Sommerhitze 2018Expertinnen und Experten der Universität Hamburg über die derzeitige Wetterlage und wie man sich am besten verhält
27. Juli 2018, von Online-Redaktion
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Wie ungewöhnlich ist das Wetter in Hamburg derzeit? Und was gilt es bei diesen Temperaturen zu beachten? Wir haben bei Experten und Expertinnen unserer Universität nachgefragt.
Ingo Lange vom Meteorologischen Institut am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) sammelt und analysiert Wetterdaten. Herr Lange, mit Blick auf die Wetterdaten, wie ungewöhnlich ist der Sommer derzeit für Hamburg?
Nimmt man jeweils die Periode vom 1. April bis 24. Juli, so gab es seit Mitte der 1990er-Jahre, dem Beginn unserer Messungen am Wettermast Hamburg in Billwerder, nie mehr Sonne als dieses Jahr: 982 Stunden sind es bereits, 15 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2009. Voriges Jahr waren es nur 701 Stunden.
Beim Niederschlag ist die Situation nicht ganz so eindeutig. Dieses Jahr ist zwar sehr trocken, das zeigen unsere Messungen in Billwerder: Nur 156 Liter sind seit April gefallen, vergangenes Jahr waren es mit 345 Litern mehr als doppelt so viel. Es gab aber auch schon trockenere Jahre, zum Beispiel 2006 mit 150 und 2010 mit nur 124 Litern.
Bei der Temperatur zeichnet sich wie bei den Sonnenstunden ein Rekordjahr ab. Die mittlere Temperatur liegt bei 16,5 Grad und damit deutlich höher als in allen Jahren seit mindestens 1995. In kühleren Jahren kann der Wert auch bei 13 Grad liegen. Ein guter Indikator für den Sommer sind zudem die sogenannten Sommertage (Temperatur von mehr als 25 Grad) und heiße Tage (Temperatur von mehr als 30 Grad). Hier haben wir dem Sommer 2017 schon lange den Rang abgelaufen. Es gab in ganz 2017 nur 20 Sommertage und keinen einzigen heißen Tag. Jetzt liegen wir schon Ende Juli bei 29 Sommertagen und vier heißen Tagen – und es werden noch einige dazu kommen.
Tobias Finn vom Meteorlogischen Institut beschäftigt sich in seiner Doktorarbeit mit Atmosphärenmessungen. Herr Finn, lässt sich aus der derzeitigen Wetterlage auf den Klimawandel schließen?
Durch die anthropogene Klimaerwärmung verschiebt sich die gesamte Spanne an Temperaturen, die in Mitteleuropa möglich sind, sodass die Anzahl der kalten Tage abnimmt und die Anzahl der warmen Tage zunimmt. Im aktuellen IPCC Weltklimabericht wird gezeigt, dass diese Tendenzen sehr wahrscheinlich schon seit den 1950er-Jahren zu beobachten sind und sich weiter verstärken können. Zusätzlich zeigen Klimaprojektionen, dass der Effekt der Klimaerwärmung sich im europäischen Sommer weiter verstärkt, sodass Sommer wie der Hitzesommer 2003 zur Normalität gehören könnten. Weiterhin gibt es Indizien, dass sich die gesamte Westwindzirkulation nordwärts verschiebt und abschwächt. Dadurch können Hochdruckwetterlagen, wie sie aktuell vorherrscht, vermehrt in Mitteleuropa vorkommen. Deshalb kann zusammengefasst gesagt werden, dass derartige warme und beständige Wetterlagen sehr wahrscheinlich zunehmen werden und der Sommer 2018 keine Ausnahme bleiben wird.
Dr. med. Anamur Lan Göttinger, Fachärztin für Allgemeinmedizin am UKE, behandelt derzeit viele Patienten und Patientinnen mit Hitzesymptomen. Frau Dr. Göttinger, die Hitze setzt vielen Menschen zu. Was gilt es, bei diesen Temperaturen zu beachten?
Herz-Kreislauf-Probleme und Dehydratation sind ein besonders häufiges Problem. Wir behandeln momentan außerdem vermehrt Patienten mit Schwindel, Kopfschmerzen und vereinzelt auch mit einem sogenannten Sonnenstich. Viele Leute vergessen, regelmäßig zu trinken, und durch die sehr hohe Außentemperatur kommt es bei der Wärmeregulation des Körpers zu einer Erweiterung der Blutgefäße, was eine zusätzliche Belastung für das Herz-Kreislauf-System darstellt.
Daher gilt: Die Wahl der Kleidung sollte möglichst luftig und locker sein, bei Aufenthalt im Freien am besten eine Kopfbedeckung und Sonnenschutz tragen – inklusive Sonnenbrille. Außerdem ist es wichtig, viel Wasser zu trinken, mindestens 2,5 bis drei Liter täglich. Bei körperlicher Aktivität wird durch stärkeres Schwitzen deutlich mehr Flüssigkeit benötigt als üblich, daher sollten dann drei bis vier Liter getrunken werden. Eine eiskalte Dusche wirkt dagegen eher kontraproduktiv; insgesamt sind starke Temperaturunterschiede, z. B. eine sehr kalt eingestellte Klimaanlage, zu vermeiden. Kühle Wickel oder eine lauwarme Dusche helfen besser beim Abkühlen.
Generell sollte man sich lieber im Schatten aufhalten und vor allem die Mittagssonne meiden. Auch Sport im Freien sollte man nur in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden treiben, wenn es kühler ist. Beim Arbeiten im Freien ist es ratsam, häufiger als sonst Pausen einzulegen, die direkte Mittagssonne so gut es geht zu meiden und unbedingt eine Kopfbedeckung zu tragen.
Prof. Dr. Sascha Rohn ist Lebensmittelchemiker. Herr Rohn, was würden Sie zur Ernährung für die heißen Tage raten?
Bei dieser Hitze sollte die Ernährung möglichst leicht sein, d. h. nicht so fettreich. Der Körper tendiert bei diesen Temperaturen ohnehin meist zu einer verminderten Nahrungsaufnahme, da jede Betätigung anstrengender ist als gewöhnlich. Dennoch sollte auf regelmäßiges Essen geachtet werden, damit der Organismus immer mit allen Nährstoffen versorgt bleibt. Zudem bringt die Nahrung Wasser in den Körper.
Auch beim Trinken gilt: wenig kalorienreich, im Idealfall Wasser oder wenig gesüßte Getränke, z. B. Fruchtsaftschorlen. Ob das Getränk gekühlt ist, steht dabei nicht so im Vordergrund, da sich der Körper selbst kühlt, indem er Wasser über die Haut verdunstet, also ausschwitzt. Dementsprechend ist es notwendig, ausreichend Flüssigkeit nachzuliefern. Besonders ältere Menschen trinken oft zu wenig, wodurch es zu Schlappheit, eingeschränkter Leistungsfähigkeit bis hin zu Verwirrtheit kommen kann.
Die Lebensmittel selbst – insbesondere leicht verderbliche – sollte man immer ausreichend kühl lagern. Je wärmer es ist, desto beschleunigter ist das Wachstum von Mikroorganismen, die bisweilen nicht nur zum Verderben der Lebensmittel führen können, sondern auch zu Lebensmittelvergiftungen. Für Kleinkinder, Schwangere, alte oder immungeschwächte Menschen kann das im Extremfall lebensbedrohlich sein.