Rache der Bots: Eine Gefahr für die Demokratie?5 Fragen an Prof. Dr. Peter Niesen
1. November 2017, von Daniel Meßner
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Bots sind Computerprogramme, die automatisiert Aufgaben erledigen. Inzwischen kommen wir auch im Alltag immer häufiger in Kontakt mit Bots – vielleicht sogar, ohne es sofort zu bemerken: etwa beim Chatten in den sozialen Netzwerken. In der Ringvorlesung „Rache der Bots – automatisierte Meinung und demokratische Integrität“ geht es um die Frage, was der zunehmende Einsatz von Bots für demokratische Gesellschaften bedeutet. Wir haben bei Prof. Dr. Peter Niesen, dem Koordinator der Ringvorlesung, nachgefragt.
Warum sind Bots ein wichtiges Thema, und was ist aus Sicht der Forschung an Bots interessant?
Bots strukturieren unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit auf eine Weise, wie das bisher nur menschliche Autoritäten und Gatekeeper in den Medien konnten, und häufig merken wir es nicht einmal. Gerade wenn quantitative Messungen über die Relevanz von Themen und die Beliebtheit von Positionen entscheiden, verzerren Bots unsere Weltwahrnehmung. Wenn wir über den neuesten Strukturwandel der Öffentlichkeit nachdenken, gehören also die Eingriffe durch Bots dazu.
Was bedeutet es, wenn Bots unsere Wahrnehmung strukturieren? Und wie funktioniert die Einflussnahme durch Bots?
Es gibt Fälle, in denen Bots uns vorspiegeln, dass große Gruppen oder gar Mehrheiten bestimmte Meinungen teilen oder auch Normverletzungen billigen. Auch wenn sich die unmittelbaren Adressaten davon nicht beeindrucken lassen, kann das extremen Positionen oft Schwung und Nachdruck in anderen Medien verleihen. Ich habe keine idealistische Auffassung davon, wie die meisten Diskussionen in den sozialen Medien so laufen, aber nicht-identifizierte Bot-Teilnehmer sind oftmals in der Lage, Diskussionen schnell in die gröbste denkbare Richtung zu drehen.
In der Auftaktveranstaltung geht es um die Dating-App „Tinder“. Was hat das mit Bots und Wahlen zu tun?
Wir schauen uns in der Ringvorlesung Bots aus verschiedenen Perspektiven an: aus der sozialwissenschaftlichen, der ethischen und auch der rechtspolitischen Sicht. Was man darüber nicht vernachlässigen sollte, ist die Sicht von Aktivistinnen und Aktivisten aus Parteien und der Zivilgesellschaft. Die Reihe eröffnen zwei britische Aktivistinnen, die mit der Programmierung eines Tinder-Bots Personen, die sich eigentlich für etwas anderes interessieren, subversiv ein politisches Gespräch aufgezwungen haben: „Hast Du schon überlegt, zur Wahl zu gehen?“ oder „Hast Du überlegt, taktisch zu wählen, um den bisherigen Mandatsträger zu schlagen?“ und so weiter. Daran sieht man die enormen Möglichkeiten im Einsatz von Bots, denen aber genauso enorme Risiken gegenüberstehen.
Die Veranstaltung heißt „Rache der Bots “. An wem rächen sich die Bots und warum?
Es wird immer schwieriger, Bots zweifelsfrei zu erkennen, geschweige denn, ihnen auf rechtlichem Wege Einhalt zu gebieten. Mit „Rache der Bots“ spielen wir auf die Möglichkeit an, dass die Programme sich perfektionieren könnten, etwa indem sie auf größere Datenmengen zurückgreifen, und „zurückschlagen“, das heißt: die öffentliche Auseinandersetzung dominieren könnten.
Welche Bedrohungen sehen Sie durch Bots? Bedrohen Bots unsere demokratischen Gesellschaften?
Bots produzieren anonyme Kommunikationen, für die niemand einsteht und für die meist niemand zur Rechenschaft gezogen werden kann. Bisher sind demokratische Öffentlichkeiten auch dort transparent, wo die Kommunikationskreisläufe anonym sind. Meist weiß man zumindest, wer für das jeweilige Medium oder die jeweilige Veröffentlichung zahlt und auch für sie geradestehen muss, wenn es sich um die Leugnung von Fakten, üble Nachrede, Beleidigung handelt. Das wird mit Bots schwerer oder unmöglich.
Ringvorlesung „Rache der Bots – automatisierte Meinung und demokratische Integrität“
Die Veranstaltung findet – mit Ausnahme des 1. Termins – immer von 18 bis 20 Uhr im Agathe-Lasch-Hörsaal, ESA B, im Hauptgebäude (Edmund-Siemers-Allee 1) der Universität Hamburg statt. Weitere Infos: Ringvorlesung „Rache der Bots“