Große Sammlung illegaler Tierprodukte an der Universität Hamburg„Elefantenfüße sind als Tischbeine sehr beliebt“
6. Januar 2020, von Hendrik Tieke
Im Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg (CeNak) archivieren Daniel Bein und seine Mitarbeitenden, was Zoll und Polizei aus Artenschutzgründen beschlagnahmen. Im Interview erklärt Bein, wie Obstkörbe aus Gürteltierpanzern nach Deutschland kommen und wer Nashornpulver kauft.
Daniel Bein ist Leiter des Bereichs „Wissenschaftliche Bildung“ des Centrums für Naturkunde. In einem gesicherten Raum des Zoologischen Museums der Universität Hamburg führt er durch eine der größten Sammlungen verbotener Tierprodukte Deutschlands. Auf einem Tresen häufen sich schwere Pelzmäntel, die aus dem Fell von Schneeleoparden, Jungrobben oder Geparden gefertigt wurden. In einer Ecke steht ein Regalwagen mit eimergroßen Füßen von Elefanten und Nashörnern darin. Und in der offenen Schublade eines Wandschranks stapeln sich ausgestopfte Krokodiljunge. Was wie ein Gruselkabinett des schlechten Geschmacks wirkt, ist Teil einer Sammlung der Universität Hamburg, die zum Artenschutz beiträgt.
Herr Bein, warum sammeln Sie präparierte Krokodiljunge oder Obstkörbe aus Gürteltieren?
Weil wir so dazu beitragen, bedrohte Arten zu schützen. Wir beraten den Zoll und andere Behörden, wenn sie überprüfen müssen: Hat die Besitzerin oder der Besitzer eines Stoßzahns oder einer Reptilienleder-Tasche gegen Artenschutz-Gesetze verstoßen? Und wir erstellen Gutachten für Gerichte, wenn jemand wegen solcher Vergehen angeklagt wird. Außerdem organisieren wir jedes Jahr mehrere Workshops für den Zoll des Großraums Hamburg. Für all diese Arbeiten benötigen wir Schulungsmaterial.
Wie kommen diese ungewöhnlichen Objekte zu Ihnen?
Ein beschlagnahmter Gegenstand wird normalerweise verbrannt, wenn seine Besitzerin oder sein Besitzer gegen Artenschutz-Gesetze verstoßen haben. Wenn wir jedoch wissenschaftliches Interesse bekunden, kommt er in unsere Sammlung. Manchmal wenden sich auch Schulen an uns, die einst von Söhnen und Töchtern von Kauffahrern besucht wurden: „Wir haben da einen Schildkrötenpanzer, den ein Kapitän vor hundert Jahren mitgebracht hat, haben Sie dafür Verwendung?“ Falls so ein Panzer wissenschaftlich relevant ist, nehmen wir ihn in unsere Sammlung auf.
Erhalten Sie auch Stücke von Privatpersonen?
Ja. Oft sind es Nachlassverwalter, die vermuten, dass der Ozelot-Mantel oder die Elfenbein-Würfel aus einer Erbmasse unter Artenschutz-Gesetze fallen. Diese Gesetze gab es aber nicht immer. Wenn man beweisen kann, dass die Würfel oder der Mantel vor Inkrafttreten der Gesetzte legal erworben wurden, dürfen sie vererbt werden. Solche Beweise sind aber aufwändig und oft weitaus kostspieliger, als es der Wert der Gegenstände rechtfertigen würde. Und deshalb überlässt man die uns dann.
Wie gelangen verbotene Tierprodukte ins Land?
Manche werden in Schiffscontainern geschmuggelt, andere im Gepäck von Flugzeugen, wieder andere in Mannschaftskabinen. Einige Leute bestellen die Ware auch im Darknet und lassen sie sich zuschicken. Außerdem gibt es organisierte Banden, die europaweit in kleinere, kaum bewachte Museen einbrechen und dort die Überreste bedrohter Tiere stehlen. Es gibt sogar Verkäufer, die Produkte wie Nashornpulver oder Bärengalle über Ebay vertreiben.
