Hamburger Horizonte: Wissenschaft trifft GesellschaftWas macht die Zukunft mit uns?
21. November 2018, von Hendrik Tieke
Foto: Dingler/UHH
Künstliche Intelligenz und Robotik ersetzen am Arbeitsplatz zunehmend die körperliche und geistige Arbeit des Menschen. Biomedizinische Technologien können den Menschen immer weiter „verbessern“. Und Globalisierung und Migration verändern unsere sozio-kulturellen Strukturen und politischen Landschaften. Was haben diese Phänomene gemeinsam und wie können wir mit den damit verbundenen Herausforderungen umgehen?
Um eine Diskussion über diese Entwicklungen anzuregen, setzt die Universität Hamburg – gemeinsam mit der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung (BWFG), der Körber-Stiftung und der Akademie der Wissenschaften in Hamburg – ihre 2017 gestartete Konferenz-Reihe fort: diesmal unter dem Motto „Ich am Ende. Am Ende ich.“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fächer diskutieren am 22. und 23. November bei den „Hamburger Horizonten 2018“ über das „Ich“ und die Identität in unserer modernen Welt. Die Tagung ist ausgebucht, auf www.hamburger-horizonte.de finden Interessierte am Freitag, 23. November, einen Livestream.
Die Themen der diesjährigen „Hamburger Horizonte“ beschäftigen die öffentliche Debatte in zunehmendem Maße. Denn die Übernahme von Tätigkeiten durch Künstliche Intelligenz und Roboter, neue Möglichkeiten der Selbstoptimierung und die Auswirkungen der Globalisierung haben unmittelbare Folgen für unsere Identität: Sie beeinflussen, was es bedeutet, eine Person oder ein Mitglied der Gesellschaft zu sein. Sie schaffen eine tiefgehende Verunsicherung und weitreichende Risiken. Und sie werfen existenzielle Fragen im Hinblick auf unsere Zukunft auf: Lassen sich diese Entwicklungen beeinflussen oder gar steuern? Und wie definieren wir uns selbst vor dem Hintergrund dieser Veränderungen?
Wer bin ich – heutzutage?
„Unsere Identität, das Ich, das Bewusstsein unserer selbst, entsteht durch unsere Wechselwirkungen mit unserer Umwelt. Wir erleben unser Ich durch Handeln“, erklärt Prof. Dr. Mathew Braham vom Philosophischen Seminar der Universität Hamburg. „Aber ein technologisches und sozio-kulturelles Umfeld, das sich ständig wandelt, zwingt uns zu dazu, uns und unser Handeln immer wieder erneut daran anzupassen. Dabei können wir uns unserer Identität unsicher werden: Wir sind uns nicht mehr sicher, wer sind, und wohin wir gehen.“
Und das ist eine Herausforderung – nicht nur für das Individuum, sondern letztlich auch für die Gesellschaft als Ganzes. Bei den diesjährigen „Hamburger Horizonten“ setzen sich die Mitwirkenden mit dieser Herausforderung in Podiumsdiskussionen auseinander – und wollen dabei praxistaugliche Antworten für verantwortungsvolles Handeln erarbeiten.
Von der Philosophie bis zur Informatik – ein Thema für alle Fachrichtungen
Der Präsident der Universität Hamburg, Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Lenzen, machte den Vorschlag, eine Konferenz rund um die Veränderungen, denen das „Ich“ in diesen Zeiten unterworfen ist, zu veranstalten: „Ich am Ende. Am Ende ich“ – so der Titel der Veranstaltung. Sie findet im KörberForum statt, einem Hamburger Begegnungszentrum, das regelmäßig öffentliche Vorträge und Gespräche von Machern und Denkern aus allen Bereichen der Gesellschaft ausrichtet. Prof. Dr. Matthew Braham hat die „Hamburger Horizonte“ in diesem Jahr inhaltlich konzipiert, zusammen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Hamburg, der Körber-Stiftung, der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und der Behörde für Wissenschaft, Gleichstellung und Forschung. Dass dieser Austausch hier stattfindet, unterstreicht die Rolle Hamburgs als ein Zentrum des fachübergreifenden öffentlichen Austauschs, bei dem Strategien für die Bewältigung globaler Herausforderungen entwickelt werden.
