Studierendenprojekt „Uni hilft!"Ihr Engagement kann Leben retten
10. Juli 2019, von Tim Schreiber
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Foto: UHH/Schreiber
Jedes Jahr erkranken in Deutschland mehr als 12.000 Menschen an Leukämie, darunter auch etwa 600 Kinder. Vielen dieser Patientinnen und Patienten kann nur durch die Spende von Stammzellen geholfen werden. Unter dem Motto „Uni hilft!“ klären Studentinnen und Studenten des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) ehrenamtlich darüber auf und suchen nach potenziellen Spenderinnen und Spendern, die sich typisieren lassen.
„Ich bin durch die Orientierungswochen am Anfang meines Studiums auf die Gruppe aufmerksam geworden und fand es sinnvoll, sich für die Typisierung zu engagieren“, sagt Lea Holst. Die 21-Jährige studiert mittlerweile im sechsten Semester Medizin und leitet das Team von „Uni hilft!“ in Hamburg. Das Projekt wurde 2007 gegründet und wird ausschließlich von Studierenden betreut. Es ist in Hamburg aber auch in weiteren deutschen Städten sowie im europäischen Ausland aktiv.
Spenderinnen und Spender werben
Mehrmals im Jahr bauen die Hamburger Studierenden ihren Stand an wechselnden Plätzen auf – entweder an den Universitäten der Hansestadt oder auch bei öffentlichen Ereignissen, wie zuletzt beim Eppendorfer Landstraßenfest. Dort sprechen sie potenzielle Spenderinnen und Spender an, erklären die Abläufe und machen auch gleich vor Ort Abstriche in der Mundhöhle. An einem Tag kommen so schon mal mehr als 200 neue Spenderinnen und Spender für die Kartei zusammen.
Die neuen Einträge werden an die zentrale Stammzellspenderdatei Deutschlands in Ulm weitergeleitet. „Viele Menschen, die wir ansprechen, kannten die Möglichkeit einer Stammzellenspende vorher noch gar nicht“, sagt Holst. Für sie ist es selbstverständlich, dass sie und ihr Team sich zunächst die Zeit nehmen, über Krankheitsbilder und die mögliche Rettung durch eine Stammzellenspende zu informieren: „Es ist wie mit der Organspende: Wichtig ist, dass Menschen von der Möglichkeit wissen und dann eine Entscheidung treffen, ob sie das wollen oder nicht.“
Stammzellen sind Zellen, die sich im Gegensatz zu den meisten, bereits ausdifferenzierten, Körperzellen im Laufe ihrer weiteren Entwicklung zu unterschiedlichen spezialisierten Zellen entwickeln können. An Leukämie erkrankte Menschen werden so intensiv behandelt, dass ihr gesamtes Immunsystem und im Idealfall auch alle erkrankten Zellen zerstört werden. Ihnen werden dann die gespendeten Stammzellen übertragen. Die Zellen wandern in die Markhöhlen der Knochen, siedeln sich dort an und beginnen im Idealfall, neue funktionstüchtige Blutzellen zu bilden. Wenn die Blutbildung wieder in Gang kommt und tatsächlich keine kranken Zellen überlebt haben, ist der Patient oder die Patientin zunächst geheilt.
Spende ohne Operation
Um als Spenderin oder Spender in die Kartei aufgenommen zu werden, müssen die Kandidatinnen und Kandidaten zwischen 18 und 40 Jahren alt und gesund sein. Die Wahrscheinlichkeit, als passende Spenderin oder passender Spender in Frage zu kommen, liegt bei ungefähr einem Prozent. Aber Spenden heißt nicht, dass damit automatisch eine Operation verbunden ist.
In drei von vier Fällen wird statt der Entnahme von Knochenmark unter Vollnarkose die sogenannte Stammzellapherese vorgenommen. Diese ist mit einer etwas längeren Blutspende vergleichbar. Dafür wird dem Spender oder der Spenderin einige Tage zuvor ein auch im Körper natürlicherweise vorkommendes Hormon gegeben, das die Wanderung von Stammzellen aus dem Knochenmark ins Blut anregt. Danach verbringt der Spender bzw. die Spenderin etwa drei bis vier Stunden an einer Apheresemaschine, die die Stammzellen aus dem Blut herausfiltert. Einzige Nebenwirkung ist das mögliche Auftreten grippeähnlicher Symptome, in Einzelfällen auch Kopfschmerzen oder eine leicht depressive Stimmung.
Auf der anderen Seite schenkt die Spende einem kranken Menschen die Chance auf Heilung seiner schweren Krankheit. In gut der Hälfte der Fälle ist die Spende erfolgreich – eine große Motivation für die Spenderinnen und Spender, aber auch für die Studierenden. Für Tim Zell, der im vierten Semester studiert, kommt zu diesem Ansporn eine ganz persönliche Erfahrung hinzu: „Ich hatte in der Kindheit einen Freund, der an Leukämie erkrankt war. Heute ist er durch eine Stammzellenspende vollkommen geheilt“.
Lea Holst sieht neben der konkreten Hilfe für kranke Menschen noch weitere Vorteile des Projekts: Sie kommt mit anderen Studierenden in Kontakt und kann eine Fähigkeit trainieren, die für sie später als Ärztin sehr wichtig sein wird, nämlich das Vermitteln schwieriger medizinischer Inhalte in einer leicht verständlichen Sprache.
Typisieren am UKE
Wer sich typisieren und in die Kartei des UKE aufnehmen lassen möchte, kann sich jederzeit und ohne Anmeldung an den Blutspendedienst wenden. Mitzubringen ist nur ein gültiger Personalausweis. Die Blutspende/Stammzellspendertypisierung im UKE (Martinistraße 52, Haus Ost 38) ist Montag, Donnerstag und Freitag von 7:00 bis 14:00 Uhr sowie Dienstag und Mittwoch von 12:00 bis 19:00 Uhr geöffnet.
Stammzellenspende in Deutschland
7.055 Bundesbürgerinnen und -bürger haben im Jahr 2018 Stammzellen gespendet. Für mehr als 7.000 Patienten, die an Leukämie oder einer anderen Krankheit des blutbildenden Systems leiden, bedeutete eine solche Spende die Chance auf ein neues Leben. In Deutschland sind derzeit zehn Prozent der Bevölkerung im Zentralregister erfasst, das sind mehr als 8,4 Millionen potenzielle Lebensretterinnen und -retter. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die Hilfsbereitschaft hoch: Nur rund 2,4 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner Großbritanniens sind erfasst, in Frankreich sogar nur 0,5 Prozent. Neue Spenderinnen und Spender zu werben, zu registrieren und zu typisieren ist die Aufgabe der 26 Spenderdateien in Deutschland. Gemeinsam melden diese alle für die Suche relevanten Daten in anonymisierter Form an das Zentralregister. Damit ist das ZKRD das mit Abstand größte Register dieser Art in Europa und – nach den USA – das zweitgrößte weltweit.