Vulkanforschung auf Humboldts SpurenInterview zum 25. Geowissenschaftlichen Lateinamerikakolloquium
18. September 2019, von Anna Priebe
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Foto: UHH/Ohme
Die wissenschaftliche Arbeit von Alexander von Humboldt (1769–1859) wirkt auch 160 Jahre nach seinem Tod nach. Welche Verbindungen sie zur heutigen geowissenschaftlichen Forschung hat, ist Thema des 25. Geowissenschaftlichen Lateinamerikakolloquiums, das heute an der Universität Hamburg startet. Fünf Fragen an Prof. Dr. Ulrich Riller, Leiter der Arbeitsgruppe Strukturgeologie und Organisator der Tagung.
Humboldt war Universalgelehrter. Was waren seine Beiträge zur geologischen Forschung?
Auf seinen Reisen war er in den Anden unterwegs und hat unter anderem den Vulkan Chimborazo in Ecuador bestiegen. Er sammelte dabei nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern nahm auch Gesteinsproben und machte so die ersten geologischen Beobachtungen der Anden. Er versuchte den Aufbau der Gebirgskette und der Vulkane seinem empirischen Ansatz folgend durch eine Vielzahl von Beobachtungen zu verstehen und durch möglichst viele Proben zu dokumentieren.
Wo gibt es Überschneidungen zu Ihrer heutigen Forschung?
Die Überschneidung ist groß, allein weil wir ebenfalls Vulkane in den Anden untersuchen. Ich bin seit rund 20 Jahren in den Zentral- und Südanden unterwegs und in unserer Arbeitsgruppe erforschen wir einerseits die Entstehung des zentralandinen Hochplateaus und zum anderen versuchen wir zu verstehen, wie Vulkanismus und Gebirgsbildung ineinandergreifen. Magmen – also flüssige Gesteinsmassen – entstehen in den Anden in etwa 100 Kilometer Tiefe und die Frage ist: Wie genau bahnen sie sich den Weg an die Oberfläche? Und warum sind die Vulkanzentren heute da, wo sie sind?
Wie Humboldt arbeiten wir dabei sehr interdisziplinär. Unsere Arbeitsgruppe verbindet Vulkanologie mit Tektonik, Strukturgeologie, Fernerkundung und Geomorphologie, um geologische Prozessen der Erdkruste besser zu verstehen. Mich interessiert dabei besonders die Entstehung von großen Vulkankomplexen, sogenannten Kalderen. Bei diesen Vulkanen wurden Magmakammern nahezu mit einem Mal entleert, sodass riesige Krater an der Erdoberfläche entstanden sind.
Welche Methoden nutzen Sie heute im Vergleich zu Humboldt?
Früher wurden Sachverhalte durch Beobachtungen, Ableitungen und Vergleiche erforscht. Natürlich muss man heute immer noch in das Gelände gehen, vor Ort beobachten und gezielt Gesteinsproben sammeln. Aber im Gegensatz zu Humboldt konzentriert sich die Forschung heute viel mehr auf die Prozesse in der Erdkruste. In der Geländegeologie benutzen wir zum Beispiel Satellitenbilder, um einzelne Vulkanzentren zu identifizieren und Muster in deren Verteilung zu erkennen.
Zudem nutzen wir inzwischen detaillierte Drohnenaufnahmen, die uns 3-D-Bilder der Vulkane liefern. An der Außenseite der Vulkane sind häufig sogenannte magmatische Gänge zu sehen, durch die Magma im Erdinneren bewegt wurde. Diese können wir in unzugänglichen Gebieten und mit erheblicher Zeitersparnis mit einer Drohne einfach und präzise kartieren. Wir schauen zum Beispiel nach der Orientierung und Geometrie der Gänge. Diese Information setzen wir in Zusammenhang mit dem Deformations- und Spannungsfeld der Erdkruste, das in den Anden durch zwei aufeinandertreffende Kontinentalplatten entsteht.
In Hamburg arbeiten wir zudem mit dem sogenannten Analog-Labor. Hier gehen wir über die Beobachtungen hinaus und versuchen, mittels Experimenten die Wegsamkeiten von Fluiden – also in diesem Fall Magmen – nachzustellen. Mithilfe einer Plexiglasbox mit beweglichen Wänden sowie granularen Materialien wie Sand und fließfähigem Silikon simulieren wir in kurzer Zeit Bewegungen, die im Gestein in der Natur über sehr lange Zeiträume ablaufen.
Warum ist Südamerika für geologische Forschung so interessant?
Südamerika ist das Paradebeispiel für eine aufeinandertreffende, sogenannte konvergente Grenze zwischen zwei Kontinentalplatten. Deswegen untersucht man dort, wie die Deformation der Erdkruste mit dem Vulkanismus einhergeht beziehungsweise wie sie sich gegenseitig beeinflussen.
Man könnte die Fragestellungen auch an anderen Orten auf der Erde analysieren, aber Südamerika ist logistisch gut zu erreichen. Hinzu kommt, dass die Region gut erschlossen ist und die Anden wenig Vegetation haben, wodurch sich ein freier Blick auf das nackte Gestein bietet. Zudem haben wir dort viele Verbindungen zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, mit denen wir seit Jahren eng vor Ort zusammenarbeiten.
Sind dieses Jahr noch Exkursionen oder Kooperationen mit südamerikanischen Teams geplant?
Wir waren dieses Jahr schon zwei Monate zusammen mit argentinischen Kolleginnen und Kollegen in Caviahue, einem kleinen Ort in der Provinz Neuquén nahe der Grenze zu Chile. Jetzt müssen wir die Daten, zum Beispiel von unserer Drohne, auswerten und ergänzende Analogexperimente durchführen. Ein weiterer Geländegang ist zwar gerade nicht geplant, aber viele der südamerikanischen Kollegen kommen nun zur Konferenz und ich freue mich, sie in Hamburg begrüßen zu dürfen.
LAC 2019
Das „25th Latin-American Colloquium of Geosciences” (LAC) findet vom 18. bis 21. September an der Universität Hamburg statt. Die Tagung steht im Zeichen des 250. Geburtstags von Alexander von Humboldt und des 100. Jubiläum der Universität. Es haben sich rund 150 Teilnehmende zur Konferenz angemeldet, vor allem aus Europa sowie Süd- und Mittelamerika. Neben 130 wissenschaftlichen Beiträgen sind drei geologische Exkursionen sowie Ausstellungsbesuche im Zoologischen Museum und im Loki Schmidt Haus geplant. Der Abendvortrag von Prof. Dr. Carina Hoorn (Universität Amsterdam) mit dem Titel „Nach Amazonien – die lange Reise zum Verständnis der Geschichte des Amazonas und des Regenwaldes“ (19.9., um 17.30 Uhr, im Vorlesungssaal H1 im Geomatikum, Bundesstraße 55) ist öffentlich (auf Englisch). Mehr Informationen gibt es auf der Webseite der Tagung.
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