Mit 16 im dritten Semester? Das geht!Alissa D. ist die jüngste Studierende an der Uni Hamburg
4. Dezember 2017, von Janine Fricke
Foto: UHH/Wendt
Mit der Einführung des verkürzten Abiturs (G8) sinkt auch das Durchschnittsalter bei Studienbeginn. Immer mehr Studienanfängerinnen und Studienanfänger sind nach Angaben des statistischen Bundesamts zum Studienantritt minderjährig. So jung wie Alissa sind aber die wenigsten. Sie studiert mit 16 Jahren im dritten Semester Lebensmittelchemie und ist derzeit die jüngste Studierende an der Universität Hamburg.
„Krass, wie hast du das denn geschafft?“ ist die meistgestellte Frage an Alissa, sobald ihr frühes Studium zur Sprache kommt. „Es kam halt alles so“, entgegnet die junge Studentin dann schulterzuckend, bevor sie ihre Geschichte erzählt.
Dass sie drei Monate nach ihrem fünften Geburtstag eingeschult wurde, ist bereits ungewöhnlich. Dass sie zwei Wochen später direkt in die zweite Klasse versetzt wurde, umso mehr. Mit zehn hat sie die siebte Klasse übersprungen und stand schließlich bei den schriftlichen Abiturprüfungen kurz vor ihrem 15. Geburtstag.
Die Erzieherinnen im Kindergarten äußerten den Verdacht, dass die damals 3-jährige Alissa hochbegabt sein könnte. „Meine Mutter wusste gar nicht genau, was das sein sollte. Für sie war ich völlig normal und unauffällig“, berichtet Alissa. Beim Einschulungstest wurde ihr mit vier Jahren die Hoch- bis Höchstbegabung von einer Psychologin attestiert mit der dringenden Empfehlung, Alissa früher einschulen zu lassen.
Ich war zu jung, ich konnte nur studieren
Ihr Entschluss für das Studium war auch beeinflusst durch den Mangel an einer Alternative. Mit 15 Jahren war Alissa zu jung, um nach dem Abitur ins Ausland zu gehen oder eine adäquate Ausbildung zu beginnen. Ein Jahr pausieren kam für sie aber auch nicht in Frage, so dass sie sich für ein Studium der Lebensmittelchemie entschied. „Chemie hat mich in der Schule schon immer interessiert. Und ich wollte auf jeden Fall etwas mit Praxisbezug machen“, sagt Alissa.
Die größte Herausforderung beim Studienbeginn zum WS 2016/17 war für sie die Umstellung von Schul- auf Uniniveau in organischer Chemie. „Da musste ich mich anfangs schon ganz schön reinknien“ – eine neue Erfahrung für die junge Studentin. Grundsätzlich sei es aber immer noch so, dass Alissa auch im Studium verhältnismäßig wenig lernen müsse, um gute Noten zu erreichen.
Vom Hörsaal übers Labor zum Reitstall
An einem typischen Uni-Tag verlässt Alissa gegen 7 Uhr das Haus, besucht um 8 Uhr die erste Vorlesung, experimentiert nachmittags bis 18 Uhr im Labor und versorgt anschließend ihre zwei Pferde, bevor sie gegen 22 Uhr heimkehrt. Das sei manchmal ganz schön anstrengend, räumt Alissa ein. Das unbeschwerte Leben anderer 16-Jähriger vermisse sie aber trotzdem nicht: „Ich weiß nicht, ob es denen besser geht. Wenn ich sehe, wieviel meine gleichaltrigen Freunde für die Schule lernen müssen, habe ich sogar viel mehr Zeit als sie, vor allem in den Semesterferien.“
Ihre Katzen und Pferde helfen ihr außerdem beim Stressabbau. „Beim Reiten kann ich mich körperlich auslasten und mein Alter ausleben, so dass ich nicht immer die sein muss, die vernünftig ist und studiert.“
Im Studium spielt das Alter (fast) keine Rolle mehr
In der Schule fanden Mitschüler es spannend, ein viel jüngeres Mädchen in der Klasse zu haben. Neid war nur bei den Eltern anderer hochbegabter Kinder zu spüren, wenn Alissa mit weniger Anstrengung bessere Leistungen erzielte.
Inzwischen bemerken viele den Altersunterschied gar nicht. So war auch den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des diesjährigen Mathe-Vorkurses nicht bewusst, dass ihre Tutorin erst 16 ist. Lediglich in rechtlichen Belangen spielt das Alter eine Rolle. „Mit 15 durfte ich zum Beispiel noch kein Feuerzeug benutzen – den Bunsenbrenner aber schon!“, lacht Alissa.
Erst Bachelor, dann Master und dann mal sehen
Wenn Alissa ihr Studium in der Regelstudienzeit abschließt, wird sie mit 18 den Bachelor haben – mit 20 den Master. Was sie danach machen möchte, weiß sie noch nicht genau. Aber fest steht: Verkürzen möchte sie ihr Studium nicht. Lieber lässt sie es entspannt angehen: „Und wenn ich mal durchfalle, hab ich ja immer noch ein paar Jahre Zeit.“
Alter bei Studienbeginn
Deutschlandweit waren im Jahr 2016 nach Angaben des statistischen Bundesamts 4.117 Studienanfängerinnern und Studienanfänger minderjährig. 41 davon waren jünger als 16 Jahre. Zehn Jahre zuvor waren nur 456 Studierende zu Studienbeginn minderjährig; ebenfalls 41 davon waren jünger als 16 Jahre.
Infos zum Juniorstudium
Die Universität Hamburg bietet interessierten und begabten Schülerinnen und Schülern im Rahmen des Juniorstudiums die Möglichkeit, neben der Schule bereits mit einem Studium zu beginnen und regelmäßig an Einführungsseminaren und Vorlesungen teilzunehmen.