Könnte Schule machen: Pädagogik- und Architektur-Studierende planen Neubau in Wilhelmsburg
19. März 2018, von Sarah Batelka
Foto: Cubus Medien Verlag GmbH/Pro Pictures Dirk Ewald
Wie muss eine gute Schule gebaut sein, in der Schülerinnen und Schüler gerne und erfolgreich lernen können? Dieser Frage sind Pädagogik-Studierende der Universität Hamburg und Architektur-Studierende der Hafen City Universität (HCU) erstmals gemeinsam nachgegangen. Ihre Aufgabe: In neun gemischten Teams fachübergreifend eine neue Grund- und Weiterführende Schule in Wilhelmsburg planen. Da dort tatsächlich ein Schulbauprojekt ansteht, hatten die Studierenden die Gelegenheit, den Entwurfs- und Planungsprozess unter realen Bedingungen zu simulieren. Die besten Projektideen wurden im „Studentischen Architektur Wettbewerb SCHULBAU“ ausgezeichnet, der 2018 zum fünften Mal stattfand.
Die Pädagogik-Studierenden betreute die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Angelika Paseka. Sie bot im Wintersemester 2017/2018 das Seminar „Architektur trifft Pädagogik“ an. Im Gespräch erläutert sie, warum Pädagoginnen und Pädagogen für die Planung einer Schule wichtig sind, was das Klassenzimmer mit dem Lernen zu tun hat und was die Studierenden aus dem Seminar mitnehmen.
Was ist der Vorteil, wenn Architektinnen und Architekten und Pädagoginnen und Pädagogen eine Schule gemeinsam planen?
Architektur-Studierende haben technische Details im Blick, sie fragen sich etwa, wie viel Fläche zur Verfügung steht, wo die Straßen verlaufen und wo die Treppenhäuser hinkommen. Sie planen eben aus architektonischer Sicht. Was fehlt, ist ein pädagogisches Konzept. Das hatte sich in den vergangenen Jahren bei dem „Studentischen Architektur Wettbewerb SCHULBAU“ gezeigt: Architektinnen und Architekten berücksichtigen beispielsweise nicht unbedingt, wie Kinder der Grundschule und die Jugendlichen der Weiterführenden Schule lernen und wie sich neue pädagogische Konzepte und Ansprüche im Raum zeigen könnten. Aus diesem wahrgenommenen Defizit heraus ist die Kooperation zwischen der Hafen City Universität und der Universität Hamburg entstanden. Die Idee war, dass die Pädagogik-Studierenden mit ihren Visionen, ihren Ideen über Pädagogik mit den Architektur-Studierenden zusammen arbeiten und daraus etwas Neues gestalten.
Wie sah die Arbeit konkret aus?
Die Gruppen haben zunächst parallel gearbeitet: In meinem Seminar haben die Pädagogik-Studierenden einen theoretischen Input zu den Themenfeldern Inklusive Didaktik, Raum als „Dritter Pädagoge“ und Rhythmisierung im Ganztag erhalten. Das Ziel war, anschließend die Architektur-Studierenden bei ihren Planungen beraten zu können. Parallel dazu wurden die technischen Daten des Grundstücks vorgestellt und die Architektur-Studierenden entwarfen erste Raumüberlegungen. Das war noch sehr skizzenhaft und ohne pädagogisches Konzept. Die Architektur-Studierenden mussten dabei auch an Dinge denken wie den Zubringerweg für die Mensa, die Anbindung an den öffentlichen Verkehr oder ans Quartier. Das ist beispielsweise für Pädagogik-Studierende überhaupt nicht relevant gewesen.
Was meinen Sie damit, wenn Sie den Raum als „dritten Pädagogen“ bezeichnen?
Als erster Pädagoge gilt die „Peer Group“, also die anderen Kinder und Jugendliche, als zweiter die Lehrkräfte. Der Raum als „dritter Pädagoge“ bedeutet, dass durch die Gestaltung des Klassenzimmers das pädagogische Handeln bereits vorstrukturiert wird: Stehen etwa die Tische aufgereiht vor der Tafel, sagt der Raum, hier ist Frontalunterricht möglich. Haben Schulen wie das Johanneum in Hamburg einen Willkommensgruß in lateinischer Sprache über dem Eingang, wird deutlich, dass ein bestimmter Bildungshabitus vorausgesetzt wird. Für die geplante Schule in Wilhelmsburg, wo die Bevölkerung gemischt ist und unterschiedliche soziale Schichten aufeinandertreffen, war es das Ziel, eine Schule zu planen, die nicht Abgrenzung, sondern Offenheit signalisiert.
Was zeichnet das Projekt aus, das den ersten Preis bekommen hat?
Das erstplatzierte Projekt zeichnet sich durch eine gelungene Verschränkung von pädagogischen und architektonischen Überlegunge aus und hat die Ansprüche verschiedener Schulformen und Altersgruppen im Fokus. Mit Blick auf Inklusion und Ganztag sind die Räume offen gestaltet, um sie unterschiedlich nutzen zu können. Auf dem Gelände der Schule haben die Studierenden verschiedene Werkstätten geplant, etwa Fahrrad-, Textil-, und Kochwerkstätten. Diese sollen den Jugendlichen, die kein Abitur machen wollen, bei der Berufsorientierung helfen. Gleichzeitig signalisieren sie, dass die Schule zum Quartier hin offen ist: Hier könnten Bewohnerinnen und Bewohner ein Rad reparieren lassen oder an einem Nähkurs teilnehmen.
Was haben die Studierenden aus diesem Seminar mitgenommen?
Sie haben gelernt, wie wichtig der Raum ist. In ihrer bisherigen Wahrnehmung von Unterricht hat er ihren Aussagen nach keine Rolle gespielt. Der Raum ist aber ein ganz wichtiger Aspekt ihres Berufes. Wichtig war für die Lernerfahrung der Studierenden auch die Arbeit in einem interdisziplinären Team. Ihnen ist bewusst geworden, wie andere Berufsgruppen, hier angehende Architektinnen und Architekten, Schule denken. Außerdem ist ihr „Professionsbewusstsein“ gestiegen. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Expertise gefragt ist. Das ist für die Selbstwahrnehmung ganz wichtig.