Medizinstudium:3 Millionen Euro für Forschungsverbund zur Neugestaltung der Studienplatzvergabe
5. Juli 2018, von Anna Priebe
Foto: Tomrlin/UKE
Der Naturwissenschaftstest „HAM-Nat“ ist seit 2008 fester Bestandteil der Vergabe von Medizinstudienplätzen an der Universität Hamburg. Im Forschungsprojekt „Studierendenauswahlverbund – stav“, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit drei Millionen Euro gefördert wird, sollen nun Tests wie diese evaluiert und die Neugestaltung der Auswahlverfahren wissenschaftlich begleitet werden. Ein Interview mit dem Verbundkoordinator Prof. Dr. Wolfgang Hampe, Professor für Biochemie und Leiter der Arbeitsgruppe „Auswahlverfahren für Studienbewerberinnen und -bewerber“ am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
Wie läuft die Medizinstudienplatz-Vergabe in Hamburg momentan ab?
Die Bewerbungen gehen zentral an die Stiftung Hochschulstart. Dort wird eine gewisse Anzahl an Plätzen an Härtefälle vergeben und von den verbleibenden Plätzen gehen 20 Prozent nach Abiturnote sowie momentan noch 20 Prozent nach Wartezeit. Die verbleibenden 60 Prozent darf die Hochschule selbst vergeben. Dazu laden wir entsprechend der Abiturnote Bewerberinnen und Bewerber zu Tests ein. Im vergangenen Jahr waren das für Human- und Zahnmedizin etwa 1800 Teilnehmende.
Der Auswahlprozess soll sich nun ändern. Was ist der Hintergrund, vor dem auch das Forschungsprojekt initiiert wurde?
Im „Masterplan Medizinstudium 2020“ haben sich Bund und Länder darauf geeinigt, dass die Studierendenauswahl in der Humanmedizin neu geregelt werden soll. Um das Ganze auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung letztes Jahr ein Forschungsprojekt dazu ausgeschrieben. Im Dezember gab es dann das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass neue Regeln eingeführt werden müssen. Es gibt nicht nur die Einigung, dass sich etwas ändern soll, sondern auch eine klare zeitliche Vorgabe.
Wie sind die Erfahrungen mit den in Hamburg eingesetzten Tests?
Wir haben hier schon vor Jahren eigene Studierendenauswahltests entwickelt, wobei Entwicklung heißt, dass wir immer auch eine Validierung machen. Wir schauen also, wie die unterschiedlichen Tests sich auf die Studierendenauswahl auswirken. Sind die Studierenden also tatsächlich besser als Studierende, die nicht so ausgewählt wurden?
Zum einen haben wir den Naturwissenschaftstest „HAM-Nat“. Was wir hier zeigen können, ist, dass diejenigen, die diesen Test gut bewältigen, in den ersten Semestern seltener das Studium abbrechen und bessere Noten haben als die Vergleichsgruppe.
Da Naturwissenschaften sicher nicht alles sind, was man für den Arztberuf benötigt, haben wir zum anderen noch das sogenannte „Multiple Mini-Interview“, bei dem es um psycho-soziale Kompetenz geht. Hier kommt es darauf an, dass die Studierenden gut mit Patienten und Kollegen umgehen können. Das ist viel schwerer messbar, aber es gibt eine Reihe von Hinweisen, dass wir mit diesen Verfahren Studierende auswählen können, die eine höhere Kommunikationskompetenz haben.
Was sind die Ziele von „stav“?
Das erste Ziel ist, dass wir das, was ich gerade für Hamburg beschrieben habe, für ganz Deutschland machen möchten – nämlich die Evaluation der vorhandenen Tests. Am Projekt sind neben den Verbundpartnern 20 andere medizinische Fakultäten beteiligt und wir wollen schauen, ob die Vorhersage der dortigen Auswahlverfahren ähnlich gut ist bzw. welche Testverfahren da besser oder schlechter abschneiden. Einige Fakultäten machen klassische Interviews, andere geben einen Bonus auf Ausbildungen in medizinischen Berufen – da gibt es viele Kriterien, die momentan noch etwas durcheinander gehen. Viele von denen sind wenig bis gar nicht validiert.
Zweitens wollen wir neue Testverfahren vorschlagen. In Hamburg haben wir „HAM-Nat“, an vielen anderen Universitäten gibt es den sogenannten Medizinertest, den TMS. Wir möchten einen kognitiven Test entwickeln, der auf den existierenden beruht und dann ab 2020 von den Universitäten gemeinsam angeboten werden kann. Der könnte möglicherweise von einem Auswahlzentrum, das wir hier in Hamburg im Rahmen des Projektes gründen, administriert werden. Ein zweites Testverfahren, das wir neu konzipieren wollen, ist ein sogenannter „situational judgment test“, bei dem es um die Messung sozialer Kompetenz in einheitlicher, schriftlicher Form gehen soll. Das könnten Fakultäten einsetzen, denen keine Ressourcen für teure Interviews zur Verfügung stehen.
Und als drittes wollen wir Messverfahren für psycho-soziale Fähigkeiten entwickeln, um im Studium selbst zu schauen, wie empathisch und gut in der Kommunikation die Studierenden sind. So wollen wir dann prüfen, inwieweit die Auswahlverfahren der verschiedenen Fakultäten in diesem Bereich erfolgreich sind.
Wie können Sie die geplanten Verfahren in der Praxis erproben?
Wir machen hier Feldforschung in einem juristisch heiklen Feld, daher müssen wir natürlich immer beachten, dass alles den Vorgaben entspricht. Bisher haben wir es so gemacht, dass wir die neuen Testverfahren zunächst einmal eingesetzt haben, ohne dass sie für die Auswahl benutzt wurden. Die Studienbewerber kommen ja zu uns nach Hamburg, d.h. wir können sie auch Testteile absolvieren lassen, die dann noch gar nicht in die Wertung eingehen und können dann hinterher schauen, wie die Leistungen im Studium vorhergesagt werden.
Studierendenauswahlverbund – stav
Der „Studierendenauswahlverbund – stav“ startet am 1. Juli und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit drei Millionen Euro unterstützt. An dem Projekt sind neben der medizinischen Fakultät der Universität Hamburg und der Arbeitsgruppe Auswahlverfahren, die Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie die Universitäten Göttingen, Heidelberg, Münster und Saarbrücken beteiligt.