Ein grüner SchatzNaturstoff-Sammlung mit 40.000 Objekten
30. Dezember 2020, von Anna Priebe
Foto: UHH/Laufer
Was für eine Pflanze ist das? Und kann man mit ihr Geld verdienen? Mit diesen Fragen brachten Kaufleute und Wissenschaftler vor mehr als 100 Jahren Pflanzen aus aller Welt nach Hamburg. Diese bilden heute die Sammlung für Angewandte Botanik. Sie birgt für die moderne Wissenschaft zahlreiche Möglichkeiten.
Ein bisschen weihnachtlich sehen die Tannenzapfen aus: Immer ein bis zwei pro Glas, lagern sie wie Christbaumschmuck in rund 100 Kisten im Keller des Biozentrums Klein Flottbek. Dabei sind sie aber keine Dekoration, sondern Teil der wissenschaftlichen Sammlung der Angewandten Botanik.
Mehr als 40.000 Objekte umfasst die Sammlung. Im Gegensatz zu gepressten Pflanzenbelegen sind sie dreidimensional – mal in Flüssigkeit eingelegt, mal trocken präpariert. Neben den Holz- und Arzneipflanzensammlungen ist der größte Teilbestand die karpologische Sammlung, die aus präparierten Früchten und Samen von Pflanzen besteht. „Sie bildet die Naturstoffe ab, die um 1900 als Futter- oder Nahrungsmittel, aber auch für die Industrie interessant waren“, erklärt Gabriele Kranz vom Fachbereich Biologie. Sie betreut die momentan 600 Objekte in Klein Flottbek. Der Rest der Sammlung ist seit einem Umzug eingelagert.
Die besondere Rolle des Handels
Kranz erschließt nicht nur die Bestände und restauriert sie, wenn Präparate trockengefallen sind. Sie erforscht in ihrer Dissertation die Geschichte der Sammlung und ihre internationale Bedeutung. Den Grundstock bildete 1879 eine private Sammlung, die der Arzt und Botaniker Heinrich Wilhelm Buek der Stadt vermachte und die in den folgenden Jahren beträchtlich wuchs.
„Es ist eine Hamburger Besonderheit, dass der Handel so großen Einfluss hatte“, erklärt Kranz, die weltweit Archivmaterial über die Hamburger Sammlung ausgewertet hat. Vor allem aus Übersee brachten die Kaufleute neue Pflanzen mit und interessierten sich im Gegenzug für die Fragen: Was für eine Pflanze ist das? Was kann man mit ihr machen? Und kann man mit ihr Geld verdienen?
Auf der Suche nach Antworten entstand ab 1883 ein Botanisches Museum mit zahlreichen Fachabteilungen, etwa für Warenkunde und Saatgutprüfung. 1901 wurden die Botanischen Staatsinstitute gegründet, die später Teil der Universität wurden. „Das Institut für Angewandte Botanik hatte sogar eine Sprechstunde an der Hamburger Börse, um die Kaufleute zu beraten“, erklärt Kranz.
In der Hansestadt gab es etwa viel Industrie, die auf Kautschuk basierte. Deren Mitarbeitende suchten nach verschiedensten Kautschuk-Pflanzen – und gaben sie zur Dokumentation und Erforschung in die Sammlung. Die Hamburger waren damals gleichauf mit der größten Sammlung für Wirtschaftsbotanik in Kew (London).
Alte Pflanzen treffen neue Methoden
Gabriele Kranz ist sich sicher: Auch wenn die Sammlung heute nicht mehr ihren ursprünglichen Zweck erfülle, lohne es sich, mit ihr zu arbeiten. Zum Beispiel gibt es in der Sammlung viele Pflanzen, die damals in der Kautschukproduktion als vielversprechend galten – aber wegen fehlender Technik nicht weiter untersucht wurden. „Warum gehen wir auf der Suche nach nachwachsenden Rohstoffen für die Industrie nicht zu ihnen zurück und schauen, was mit modernen Methoden möglich wäre“, so Kranz. Auch Biodiversitätsforschung wäre denkbar.
Wichtig wären laut Kranz dabei Kooperationen mit anderen Botanischen Sammlungen und den Herkunftsländern der Pflanzen: „Bei Sammlungen mit einem kolonialen Kontext besteht eine große Verantwortung.“ Um die Hamburger Sammlung zugänglich zu machen, digitalisiert Kranz mit ihrer studentischen Mitarbeiterin Franca Laufer sukzessive die Bestände. Sie sind im universitären Sammlungsportal „FUNDus“ abrufbar: uhh.de/fundus.
Fakten im Überblick
- Kleinstes Objekt: wenige Millimeter große Samen
- Größtes Objekt: 50 cm große Zapfen
- Ältestes Objekt: Arzneipflanzen aus der Zeit um 1760
- Gut zu wissen: Aus dem Botanischen Museum sind auch eine Schau-, eine Waren-
Kunde- und eine Saatgutsammlung erhalten. Sie befinden sich im Loki Schmidt Haus, dem Nutzpflanzenmuseum der Universität Hamburg
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Der Artikel ist in der aktuellen Ausgabe der 19NEUNZEHN erschienen.