„Mit illegalen Wildtieren wird mehr Geld umgesetzt als im Drogenhandel"
Aus Mitteln der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder finanziert die Universität Hamburg den Fonds „Transfer@UHH“. Seit Mitte November fördert sie insgesamt sechs Transferprojekte, darunter das Forschungsprojekt „Neue Wege der Wildtiere – Zur Zoologie von Infektionen des Menschen" am Centrum für Naturkunde (CeNak) an der Universität Hamburg. Es wird von Prof. Dr. Matthias Glaubrecht koordiniert. Der Fonds wurde dieses Jahr erstmalig aufgelegt und wird in Zukunft jährlich ausgeschrieben.
Herr Glaubrecht, worum geht es in Ihrem Forschungsprojekt?
Das CeNak beleuchtet in dem Projekt die Rolle Hamburgs im illegalen Wildtierhandel und entwickelt zusammen mit Kooperationspartnern Methoden zur Identifizierung und zum Umgang mit Artenschutzkriminalität. Ziel ist außerdem, vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie den Zusammenhang zwischen der Ausbreitung von Viruserkrankungen wie Covid-19, dem Wildtierhandel und der Zerstörung der Biodiversität zu analysieren und diese wichtige Frage des Natur- und Artenschutzes noch stärker in die Öffentlichkeit zu tragen.
Das CeNak bringt sich mit seiner wissenschaftlichen Expertise im Bereich Biodiversitätsforschung ein. So sind Bildungsprogramme zum Artenschutz und Wildtierhandel für Schulen und für Mitarbeitende des Zolls, aber auch für interessierte Bürgerinnen und Bürger geplant.
Konkret wollen wir etwa die Zusammenarbeit zwischen dem CeNak und dem Zoll stärken. Neben der Ermittlung von illegal gehandelten Wildtieren hilft das CeNak dem Zoll und der Naturschutzbehörde bei der molekulargenetischen Analyse von Wildtieren. Dadurch können Herkunft und Abstammung von beschlagnahmten Wildtieren etwa per DNA-Barcoding und durch Abgleich mit einer Referenzdatenbank von DNA-Proben bestimmt werden.
Das DNA-Barcoding ermöglicht beispielsweise die Artbestimmung von Tiermaterial, das sich ansonsten kaum noch exakt einer Art zuordnen lässt, z. B. bei Fleisch, Fellresten oder Eiern exotischer Arten.
Von wann bis wann werden Sie gefördert? Und mit welcher Summe?
Die Förderung läuft vom 15. November 2020 bis zum 14. November 2021. Die Summe beträgt 50.000 Euro.
Wofür geben Sie das Geld konkret aus?
Für den Auf- und Ausbau einer Referenzdatenbank zu Wildtieren und Vergleichsproben ihrer Erbsubstanz. Außerdem soll ein Vermittlungskonzept zum Thema Wildtierhandel erarbeitet werden, das sich vor allem an Mitarbeitende des Zoll, aber auch an Schulen und die interessierte Öffentlichkeit wendet. Für die Ausstellung im Zoologischen Museum werden mediale Elemente zum Thema Zoonosen entwickelt; also zu Infektionskrankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden können und umgekehrt.
Was ist für Sie persönlich die bisher spannendste Erkenntnis?
Erschreckend ist, dass der globale Handel mit Wildtieren inzwischen zu einem Milliardengeschäft geworden ist, bei dem mehr umgesetzt wird als etwa im Drogenhandel. Gleichzeitig verlieren wir Wildtiere in dramatischer Weise. Nicht zuletzt durch Jagd und Wilderei sind die Bestände vieler Arten – vom Elefanten, Nashorn und Tiger bis zu Schuppentier und Schildkröten – in beängstigender Weise eingebrochen. Das ist mir bei den Recherchen für das unlängst erschienene Buch über „Das Ende der Evolution. Der Mensch und die Vernichtung der Arten“ erst richtig klargeworden.
Und klar ist auch, dass neben Frankfurt vor allem auch Hamburg mit seinem Hafen und Flughafen ein Drehkreuz des zwar illegalen, aber unzureichend kontrollierten Handels mit Wildtieren und ihren Produkten ist. Deswegen machen wir hier mit dem Projekt konkrete Schritte, wie sich diese Kontrollen verbessern lassen. Und wir versuchen zugleich darüber zu informieren, wie Wildtierhandel und die Zerstörung der natürlichen Lebensräume mit Pandemien wie der gegenwärtigen zusammenhängen.
Wer profitiert von Ihrer Forschung und wie setzen Sie den Aspekt „Transfer“ um?
Das Projekt zielt auf die Bekämpfung von Artenschutzkriminalität und damit auf den Schutz von Wildtieren in der Natur. In Anbetracht der zunehmenden Gefahr durch die Übertragung von Infektionskrankheiten durch Tiere wird mit der Analyse des Wildtierhandels am Standort Hamburg eine Daten- und Informationslücke gefüllt. Außerdem können Hamburger Institutionen die Fachkompetenz und Infrastruktur des CeNak nutzen, um durch den Zoll beschlagnahmte Wildtiere und ihre Produkte durch DNA-Barcoding eindeutig artenschutzrechtlich zu bestimmen. Ein geplantes Handbuch zur Behandlung von Präparaten und Entnahme von Proben kann bundesweit für alle Mitarbeitenden, die im Handel mit besonders geschützten Arten arbeiten, genutzt werden. Auch die Referenzdatenbank wird für Hamburger bzw. norddeutsche Institutionen zur Verfügung stehen.
Konkret in Hamburg können die Institutionen ihre Arbeit durch die Vernetzung professionalisieren. Der Zoll erhält fachliche Unterstützung und die Bürgerinnen und Bürger bekommen die Möglichkeit, sich in der Ausstellung des Zoologischen Museums und über Veranstaltungen umfassend über das Thema zu informieren und Spezialisten bei Fragen zurate zu ziehen. Für Schulen werden maßgeschneiderte Formate entwickelt. Über das Web-Portal „FUNDus!“ der Universität Hamburg können sich Fachleute wie Laien einen Überblick über die in Hamburg angelandeten Wildtiere verschaffen.
Durch die Kooperation zwischen dem CeNak als Forschungsinstitution, der Abteilung „Internationaler Artenschutz“ der Umweltbehörde, dem International Fund for Animal Welfare und dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin wird die Expertise am Hamburger Standort gebündelt und der Start für ein zukünftiges Kompetenzzentrum im Bereich Wildtierhandel und Zoonosen gegeben. Mit einer Sonderpräsentation hatte das CeNak bereits im Sommer 2020 das Thema Zoonosen aufgegriffen, das nun auch in der Ausstellung weiter ausgebaut wird.