„Multiple Campus“Wie Architektur den Austausch zwischen Stadt und Universität befördern kann
16. Januar 2020, von Christina Krätzig

Foto: UHH/Fusi
In seinem Buch „Multiple Campus“ hat Architekturprofessor Paolo Fusi Visionen für die Campi der Universität Hamburg entwickelt. Sein Credo lautet: Die Stadt sollte die Universität mit ihrer Lebendigkeit befruchten – und die Universität die Stadt mit ihrem Wissen.
Es begann 2015 als ein Projekt mit Studierenden. Der Architekt Paolo Fusi, Professor für Städtebaulichen Entwurf an der Hafen City Universität, entwickelte Visionen für den Campus Von-Melle-Park der Universität Hamburg. Rund um das historische Hauptgebäude fehlten der Uni damals 50.000 Quadratmeter Nutzfläche. Fusi erkundete in seinem Seminar Möglichkeiten der Nachverdichtung ebenso wie Mittel, die bestehenden Gebäude effektiver zu nutzen.
Die Schnittstelle von Architektur und Stadtplanung ist Fusis Spezialgebiet. Wie wirken Gebäude in einem bestimmten Umfeld, welche Funktionen sollen sie erfüllen bzw. überhaupt erst ermöglichen? „Bauherren wünschen sich oft sogenannte ikonische Gebäude; also Gebäude, die beeindrucken sollen“, kritisiert der Architekt. „Sie denken zu wenig darüber nach, wie sich diese Bauten mit der Stadt verknüpfen und wie nicht nur die Menschen von ihnen profitieren können, die sie nutzen oder besitzen, sondern alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt.“
Anfang 2018 beauftragen der Präsident und der Kanzler der Universität Hamburg Prof. Fusi mit einer weiterreichenden Analyse der Gesamtsituation der Universität. Wie gewaltig diese Aufgabe ist, hebt Dr. Martin Hecht, Kanzler der Universität Hamburg, hervor. Derzeit nutze die Universität 189 Gebäude mit 650.000 Quadratmetern Fläche auf fünf verschiedenen Campi. „Es steht außer Frage, dass sowohl bei der Instandhaltung als auch bei der baulichen Entwicklung der Universität Hamburg viel getan werden muss. Dabei ist unsere Vision ein Zukunftscampus Eimsbüttel, der den Campus Von-Melle-Park und den Campus Bundesstraße als Einheit begreift. Mit dem Universitätsklinikum Eppendorf und der Science City Bahrenfeld kann die Universität zwei weitere Hochleistungsstandorte vorweisen und bindet Klein Flottbek als Ergänzungsstandort ein“, so Dr. Hecht.
„Wir haben unser wissenschaftliches Format in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich weiterentwickelt und so geschärft, dass ein markantes Profil entstanden ist. Unseren fünf Campi ein vergleichbar markantes architektonisches Profil zu geben, gelingt derzeit noch nicht. Ich wünsche mir mehr Mut zur Wiedererkennbarkeit, mehr Mut zu einer neuen Identität“, erklärt Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Lenzen anlässlich der Veröffentlichung von Prof. Fusis Ergebnissen.
In seinem Buch „Multiple Campus“ legt Prof. Fusi auf 240 Seiten dar, wie Architektur einen lebendigen Austausch zwischen Stadt und Universität ermöglichen kann. Fotos und Grafiken unterstützen seine Argumentation ebenso wie die Analyse von Vorbildern aus aller Welt. „Campi sollen Wissenstransfer ermöglichen oder Menschen in bestimmten Lebenssituationen unterstützen, beispielsweise alleinerziehende Studierende. Bei der Planung müssen zukünftige Entwicklungen schon mitgedacht werden“, sagt der Architekturprofessor. Als Beispiele nennt er neue Formen der Mobilität, Veränderungen durch die Digitalisierung oder die künftige Rolle von Kooperationen mit außeruniversitären Forschungsinstituten und privaten Unternehmen.
Der aus seiner Sicht empfehlenswerte „Multiple Campus“ ist eng mit der Stadt verknüpft und in vielfältiger und wandelbarer Weise nutzbar. Eine Möglichkeit, einen solchen Campus zu planen, ist die horizontale Schichtung der Gebäude. In den öffentlich zugänglichen Räumen im Erdgeschoss finden auch Geschäfte und Gastronomie Platz. In den halböffentlichen Räumen darüber kommen Hörsäle oder Bibliotheken unter, während die obersten Schichten nicht öffentlich zugänglich sind und als Büros, Labore oder Wohnraum genutzt werden könnten. Ein erfolgreiches Beispiel für einen solchen, erst kürzlich realisierten Campus hat Fusi mit dem „Manhattanville Campus“ in New York ausgemacht.
„Die Stadt darf nicht auf ein reines Konsumprodukt, auf eine Ansammlung von Shoppingzentren und Freizeiteinrichtungen, reduziert werden. Wir Architekten müssen dazu beitragen, dass sie ein kollektives Werk ist, in dem Menschen Zugang zu öffentlichen Räumen haben und zu Orten der Kultur und des Austausches; Orten also, die sie sich aneignen können, um dort ihre Lebensvorstellungen auszudrücken,“ beschreibt Prof. Fusi seine grundlegende Vision. Universitäten als öffentliche Einrichtungen sieht er in besonderer Weise verpflichtet, zur Verwirklichung eines solchen Leitbilds beizutragen.