Zur Jahresversammlung der HochschulrektorenkonferenzBundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht an der Universität Hamburg
18. November 2019, von Tim Schreiber
Im Jahr ihres einhundertjährigen Bestehens ist die Universität Hamburg Gastgeberin der Jahresversammlung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Das Rahmenthema der Konferenz: „70 Jahre Artikel 5 – Die Hochschulen in der Verantwortung“. Ehrengast Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier ging in seiner Eröffnungsansprache auf dieses Thema ein und erklärte, dass die Gesellschaft Streitkultur aufs Neue lernen müsse.
Zu Beginn der Eröffnungsveranstaltung bedankte sich der Präsident der HRK, Prof. Dr. Peter-André Alt, dafür, dass die Jahresversammlung an der Universität Hamburg stattfinden kann. Er betonte, dass die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert seien. Identisch seien sie jedoch nicht.
Kein Anspruch darauf, dass andere die eigene Meinung teilen
„Es gibt keine staatliche Meinungszensur und keine staatliche Sprachpolizei. Wer das behauptet, lügt und führt Menschen in die Irre“, betonte Frank-Walter Steinmeier in seiner Ansprache. Damit drückte er seinen Unmut über Klagen aus, es mangele in Deutschland an Meinungsfreiheit. Wer das behaupte, lüge und falle auf eine bewusste Strategie interessierter verantwortungsloser Kräfte herein. Nicht zu verwechseln sei das Recht auf Meinungsfreiheit jedoch mit dem Anspruch darauf, dass andere die eigene Meinung teilen oder darauf, mit jeder noch so abstrusen Behauptung ernst genommen zu werden.
Immer wieder falle ihm auf, so Steinmeier, dass gerade derjenige, der am lautesten über fehlende Meinungsfreiheit klagt, seine Ohren für andere Auffassungen, Argumente oder sogar Fakten, am dichtesten verstopft habe. „Und oft kommen aus den gleichen Quellen, aus denen die größten Beschwerden über angebliche fehlende Meinungsfreiheit stammen, auch die heftigsten Diffamierungen Andersdenkender und die größten, als persönliche Meinung deklarierten Geschmacklosigkeiten“, so der Bundespräsident, der für den Umgang miteinander Rücksicht, Respekt und Höflichkeit einforderte.
Wo, wenn nicht an den Universitäten?
„Wir haben kein Problem mit der Meinungsfreiheit. Wir haben ein Problem mit unserer Streitkultur“, fasste Steinmeier zusammen. Gerade Universitäten seien der beste Ort, an dem das Streiten wieder gelernt werden könne. Denn die Hochschulen seien „der Austragungsort für Kontroversen. Ohne heimlich oder offen verbreitetes Gift. Aber mit Schärfe und Polemik, mit Witz und Wettstreit“. Und schließlich sei die Universität „ein Ort der Freiheit aller zum Reden und zum Denken“, so Steinmeier.
In seinem Grußwort betonte Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Lenzen, dass das Rahmenthema der HRK-Jahresversammlung ideal zum Tagungsort passe, „da die Universität in ihrer Geschichte zwischen Wissenschaftsfreiheit und deren Beschränkung ein häufiger Spielball war.“ Dabei ließen die jüngeren Debatten eine Unterscheidung zwischen Wissenschafts- und Meinungsfreiheit häufig vermissen. Über „70 Jahre Artikel 5 – Die Hochschulen in der Verantwortung” diskutierte der Universitätspräsident im Anschluss auf dem Podium mit dem HRK-Präsidenten und der Bremer Meeresbiologin und Leiterin des Alfred-Wegener-Instituts Prof. Dr. Antje Boetius.
Über die HRK
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ist der freiwillige Zusammenschluss der staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen in Deutschland. Die Mitgliedshochschulen werden in der HRK durch ihre Präsidien und Rektorate vertreten. Die HRK hat gegenwärtig 268 Mitgliedshochschulen, in denen rund 94 Prozent aller Studierenden in Deutschland immatrikuliert sind. Die HRK befasst sich mit allen Themenfeldern, die Rolle und Aufgaben der Hochschulen in Wissenschaft und Gesellschaft betreffen, vor allem mit Lehre und Studium, Forschung, Innovation und Transfer, wissenschaftlicher Weiterbildung, Internationalisierung sowie den Fragen der hochschulischen Selbstverwaltung und Governance.