Mit Würmern und Fahrrädern das Klima retten:Europäische Summer School zu den Themen Klimaschutz und Klimainnovation
20. September 2017, von Anna Priebe
Foto: UHH/CEN/Wolf
Mehr als 300 Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus ganz Europa haben im Juli und August an der Summer School „The Journey“ teilgenommen, die von der EU-Innovationsinitiative „Climate-KIC“ organisiert wird. In acht Teams haben sie Unternehmensideen entwickelt, die gezielt auf die Herausforderungen des Klimawandels eingehen. Dafür haben sie an verschiedenen Stationen mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammengearbeitet, unter anderem auch am Exzellenzcluster „Integrated Climate System Analysis and Prediction“ (CliSAP) und dem „Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit“ (CEN) der Universität Hamburg. Die Abschlusspräsentation fand in Riga statt. Zwei Studierende erzählen von ihren Erfahrungen.
Elias De Keyser (23) aus Belgien macht seinen Master in „Energy for Smart Cities (InnoEnergy)“ an der Universität Politècnica de Catalunya (UPC) in Barcelona. Während der Summer School besuchten er und sein Team vom 30. Juli bis zum 12. August Hamburg.
Sie haben während der Summer School unter anderem die Universität Hamburg besucht. Wie sah das Programm aus?
Elias De Keyser: Hamburg war der erste Stopp auf der fünfwöchigen „journey“. Bevor man Unternehmensideen gegen den Klimawandel entwickeln kann, muss man das Thema erst einmal intensiv durchdringen. Experten vom CEN und vom CliSAP haben uns daher in Vorlesungen und „breakout sessions“ einen Schnellkurs zu Themen wie urbanen Hitzeinseln, nachhaltiger Landwirtschaft, Kreislaufwirtschaft und Klimarisiken gegeben. Einer meiner Höhepunkte in Hamburg war der Besuch in Wilhelmsburg, wo wir gesehen haben, wie Innovation, Nachhaltigkeit und Stadtplanung Hand in Hand gehen können. Ich war sehr beindruckt vom Energiebunker, der das Herz einer nachhaltigen Nachbarschaft geworden ist und für saubere Wärme und erneuerbare Energie sorgt.
Wir haben uns außerdem mit Unternehmern getroffen und eine Einführung in nachhaltige Unternehmensmodelle bekommen. Die Geschichte hinter Katé, einer Limonade, die aus den Abfallprodukten der Kaffeeproduktion gewonnen wird, hat mein Team und mich für unseren eigenen Unternehmensvorschlag inspiriert.
Welche Stationen haben Sie abseits von Hamburg besucht und welche Unternehmensidee haben Sie und Ihre Gruppe entwickelt?
Unsere nächste Station war London, wo wir am Imperial College zu Gast waren. Hier lag der Fokus dann sehr auf der Entwicklung unserer Idee. Mein Team und ich haben entschieden, Bio-Küchenabfall als Nährstofflieferant für eine hydroponische Indoor-Farm zu nutzen, dafür setzen wir Würmer ein, um aus dem Abfall Kompost zu machen – sogenanntes „vermicomposting”. Der gewonnene „Wurm-Tee“, eine Flüssigkeit, die reich an Nährstoffen ist, wird dem Wasserkreislauf der hydroponischen Farm beigemischt. So kann auf relativ kleinem Raum viel Blattgemüse wie Spinat angebaut werden. Die Methode erfordert keine Pestizide oder Herbidzide, das Wasser wird zum größten Teil wiederverwendet und die Pflanzen können das ganze Jahr lang angebaut werden. Mein Team und ich sind fest davon überzeugt, dass herkömmliche Agrarmethoden nicht in der Lage sein werden, die wachsende Weltbevölkerung zu versorgen und wir wollen die Landwirtschaft mit unserem Ansatz ins 21. Jahrhundert bringen. In Riga, unserer letzten Station, haben wir unsere Pläne finalisiert und unsere Idee vor einer Jury vorgestellt. Leider haben wir nicht gewonnen, aber ich bin trotzdem sehr stolz auf unser Team und das, was wir in der kurzen Zeit erreicht haben.
Was nehmen Sie aus der Summer School mit – auch für Ihr Studium?
