtecke in der Übersicht des Bildschirms. Nun muss der Schüler, der aktuell noch den Fantasienamen „Gandalf der Graue“ trägt, seinen richtigen Namen verwenden und der Chemiker Dr. Markus Perbandt kann beginnen.
Sein Vortrag „Röntgenlicht im Kampf gegen Krankheiten“ ist einer von mehr als 30 Vorträgen der Veranstaltungsreihe „Wir wollen’s wissen!“, bei welcher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hamburg, des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY und des Heinrich-Pette-Instituts, Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie, eine Woche lang ihre Forschung Hamburger Oberstufenschülerinnen und -schülern präsentieren. Von Biologie und Mathematik über Philosophie bis hin zu den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sind alle Fächer vertreten.
Sonst tauschen die Expertinnen und Experten dafür Hörsaal oder Labor gegen das Klassenzimmer und kommen direkt in die Schule. Aufgrund der Corona-Pandemie musste die Veranstaltung in diesem Jahr digital stattfinden. Dr. Markus Perbandt sitzt deshalb im heimischen Büro vor der Computerkamera und teilt seine Präsentation, sodass alle Schülerinnen und Schüler die Folien sehen können.
Von der Molekülstruktur zum Medikament
„Bei meinem Vortrag werden wir zusammen ergründen, wie man mithilfe von Röntgenstrahlung Moleküle in 3D darstellen kann, die dann dabei helfen, passgenaue Wirkstoffe zu entwickeln “, beginnt er. „Doch zuerst geht es um die Frage, was Krankheiten überhaupt sind. Haben Sie Ideen? Gerne aus dem Bauch heraus antworten.“ Immer wieder stellt Perbandt solche Fragen, bezieht die Schülerinnen und Schüler mit ein. Und diese nehmen das gern an: Sie melden sich, indem sie eine virtuelle Hand heben. „Krankheiten sind eine Einschränkung der Vitalität des Organismus“, sagt ein Schüler. „Krankheiten lassen sich in genetische und nicht genetische aufteilen“, ergänzt ein anderer. Hinter den schwarzen Kacheln wird die nächste Stunde über genau zugehört und mitgearbeitet.
Schließlich erläutert Perbandt, wie ein Röntgenmikroskop arbeitet: Proteinkristalle werden mit Röntgenstrahlung beschossen und Detektoren erfassen deren charakteristische Muster. Diese werden am Computer zurückgerechnet und es ergibt sich eine dreidimensionale Proteinstruktur. „Die Kenntnis des atomaren Proteinaufbaus ist von besonderer Bedeutung für die Bekämpfung von Krankheiten, denn so können Bindungstaschen identifiziert werden, die mit Medikamenten blockiert werden können“, sagt Perbandt. Das Grippemedikament „Tamiflu“ beispielsweise, ist so von einer am Computer entwickelten Leitstruktur zum Milliarden-Dollar-Medikament weiterentwickelt worden.
Fragen rund um die Forschung und Berufsaussichten
Damit schließt Perbandt seinen Vortrag und eröffnet die Fragerunde: „Sie können gerne auch abseits der Vortrags fragen, zum Beispiel allgemein zur Forschung oder meinem Beruf“, ermuntert er. Und tatsächlich haben die Schülerinnen und Schüler einige Fragen: Sie wollen wissen, ob die Röntgenstrahlung bei der Entwicklung der Impfstoffe gegen das Coronavirus geholfen habe. „Nur indirekt“, sagt Perbandt. „Mit der Röntgenstrukturanalyse gewinnen wir wichtige Erkenntnisse zu den Struktureigenschaften, die wiederum bei der Entwicklung neuer Therapeutika von großer Bedeutung sind. Aktuell wird auch hier in Hamburg im Rahmen eines großen Forschungsverbundes nach neuen Medikamenten gesucht, auch unter Nutzung der am DESY vorhandenen Röntgenstrahlungsquellen.“
Ein Schüler hat Markus Perbandt gegoogelt und gefunden, dass dieser am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA tätig war. „Wie ist die Forschung dort im Vergleich zu Deutschland?“, will er wissen. „Natürlich ist die finanzielle Ausstattung am MIT besonders gut und dort trifft sich die ganze Welt, um zu forschen. Es ist daher nochmals um einiges internationaler als bei uns an der Uni Hamburg“, antwortet dieser. Um 12:24 Uhr sind alle diese Fragen beantwortet und der Vortrag ist zu Ende. Langsam verschwindet ein schwarzes Rechteck nach dem anderen wieder vom Bildschirm. Dr. Markus Perbandt ist zufrieden: „Na, das hat doch alles ganz gut geklappt, aber hoffentlich können wir nächstes Jahr wieder in die Schule gehen.“