Schülerinnen und Schüler wollen’s wissen
22. Januar 2020, von Maria Latos
Foto: UHH/MIN/Latos
Eine Woche lang tauschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hamburg, des Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) sowie des Heinrich-Pette-Instituts Hörsaal gegen Klassenzimmer und stellen sich den Fragen von Schülerinnen und Schülern an Hamburger Schulen. Wir haben Mathematikprofessor Timo Reis bei seinem ersten Termin während der „Wir wollen’s wissen!“-Woche begleitet.
Wer in die Zukunft blicken will, muss manchmal weit zurückgehen. Zum Beispiel ins Jahr 1468. „Damals wurde das erste autonome Fahrzeug entwickelt“, erklärt Timo Reis. Sofort wird es unruhig in der 8. Klasse der Heinrich-Hertz-Schule in Hamburg-Winterhude. „Ganz schön lange her, oder?“, greift Reis auf. „Das Gefährt hatte natürlich nicht viel mit den Fahrzeugen von heute zu tun, es wurde mit einer Feder aufgezogen, wie zum Beispiel bei Spielzeugautos.“
Es ist Montagmorgen, 10.15 Uhr, und Timo Reis von der Universität Hamburg ist heute im Außendienst. Er berichtet in Schulen von seiner Forschung zum Autonomen Fahren. Und weil er Mathematiker ist, erzählt er eben auch aus der Perspektive eines solchen: „Mit Mathematik kann man beispielsweise einen optimalen Bremsvorgang bestimmen, welcher zum punktgenauen Stehen vor einer Ampel führt.“
Prof. Dr. Timo Reis ist einer von insgesamt 34 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Hamburg, des Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY) und des Heinrich-Pette-Instituts – Leibniz Institut für Experimentelle Virologie, die in der „Wir wollen’s wissen!“-Woche Vorträge in Hamburger Schulen halten. Die Idee dazu basiert auf der erfolgreichen Veranstaltungsreihe „Wissen vom Fass“ . Von Biologie und Chemie über Philosophie bis hin zu den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sind alle Fächer vertreten. Die Expertinnen und Experten berichten von ihrer Forschung zur Dunklen Materie, zum Völkerrecht oder zum Klima. Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler frühzeitig in Kontakt mit Wissenschaft und Forschung zu bringen.
In Winterhude sind die Schülerinnen und Schüler besonders von einem Video begeistert, das ihr heutiger Lehrer über den Beamer zeigt. Darin fährt ein schwarzes, etwa Schuhkarton großes Auto im Labor völlig autonom eine schwarze Linie entlang, die mit Klebeband auf dem Boden markiert wurde. Das funktioniert perfekt, bis zu der Stelle, an der die schwarze Klebeband-Fahrbahn plötzlich einen Streifen dunkler Fliesen kreuzt – und das Auto plötzlich abbiegt. „Das sollte natürlich nicht passieren. Aber das sind genau die Probleme, mit denen man sich beim Autonomen Fahren beschäftigen muss. Im echten Straßenverkehr treten solche Hindernisse schließlich auch auf“, erklärt Reis.
Zum Abschluss geht es dann ganz klassisch an die Tafel: Gemeinsam mit der Klasse will der Mathematikprofessor die Formel erarbeiten, mit der errechnet werden kann, wie das Auto zum Stehen kommt. „Masse“, „Reibung“ und „Motor“ – die Schülerinnen und Schüler sind nicht schüchtern und melden sich, um die Variablen zu nennen. Auch als am Ende noch zehn Minuten Zeit sind für Fragen, schnellen die Hände nach oben. „Was ist, wenn ein autonomes Auto ein anderes Fahrzeug rammt? Wer zahlt denn dann?“, fragt ein Schüler in der ersten Reihe. Eine Frage die noch nicht ganz geklärt ist: „Vermutlich müssten die Fahrerinnen und Fahrer vor dem Start ein paar Häkchen setzen und die Haftung übernehmen, bevor es auf die Reise geht“, so Reis. „Und erkennt ein autonomes Fahrzeug auch Schnee?“, will ein anderer Schüler wissen. Natürlich würden die autonomen Fahrzeuge mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz auch auf dieses Wetter „trainiert“, antwortet Timo Reis.
Insgesamt 42 Schulen haben sich für fast 100 Vorträge in dieser Woche angemeldet. Für Timo Reis geht am gleichen Tag noch direkt weiter, er wird am Nachmittag an der Stadtteilschule in Lurup von einer elften Klasse erwartet. „Die müssten eigentlich auch schon Differentialrechnung durchgenommen haben. Diese Kenntnisse kann ich dann auch im Vortrag berücksichtigen“, freut er sich.