Neue Blicke auf Aby Warburg: Carlo Ginzburg liest zu Ehren von Martin Warnke
16. Oktober 2017, von Giselind Werner
Foto: UHH/Dingler
Es gibt eine Reihe bedeutender Kunsthistoriker, die an der Universität Hamburg gelehrt und gewirkt haben. Zu ihnen gehören etwa Aby Warburg (1866–1929), Erwin Panofsky (1892–1968) und Martin Warnke (1937). Warnke, seit 2003 Emeritus unserer Universität, wurde am 12. Oktober 80 Jahre alt und zu diesem Anlass ehrt ihn das Kunstgeschichtliche Seminar der Universität mit einem Festvortrag am 16. Oktober, der gehalten wird von Carlo Ginzburg, dem bedeutenden italienischen Kulturwissenschaftler.
Alles beginnt mit Aby Warburg. Er, der Bankierssohn, der sich für Kunstgeschichte begeisterte, begründete schon mit seiner Dissertation eine neue Methode: die Ikonographie bzw. Ikonologie – also die Deutung der symbolischen Form eines Kunstwerks im geschichtlichen Kontext. Er baute als Privatgelehrter eine umfangreiche und weltweit bekannte kulturwissenschaftliche Bibliothek in der Heilwigstraße auf, in der sich heute noch das Warburg-Haus befindet und die damals Mittelpunkt eines bedeutenden Intellektuellenkreises wurde, zu dem u. a. der Philosoph Ernst Cassirer und der Kunsthistoriker Erwin Panofsky gehörten, beide Professoren der Hamburger Universität.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 migrierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Bibliothek Warburgs – er selbst war schon 1929 verstorben – nach London. Zurück blieb das leere Gebäude der Bibliothek, das bis in die 1990er-Jahre Sitz verschiedener Unternehmen war.
Die Wiederentdeckung des Warburg-Hauses fiel in die Zeit Martin Warnkes, der seit 1978 an der Universität Hamburg eine Professur für Kunstgeschichte innehatte. Zusammen mit Mitstreitern wie dem damaligen Wissenschaftssenator Leonhard Hajen und Mäzenen gelang es, das Haus wieder einer wissenschaftlichen Nutzung zuzuführen. Die Stadt Hamburg erwarb das Gebäude 1993 schließlich und übergab es 1995 wiederhergestellt der frisch gegründeten Aby-Warburg-Stiftung. Heute ist das Warburg-Haus eine Einrichtung der Universität Hamburg und der Stiftung.
Martin Warnke und die Politische Ikonografie
Martin Warnke machte sich nicht nur um die Etablierung des Warburg-Hauses als Forschungsstätte verdient, sondern nahm u.a. auch Warburgs wissenschaftliche Methoden wieder auf. Mit den Mitteln, die er 1991 mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhielt, begründete er die Forschungsstelle „Politische Ikonographie“ im Warburg-Haus, die die künstlerische Inszenierung von Macht und Herrschaft im Laufe der Zeit untersucht. Heute existiert dort eine Bilddatenbank mit mehr als 250.000 Beispielen zu mehr als 200 Stichwörtern wie Terror, Katastrophe oder Anarchie. Er rehabilitierte für Deutschland damit eine „emigrierte“ Methode der Kunstgeschichte.
Die italienische Verbindung
„Wir dachten, wir hätten Warburg für die europäische Kunstgeschichte wiederentdeckt, Fakt ist aber, dass Warburg in Italien immer schon präsent war“, erinnert sich Warnke an seine Arbeit in den 1990er-Jahren. Warburg hatte sich während des Studiums und in langen Forschungsaufenthalten in Italien aufgehalten und hatte Kontakte zu vielen Wissenschaftlern geknüpft. So war es nicht verwunderlich, dass schon früh italienische Wissenschaftler ans Warburg-Haus eingeladen wurden, darunter der Historiker und Kulturwissenschaftler Carlo Ginzburg, der damals bereits an der University of California Kunstgeschichte lehrte.
Ginzburg blieb dem Ort verbunden: Er erhielt 1992 den Aby-Warburg-Preis der Stadt Hamburg und hatte 1996 die Warburg-Professur an der Universität Hamburg inne. Aber nicht nur Warburg und Hamburg, auch Martin Warnke blieb er freundschaftlich verbunden. Es lag daher nahe, Carlo Ginzburg einzuladen, den Vortrag für die Festveranstaltung zu Ehren von Martin Warnke zu halten. Ginzburg hat für den 16. Oktober wiederum ein interessantes Thema im Gepäck, das eine weitere Facette von Warburg beleuchtet, nämlich die Parallelen, die sich zum bekannten italienischen Ethnologen und Anthropologen Ernesto de Martino und dessen ethnografischen Studien in Süditalien, besonders zu Religion und magischem Glaube, ergeben: „Unintended Convergences: Ernesto di Martino and Aby Warburg“.
Akademische Feier zu Ehren Martin Warnkes
Das Kunstgeschichtliche Seminar lädt ein zur akademischen Feier anlässlich des 80. Geburtstags von Prof. Dr. Martin Warnke:
Wann: am 16. Oktober 2017, 18 Uhr c.t.
Wo: Hauptgebäude der Universität Hamburg, Hörsaal B
Vortrag: Prof. Dr. Carlo Ginzburg: “Unintended Convergences. Ernesto de Martino and Aby Warburg”
Biographisches
Aby Warburg, Kunsthistoriker, geb. 13. Juni 1866, gest. 26. Oktober 1929, 1921 Prof. ehrenhalber der Universität Hamburg
Prof. Dr. Martin Warnke, Kunsthistoriker, geb. 12. Oktober 1937, Prof. der Universität Hamburg von 1978 bis zur Emeritierung 2003, 1990 Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 2012 Aby-Warburg-Preis der Stadt Hamburg
Carlo Ginzburg, Kulturwissenschaftler, geb. 15. April 1939, 1992 Aby-Warburg-Preis der Stadt Hamburg, 1996 Warburg-Professur an der Universität Hamburg
Warburg-Haus: www.warburg-haus.de