Studentische TelefonSeelsorge:Ein offenes Ohr bieten
8. Januar 2018, von Anna Priebe
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Probleme im Studium, Liebeskummer, Einsamkeit: Die Themen, mit denen sich Menschen bei der Studentischen TelefonSeelsorge der Evangelischen Studierendengemeinde Hamburg melden, sind vielfältig. Eine der Ehrenamtlichen, die sich bei dem Projekt engagieren, ist Marie. Die 23-Jährige studiert an der Universität Hamburg Evangelische Theologie und sitzt an drei bis vier Abenden im Monat am Telefon. Da die Studierenden anonym arbeiten, ist ihr Name hier geändert. Im Interview erzählt sie, was das Besondere an ihrer Tätigkeit ist.
Wie sind Sie zum Engagement bei der TelefonSeelsorge gekommen?
In der Orientierungseinheit zu Studienbeginn wurde das Projekt vorgestellt. Ich habe da schon gedacht: Das ist was Gutes, das würde ich gerne machen. In dem Semester ging das leider aus Zeitgründen nicht, aber im zweiten Semester habe mich beworben und wurde angenommen. Das hat mich sehr gefreut.
Hatten Sie denn vorher eine Vorstellung davon, was Ihre Aufgabe bei der TelefonSeelsorge sein wird?
Ja, und die Realität war komplett anders als das, was ich mir vorgestellt habe. Ich dachte, man lernt in den zwei Semestern Ausbildung erstmal die Grundlagen, aber es ist von Anfang an sehr intensiv – auch der Kontakt mit den anderen, die die Ausbildung machen. Man wächst als Gruppe stark zusammen. Das hat die Ausbildung sehr schön gemacht.
Was sind die häufigsten Anliegen, mit denen Sie konfrontiert werden?
Es gibt eigentlich keine speziellen Probleme, die besonders häufig vorkommen. Oft ist es Einsamkeit, die Menschen dazu treibt, bei uns anzurufen – auch, wenn das dann gar nicht so explizit gesagt wird. Zudem rufen viele Studierende an, die im Studium nicht weiter wissen. Liebeskummer gibt es auch ab und zu.
Es ist dabei nicht unsere Aufgabe, Probleme der Menschen zu lösen, die sie vielleicht schon seit Jahren mit sich rumschleppen. Wir sind aber eine Anlaufstelle, wo sie sich einmal auskotzen können und dann etwas entspannter in den Abend gehen, ruhiger schlafen. Wir wollen ein offenes Ohr sein.
Wie wurden Sie auf die Tätigkeit vorbereitet?
Die Ausbildung wird von einem Diplom-Psychologen sowie einem Pastor und Psychotherapeuten geleitet und wir wurden für viele verschiedene Szenarien geschult. Es geht darum, dass wir lernen, uns mit den Anrufenden der Situation entsprechend richtig zu unterhalten. Am Anfang haben wir das in unserer Gruppe geübt, dann haben wir Hospitationen gemacht und langsam angefangen zu telefonieren. Das ist dann schon aufregend und man merkt schnell, dass es nicht so einfach ist, wie es klingt.
In der Ausbildung lernt man auch, sich von den Fällen abzukapseln. Klar fließt immer auch Persönliches mit ein, gerade auch bei einem schwierigen Anrufer.
Hatten Sie schon mal einen Fall, der Sie danach noch länger weiterbeschäftigt hat?
In den meisten Fällen klappt das Abkapseln recht gut, aber es gibt schon Einzelfälle. Mein erster Fall während der Hospitation zum Beispiel; da hatten wir einen Anruf von einem Kind – was unglaublich selten vorkommt. Das ist mir lange nachgegangen und den Fall haben wir auch in der Ausbildungsgruppe lange nachbesprochen. Das nimmt man dann schon mit. Aber grundsätzlich ist es so, dass wir jedes Telefonat anschließend in einer Kurzsupervision mit anderen Gruppenmitgliedern besprechen, damit wir über das Gesagte und auch über unsere eigenen Gefühle reflektieren können.
Auch, wenn jemand Suizidgedanken geäußert hat oder diese im Gespräch mitschwangen, fragt man sich hinterher oft noch, wie es weitergegangen ist. In solchen Fällen reden wir natürlich mit den Menschen, sagen ihnen, dass sie uns wichtig sind und versuchen, zuzuhören. Wir können auch anbieten, einen Krankenwagen zu rufen, aber dafür müsste der Anrufer uns ja auch seine Nummer und seine Adresse geben – und das geht alles nur, wenn die Person es freiwillig macht.
Was würden Sie Studierenden raten, die Interesse haben, mitzumachen?
Man sollte auf jeden Fall wissen, dass es schon ziemlich anstrengend sein kann, drei bis vier Abende im Monat jeweils vier Stunden da zu sein. Das nimmt viel Zeit in Anspruch und du hast halt nicht immer einfache Abende. Aber generell: Wenn man richtig Lust hat, das zu machen, würde ich sagen: Bewerbt euch und macht es einfach.
Studentische TelefonSeelsorge
Die Studentische TelefonSeelsorge Hamburg hat 2017 ihr 41-jähriges Bestehen gefeiert und ist als Angebot deutschlandweit einmalig. Insgesamt stehen rund 40 Studentinnen und Studenten aller Fachrichtungen Hilfesuchenden anonym zur Seite. Die Ausbildung dauert zwei Semester, wobei sich die Bewerberinnen und Bewerber verpflichten, sich anschließend mindestens ein Jahr bei der TelefonSeelsorge zu engagieren. Im April 2018 beginnt die neue Ausbildungsrunde. Interessierte Studierende aller Studiengänge und Hamburger Hochschulen sowie aller Glaubensrichtungen können sich bei der Evangelischen Studierendengemeinde melden.
Das Angebot ist jeden Abend von 20 bis 24 Uhr erreichbar unter der Telefonnummer:
040-411 70 411.