Am wichtigsten ist, dass ich eine Gruppe von Freunden aus ganz Europa gefunden habe, von denen ich weiß, dass sie mich bei meinen zukünftigen Projekten unterstützen werden. Zudem nehme ich für mich mit, dass es sehr wichtig ist, sich zu vergegenwärtigen, welchen spezifischen Aspekt des Klimawandels man angehen will. Start-Ups sind eine Unternehmensform, die schnelle Innovationen erlaubt, aber nur, wenn die begrenzten Ressourcen gezielt eingesetzt werden.
Maria Esther Caballero Espejo (25) kommt aus Peru und macht an der Universität ihren Master in „Integrated Climate System Sciences“. Mit ihrer Gruppe war sie während der Summer School in Paris und Dublin.
Welche Stationen haben Sie besucht und welche Unternehmensidee haben Sie und Ihre Gruppe entwickelt?
Maria Esther Caballero Espejo: Unsere „Journey“ hat in Paris begonnen, zwei Wochen später ging es nach Dublin und in der letzten Woche hatten wir den Ideenwettbewerb in Riga. Während der gesamten fünf Wochen haben wir an unseren Unternehmensideen gearbeitet, die sich an den vier Themenfeldern „Entscheidungsprozesse und Finanzen“, „nachhaltige Landnutzung“, „urbane Veränderungsprozesse“ und „nachhaltige Fertigungssysteme“ orientierten. In unserem Unternehmensplan haben mein Team und ich uns vor allem mit den letzten beiden Bereichen befasst. Wir haben „Up-cycle“ entwickelt, ein Fahrrad mit einer ökologischen und sozialen Geschichte, das in Peru produziert werden soll. Das Produkt wird aus recyceltem Plastik hergestellt und kombiniert eine nachhaltige Produktion von Fahrrädern – eine Emissionsreduktion von 200 kg CO2 pro Fahrrad – mit einem positiven sozialen Effekt für die Familien, die in Peru vom Müllsammeln leben, sowie dem Übergang zu einem nachhaltigen Transportsystem in Lima.
Was nehmen Sie aus der Summer School mit?
Ich habe einen Bachelorabschluss in Meteorologie und in meinem Master in Hamburg kombiniere ich die Naturwissenschaften mit den Sozialwissenschaften. Mein Ziel ist es, das Klimasystem besser zu verstehen und Strategien zu entwickeln, um mit der Klimaproblematik umzugehen. Da die Ursprünge und Konsequenzen des Klimawandels sozialer Natur sind, müssen wir als Klimawissenschaftler Lösungen in diesem Bereich finden. Für mich ist das Training, das ich während der Summer School zu internationalen Verhandlungen, Klimagerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Wirtschaft erhalten habe, sehr wichtig und es hat direkten Einfluss auf meine Masterarbeit, bei der ich ebenfalls eine Herangehensweise wählen werde, die verschiedene Aspekte verbindet.
Haben Sie auch vor, später in diesem Bereich zu arbeiten und wenn ja, was würden Sie gerne tun?
Als nächstes werde ich erst einmal das, was ich in der Summer School gelernt habe, in einem größeren Rahmen für meine Masterarbeit anwenden. Dafür werde ich mich auf nachhaltige Landnutzung konzentrieren. Meine Vorstellung ist es, Klimainformationen mit Entscheidungsprozessen in ländlichen Regionen in Entwicklungsländern zu kombinieren. All das Training und das Wissen, dass ich dank der EU und der Universität Hamburg erhalten habe, kann angewendet werden, um die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen. Der Schlüssel ist der kluge Umgang mit Klimarisiken. Ich werde in meiner Heimatgemeinde Pucará, einer Kleinstadt in den zentralen Anden Perus, arbeiten. Dort werde ich zum ersten Mal eine integrierte Bewertung einer klimaintelligenten Landnutzung durchführen. Es ist an der Zeit, sich einzubringen und mit dem „business as usual” aufzuhören, um neue Möglichkeiten aus einfachen, aber starken Ideen zu kreieren.
KIC Summer School „The Journey“
Das Ziel der „EIT Climate KIC Summer School“ ist es, internationalen Masterstudierenden sowie Doktorandinnen und Doktoranden dabei zu helfen, Unternehmensideen zu entwickeln, die den Herausforderungen des Klimawandels begegnen. Neben Vorträgen und Workshops an verschiedenen Universitäten besuchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Firmen, Unternehmen und Projekte. Expertinnen und Experten helfen den Studierenden dabei, ihre Ideen und Konzepte zu entwickeln. 2017 haben unter anderem die Universitäten Hamburg, Kopenhagen, Valencia, London, München und Dublin teilgenommen. Weitere Informationen: https://journey.climate-kic.org/