Wer kauft solche Produkte?
Nashornpulver und Bärengalle gelten in Südostasien und China als eine Art Allheilmittel, angewandt bei Unwohlsein, Potenzstörungen oder Schmerzen. Auch gemahlene Tigerknochen sind dort sehr gefragt. Manche Menschen aus diesen Regionen sind bereit, hohe Summen dafür zu bezahlen. Aber auch in Europa wächst das Interesse an sogenannter traditioneller Medizin. Das Horn eines Nashorns etwa ist auf dem Schwarzmarkt bis zu einer Million Euro wert. Das ist ein gewaltiger Anreiz für Wilderer. Immer mehr steigen weltweit in diesen Handel ein. In Deutschland sinkt die Nachfrage aber: Hier wird man wegen Verstößen gegen Artenschutz-Gesetze nicht nur bestraft, sondern zunehmend auch gesellschaftlich geächtet.
Warum wollen manche Menschen überhaupt verzierte Pottwal-Zähne oder ausgestopfte Schnabeltiere besitzen? Die dienen ja nicht zur vermeintlichen Heilung von Krankheiten.
Vielleicht ist es der Wunsch, etwas „Exklusives“ sein Eigen zu nennen, wenn man sonst schon alles besitzt – die Käufer verbotener Tierprodukte sind ja oft sehr reich. Wer hat schon einen Schirmständer aus Giraffenhaut oder eine Handtasche mit einem aufgenähten Krokodiljungen? Auch Elefantenfüße als Tischbeine sind sehr beliebt. In unserer Sammlung gibt es einige.
Wie kommen die Behörden dem illegalen Handel auf die Schliche?
Manchmal finden Zoll oder Wasserschutzpolizei zufällig etwas Verbotenes, oder die Innenbehörde stößt im Internet auf unvorsichtige Verkäufer. Viel öfter aber werden die Behörden gezielt fündig. Sie nutzen mittlerweile einen richtigen „Fahndungskalender“: Wann hat zum Beispiel die illegale Robbenjagd Saison? Wer erwischt wird, muss tausende Euro Strafe zahlen – selbst diejenigen, die an deutschen Flughäfen nur auf der Durchreise sind. Dann wird die teure Schmuggelware vernichtet – oder kommt zu uns.
So hilft die Universität Hamburg bei der Fahndung nach illegalen Tierprodukten
Wenn Gerichte oder Behörden wie der Zoll ein Gutachten benötigen, wenden sie sich oft an Daniel Bein. Je nach Tierart leitet er die Anfrage dann an eine Expertin oder einen Experten am Centrum für Naturkunde (CeNak) weiter.
Die wiederum können jedes Tier ihres Fachgebietes eindeutig identifizieren, etwa anhand von Fellmaserung, Knochenstruktur oder Schuppenart – auch wenn dessen Überreste abgeschmirgelt, gefärbt oder verformt wurden. Immer wieder sind dann auch DNA-Tests nötig.
Diese Zusammenarbeit hat Tradition: Seit den 1960er Jahren unterstützt die Universität Hamburg die Behörden bei Fragen zum Artenschutz. Im vergangenen Jahr haben ihre Expertinnen und Experten etwa 300 Gutachten erstellt.
Die Workshops der Universität Hamburg für den Zoll
Daniel Bein und seine Mitarbeitenden organisieren regelmäßig Workshops für den Zoll des Großraums Hamburg. Dabei zeigen sie den Beamtinnen und Beamten zum Beispiel: Worin unterscheiden sich die Felle seltener Raubtiere von denen weit verbreiteter Kaninchen? Woran kann man bei einem präparierten Krokodiljungen erkennen, zu welcher Art es gehört? Und wie kann man bei hoch verarbeiteten Tierprodukten feststellen, ob dafür eine bedrohte Art gestorben ist?