Dr. Martin Husemann leitet die Abteilung Entomologie des Centrums für Naturkunde. Er hat vergangenes Jahr in einer Studie untersucht, wie Forscherinnen und Forscher aus der Biologie den Trend zu mehr Publikationen wahrnehmen.
Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie mit Pseudo-Journalen gemacht?
Ich bekomme wie fast alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler regelmäßige Einladungen, Artikel einzureichen oder selbst Herausgeber zu werden. Man muss ein wenig aufpassen, nicht auch seriöse E-Mails zu verwerfen.
Was halten Sie von der Debatte, die gerade geführt wird?
Pseudo-Journale sind sicherlich ein Problem, das aber nicht für alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gleichermaßen besteht. Erfahrene Forschende werden kaum auf die doch zum Teil sehr plumpen Anwerbungen hereinfallen. Gefährdeter sind unerfahrene, junge Kolleginnen und Kollegen.
Das Problem der Nutzung dieser Journale besteht darin, dass auch Studien mit groben Fehlern publiziert werden. Diese Daten sind dann „auf dem Markt“ und müssen berücksichtig werden. Grade in der Taxonomie – das Sortieren nach Kategorien oder Klassen in der Biologie – kann das zu viel Verwirrung führen und die Wissenschaft erheblich zurückwerfen. Daher hat Peer Review eine besonders wichtige Funktion beim Publizieren. Das Verfahren ist eine der Säulen der wissenschaftlichen Arbeit
Ich denke, dass wir vorsichtig sein müssen, nicht das komplette wissenschaftliche Publizieren in Frage zu stellen. Das konventionelle Peer-Review ist sicherlich nicht perfekt, aber funktioniert im Großen und Ganzen doch recht gut. Die meisten wissenschaftlichen Publikationen haben eine gute Qualität und Pseudo-Journale sind immer noch die Ausnahme.
Mit Blick auf Ihre Forschung über das wissenschaftliche Publizieren: Was wäre aus Ihrer Sicht ein guter Lösungsansatz?
Die Aufklärungsarbeit, die momentan geleistet wird, ist sicherlich ein wichtiger Ansatz, auch wenn dadurch das eigentliche Problem nicht gelöst wird. Diese Aufklärung muss vor allem schon während des wissenschaftlichen Studiums geschehen.
Allgemein sind Publikationskosten ein großes Problem, weil dadurch nicht gewährleistet ist, dass alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die gleiche Chance haben, in guten Journalen zu publizieren. Open Access ist ein wichtiges System, da es einen freien Zugang zu wissenschaftlichen Arbeiten gewährleistet. Die Kosten sind aber oft bei den renommierten Online-Journalen besonders hoch.
Ein Weg aus der Misere wäre, die Publikationskosten abzuschaffen oder diese aus einem gemeinsamen Topf zu bezahlen, der beispielsweise staatlich subventioniert ist. Die Journale müssten dann zur Finanzierung bestimmte Qualitätsmerkmale nachweisen. Damit wäre für alle Forschenden die Chance, in guten Journalen zu publizieren, gleich und der Anreiz für Pseudo-Journale gering.