Workshop zu Wissensvermittlung in der frühen NeuzeitKorallen, deren Duplikate und magische Kräfte
24. Februar 2020, von Anna Priebe
Foto: UHH/Oster
Die wissenschaftlichen Sammlungen der Universität Hamburg umfassen rund 13 Millionen Objekte – viele von ihnen sind mehrere hundert Jahre alt. Der Umgang mit und die Interpretation der Materialien hat sich in Laufe der Zeit stark verändert. Ein Workshop im Universitätsmuseum bot nun neue und vor allem praktische Perspektiven.
Den Zweig eines Dornenbusches, das Mineral Zinnober, Walnussöl und Harz: Das waren laut einem französischen Rezept von ca. 1580 die Zutaten, um Korallen nachzubilden. Da die echten Korallen schwer zu bekommen und zu präparieren waren, wurden diese Objekte damals für Sammlungen von Privatleuten und Ausstellungen geschaffen. In einem Workshop machten sich 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität, insbesondere der wissenschaftlichen Sammlungen, sowie anderer Hamburger Hochschulen im Universitätsmuseum daran, die Beschreibung praktisch umzusetzen.
Angeleitet wurden sie von der kanadischen Kulturhistorikerin und Juwelierin Donna Bilak, die nicht nur die notwendigen Materialien mitbrachte, sondern den Teilnehmenden auch zeigte, was es zu beachten gilt. In verschiedenen Forschungsprojekten analysiert Bilak historische Texte und setzt die Vorgaben experimentell um. Die Mengenangaben, die notwendigen Temperaturen und auch die genauen Materialzusammensetzungen – all das gilt es herauszufinden.
Ein besseres Verständnis für die Sammlungsobjekte
„Dieser Ansatz bietet einen neuen Zugang zu vielen Sammlungsobjekten“, erklärt Dr. Dominik Hünniger, der die Veranstaltung organisiert hat. Wie Dinge aus der Natur – seien es Tiere, Pflanzen oder auch Gesteine – früher gesammelt, präpariert, präsentiert und auch nachgebildet wurden, sage viel über die Wissenschaft der frühen Neuzeit und das Naturverständnis aus, so der Wissenschaftshistoriker: „Wer heute mit wissenschaftlichen Sammlungen arbeitet, muss die Objekte im Entstehungskontext sehen – und durch diese praktische Arbeit ist das Verständnis ein ganz anderes.“
Für die theoretische Einbettung sorgte neben Donna Bilak und Dominik Hünniger auch Kelly Whitmer von der University of the South in Sewanee (Tennessee, USA), die zur Verbindung von Wissenschaft mit Religion und Erziehung in der frühen Neuzeit forscht und derzeit mit einem Alexander-von-Humboldt-Stipendium an der Universität Göttingen arbeitet. Die Teilnehmenden diskutierten am Beispiel der Korallen unter anderem über die Rolle von Nachahmungen der Natur. Denn: Korallen und den entsprechenden Duplikaten wurden etwa seit dem Mittelalter magische Kräfte gegen das Böse zugeschrieben. Durch ihre Verwendung in Sammlungen, aber auch in Alltagsgegenständen und Schmuck, wurde das Wissen um diese Bedeutung weitergegeben.
Vergangenheit und Zukunft der wissenschaftlichen Sammlungen
Der Workshop wurde von der Zentralstelle für die wissenschaftlichen Sammlungen unterstützt und ist Teil einer größeren Initiative, die in der Kolleg-Forschungsgruppe „Imaginarien der Kraft“ entstanden ist. Hünniger und sein Kollege Dr. Lutz Hengst, beide Wissenschaftliche Mitarbeiter in der Gruppe, wollen sich in den kommenden Monaten in Vorträgen und Veranstaltungen mit Vergangenheit und Zukunft von (akademischen) Sammlungen beschäftigen – vor allem im Hinblick auf umweltgeschichtliche und ökologische Fragen. „Wir bauen dabei auch auf die bereits in Hamburg vorhandenen Netzwerke wie die Zentralstelle und den Arbeitskreis Sammlungen“, so Hünniger.