Serie „Namenspatenschaft“: Konrad ZuseBesessen von Technik und Kunst
8. April 2021, von Anna Priebe
Foto: UHH/Oberquelle
Edmund-Siemers-Allee, Anna-Siemsen-Hörsaal oder Von-Melle-Park: Gebäude und Straßen erzählen mit ihren Namen Geschichten rund um die Universität und ihre Fächer. 19NEUNZEHN stellt in einer Serie die Personen hinter diesen Namen vor. Dieses Mal: Konrad Zuse, den Entwickler des ersten Computers sowie begeisterten Künstler.
Er war groß wie ein Schrank, wog mehr als eine Tonne und hatte weniger als ein Millionstel der Rechenleistung eines Smartphones. Dennoch war der Z3 der erste Computer nach heutigen Maßstäben: Er war frei programmierbar, konnte also nicht nur einen vorgeschriebenen Vorgang berechnen, und arbeitete mit dem binären Zahlensystem bestehend aus Nullen und Einsen. Vorgestellt wurde er von Konrad Zuse im Jahr 1941 – als es die Informatik als Wissenschaft noch gar nicht gab.
Zuse, 1910 geboren, hatte Maschinenbau, Architektur und schließlich Bauingenieurwesen studiert. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Henschel Flugzeug-Werke AG hatte er ab 1935 viele Berechnungen machen müssen, etwa zur Statik, zu denen er laut eigener Aussage aber zu faul war. Also erfand Zuse, der schon in seiner Kindheit viel getüftelt hatte, den Z1. Der Rechner arbeitete bereits im Binärsystem und war viel moderner als die bis dahin entwickelten Maschinen. Er bestand allerdings aus Blechen und Stiften, musste mechanisch mit Kurbel betrieben werden und funktionierte nur eingeschränkt, da die Teile damals nicht präzise genug hergestellt werden konnten.
Wirken während des Krieges
„Konrad Zuse war von Haus aus Ingenieur, er wollte Sachen immer verbessern und schneller machen“, sagt Prof. Dr. Horst Oberquelle, Professor für Informatik i. R. in der Arbeitsgruppe Mensch-Computer-Interaktion an der Universität Hamburg. Und so entwickelte Zuse 1940 den Z2, der nicht mehr mechanisch, sondern mit elektromagnetischen Schaltern, sogenannten Relais, betrieben wurde. Schließlich folgte 1941 der Z3 – auch mit Relais-Technik.
Konrad Zuse wollte Sachen immer verbessern und schneller machen
Während Zuse in dieser Zeit vor allem den technischen Fortschritt im Blick hatte, befand sich die Welt im Krieg. Wie viele Innovationen im Bereich der Computertechnik, wurden auch Zuses Entwicklungen für Kriegszwecke genutzt. Während er selbst seine Verbindungen zum nationalsozialistischen Regime später kaum thematisierte, zeigen Dokumente, dass seine Tätigkeit bei der Flugzeug-Werke AG nicht nur seinen Fronteinsatz verhinderte, sondern dass er beim Bau der Gleitbombe Hs 293 an der Flügelvermessung mitarbeitete. Er erhielt staatliche Förderungen für seine Entwicklungen, gründete im Krieg eine Firma und auch der Z4, die nächste Rechnerversion, sollte der Optimierung von Kampfflugzeugen dienen.
Gleichzeitig isolierte ihn der Krieg von der internationalen Gemeinschaft. Der nie patentierte Z3 wurde in Berlin während eines Bombenangriffs zerstört und bis in die 1970er-Jahre galt Zuses Pioniertätigkeit als umstritten, denn auch die Amerikaner proklamierten den ersten modernen, programmierbaren Rechner für sich. „Es gab damals keinen Austausch, sondern das war eher ein Basteln im Geheimen“, erklärt Oberquelle, der das Computer-Museum am Fachbereich Informatik leitet. „Inzwischen ist die Leistung Zuses anerkannt, aber er arbeitete in relativer zeitlicher Nähe zu anderen, deren Rechner allerdings oft noch mit Dezimalzahlen gerechnet haben, also unseren normalen Ziffern. Das ist technisch viel komplizierter.“
Ein Leben für den technischen Fortschritt
Seinen Z4 rettete Zuse während des Krieges in einen Schuppen im Allgäu, wohin er aus Berlin mit seiner Familie geflüchtet war. Der Rechner ging später an die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich. Zuse gründete 1949 die Zuse KG, die lange das einzige Unternehmen für Computer in Deutschland war. Doch schon 1964 stieg er aus der Firma aus, die dann von Siemens übernommen wurde. „Es wird berichtet, dass er lieber immer noch mehr Verbesserungen an einem Computer gemacht hat, statt ihn in großer Stückzahl zu verkaufen. Er war mehr an der technischen als an der wirtschaftlichen Seite interessiert“, so Oberquelle.
Und so blieb der damals 54-Jährige seiner Linie treu: Er arbeitete weiter an Maschinen, Technologien und auch an theoretischen Überlegungen. Bereits 1946 hatte er eine universelle Programmiersprache, den Plankalkül, entwickelt, Ende der 1950er-Jahre folgte die Idee für ein automatisch gesteuertes Abblendlicht für Autos. Anfang der 1990er-Jahre konstruierte er den sogenannten Helixturm, einen röhrenförmigen Turm, der sich automatisch ein- und ausfahren lässt und für Windkraftanlagen gedacht war.
Zudem hielt er zahlreiche Vorträge – insbesondere in der neuen Wissenschaft der Informatik. 1979 wurde ihm die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Informatik der Universität Hamburg verliehen, eine von insgesamt acht, die er im Laufe seines Lebens erhielt. „Hamburg war es ein wichtiges Anliegen, den Erfinder des Computers zu ehren – und zwar zu einer Zeit, als Zuse noch lebte und dabei sein konnte“, erzählt Oberquelle, der an dem damaligen Festkolloquium teilnahm. 1996, im Jahr nach Zuses Tod, wurde der Hörsaal auf dem Campus der Informatik in Stellingen nach dem berühmten Ehrendoktor benannt.
Kunst als bedeutendes Ausdrucksmittel
In der Bibliothek des Fachbereichs erhält man zurzeit einen Einblick in einen weiteren Schaffensbereich Zuses: die Kunst. Der Pionier des Rechnerwesens malte seit seiner Kindheit, mehr als 1.000 Bilder dokumentierte Prof. Horst Oberquelle, der auch Mitglied der Konrad-Zuse-Gesellschaft ist. „Konrad Zuse hat, glaube ich, einfach Spaß daran gehabt, künstlerisch tätig zu sein“, so der Informatikprofessor. Bleistift- und Aquarellzeichnungen, Linol- und Scherenschnitte, mehr als 500 Ölbilder: Zuse war hoch produktiv und verschenkte seine Bilder häufig an Bekannte.
Eine zentrale Aufstellung der Werke gibt es nicht, doch Oberquelle geht davon aus, dass noch mehr als 100 Bilder nicht entdeckt sind. So hinterlässt Zuse, neben seinem umfassenden Nachlass, der im Deutschen Museum in München erforscht wird, in zwei sehr unterschiedlichen Bereichen Spuren. Oberquelle, der sich sowohl mit Zuses künstlerischem als auch seinem wissenschaftlichen Erbe beschäftigt, resümiert: „Ich glaube, er war in gewisser Weise ein Besessener – als Ingenieur und als Künstler.“
Die neue 19NEUNZEHN ist da!
Der Artikel ist in der aktuellen Ausgabe 16 der 19NEUNZEHN erschienen.