Bei der Konferenz diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Philosophie, der Psychologie, der Informatik und anderen Fachrichtungen in drei Panels miteinander. Sie kommen von verschiedenen deutschen Universitäten oder wissenschaftlichen Instituten; von der Universität Hamburg nehmen Prof. Matthew Braham teil, die Psychologin Prof. Dr. Brigitte Röder und der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Reinhard Merkel. Die Sicht der Politik bringt Cem Özdemir von Bündnis 90/Die Grünen in einem Panel mit ein. Die Gespräche moderieren unter anderem Journalisten von der ZEIT und dem Hessischen Rundfunk.
Die Themen der Panels
- „Das überflüssige Ich – Künstliche Intelligenz, Robotik und die Zukunft der Arbeit“
Viele Menschen definieren sich über die Arbeit, die sie verrichten. Schließlich verbringen sie einen großen Teil ihres Tages damit. In diesem Panel geht es deshalb um die Frage, welche Auswirkung der technische Fortschritt auf die menschliche Arbeit der Zukunft hat. Werden Algorithmen und Roboter tatsächlich die menschliche Arbeit überflüssig machen und das Individuum einer Definitionsgrundlage berauben? Oder werden sie unsere Helfer sein – und schaffen Kapazitäten für ganz neue menschliche Arbeit, weil sie uns schwere und komplizierte Tätigkeiten abnehmen? - „Das optimierte Ich – Biotechnologie und der Drang zur Gestaltung“
Heutzutage kann der Mensch sich selbst optimieren wie noch nie zuvor in der Geschichte – sei es mit der Fitness-App für die „Traumfigur“, sei es durch Schönheitsoperationen, durch „Hirndoping“ oder durch die bio-mechanische Verknüpfung von Körper und technischen Geräten („Bio-Enhancement“). Das Individuum scheint geradezu unendlich ausbaufähig und modifizierbar. Im zweiten Panel wird die Frage diskutiert: Was ist in dieser Hinsicht heute schon möglich, was wird in Zukunft möglich sein? Und was macht das mit unserem Ich und unserem Selbstwertgefühl? - „Das kollektive Ich – Identität zwischen Weltbürgertum und Sehnsucht nach Zugehörigkeit“
Auf den ersten Blick ist es paradox: Die westlichen Gesellschaften haben Individualität, Wahlfreiheit, Selbstverwirklichung und Weltoffenheit zu ihren Idealen erhoben – und gleichzeitig steigt in ihnen die Sehnsucht nach einer einfacheren, überschaubareren Welt. Auf den zweiten Blick ist diese Sehnsucht womöglich nur eine logische Folge genau dieser Idealisierung – und die Rückkehr des politischen Nationalismus nur ihre krasseste Ausprägung. Im dritten Panel wird über diesen Zusammenhang diskutiert.
Die großen Fragen unserer Zeit
„Mit den ‚Hamburger Horizonten 2018‘ greifen wir Sorgen auf, die in unserer Gesellschaft seit einiger Zeit eine zunehmende Rolle spielen“, sagt Matthew Braham. „Wir möchten den Besucherinnen und Besuchern der Konferenz zeigen, dass die Wissenschaft die großen Fragen unserer Zeit sehr ernst nimmt und praktikable Lösungsansätze für damit verbundene Probleme bietet. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verschiedenster Richtungen analysieren hier den technischen und gesellschaftlichen Wandel – und sie wollen dabei helfen, dass er uns nicht einfach überfordert, sondern wir ihn möglichst sinnvoll gestalten können.“
Weitere Informationen
Am 22. November beginnen die Hamburger Horizonte um 19:00 Uhr mit einem Senatsempfang und einem Get-Together im Hamburger Rathaus.
Am 23. November finden dann die Diskussionen im Körber Forum statt, Kehrwieder 12, ab 9 Uhr.
Weitere Informationen zu den Hamburger Horizonten und den Livestream gibt es hier.