Serie „Namenspatenschaft“– Magdalene SchochErinnern an eine Pionierin
15. April 2020, von Daniel Meßner
Foto: UHH/Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte
Edmund-Siemers-Allee, Anna-Siemsen-Hörsaal oder Von-Melle-Park: Gebäude und Straßen erzählen mit ihren Namen Geschichten, die eng mit der Universität Hamburg verbunden sind. 19NEUNZEHN stellt in einer Serie die Personen hinter diesen Namen vor. Dieses Mal: Magdalene Schoch, die erste habilitierte Juristin in Deutschland.
Es war ein Abschied für immer von der Hamburger Universität. Nach 17 Jahren gab Magdalene Schoch im Jahr 1937 ihre Stellung an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät auf und begann im Exil in den USA ein neues Leben. Die Repressionen durch das nationalsozialistische Regime waren seit 1933 immer größer geworden. Als sie 1937 emigrierte, hatte sie für die Rechtswissenschaft in Deutschland bereits Pionierarbeit geleistet.
Von Würzburg nach Hamburg
Magdalene Schoch wurde 1897 in Würzburg geboren und entschied sich 1916 trotz schwieriger finanzieller Verhältnisse für ein Studium. Damit zählte sie zu den ersten Studentinnen an der Universität Würzburg. Als Fach wählte sie die Rechtswissenschaft, obwohl sie als Juristin kaum Aussichten auf eine Arbeit hatte: Die meisten juristischen Berufe wurden nur von Männern ausgeübt, in vielen Vorlesungen war sie die einzige Frau. Während des Studiums lernte sie den Völkerrechtler Albrecht Mendelssohn Bartholdy (1874–1936) kennen, bei dem sie promovierte und dem sie folgte, als er 1920 einen Ruf an die Hamburgische Universität annahm.
Mendelssohn Bartholdy wurde in der Zwischenkriegszeit einer der prägendsten Wissenschaftler in Hamburg: Er gründete zum Beispiel das Institut für Auswärtige Politik, das als Institut für internationale Angelegenheiten noch heute existiert.
Pionierarbeit in der Rechtswissenschaft
In Hamburg übernahm Schoch als Assistentin von Mendelssohn Bartholdy zahlreiche Aufgaben. Sie leitete die Rechtsabteilung des Instituts und war maßgeblich daran beteiligt, dass die Universität Hamburg führend wurde in Lehre und Erforschung des amerikanischen Rechts. Sie übernahm zudem die Leitung der Amerika-Bibliothek, einer Spezialbibliothek für amerikanisches Recht, hielt zahlreiche Lehrveranstaltungen zu englischen und amerikanischen Rechtsfragen und unternahm Forschungsreisen. Im November 1932 habilitierte sie sich schließlich als erste Juristin in Deutschland.
Widerstand im Nationalsozialismus
Ab 1933 änderte sich die Situation für die junge Wissenschaftlerin grundlegend: Ihr größter Förderer, Mendelssohn Bartholdy, verlor noch im selben Jahr, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, seinen Lehrstuhl. 1934 wurde ihm die Leitung des Instituts für Auswärtige Politik entzogen. Daraufhin wanderte Mendelssohn Bartholdy nach England aus und lebte fortan in Oxford. Für einige Jahre hielt Magdalene Schoch den Betrieb des Seminars für Auslandsrecht und Internationales Privat- und Prozessrecht aufrecht.
Aber der Druck des nationalsozialistischen Regimes wurde von Jahr zu Jahr stärker, da sie sich der Gleichschaltung widersetzte: Sie gehörte zu den Initiatorinnen der Hamburger „Frauenfront“ gegen den Nationalsozialismus, unterstützte jüdische und sozialdemokratische Freunde, verweigerte den Hitler-Gruß und nannte – trotz Verbot – in Publikationen weiterhin jüdische Autorinnen und Autoren. Inzwischen wurde immer deutlicher, dass eine weitere akademische Karriere in Deutschland für sie aussichtslos war und sie keine Chance auf eine Professur bekommen würde. Als Mendelssohn Bartholdy 1936 starb, nahm sie als einziges Mitglied der Universität an seiner Beerdigung in Oxford teil – obwohl Adolf Rein (1885–1979), nationalsozialistischer Rektor der Hansischen Universität, wie die Universität inzwischen hieß – sie vor einer Teilnahme eindringlich warnte.
Ein neues Leben in den USA
Ein Jahr später, 1937, sah Magdalene Schoch keinen Ausweg mehr: Sie wurde gedrängt, der NSDAP beizutreten, was sie kategorisch ablehnte. Kurze Zeit darauf kündigte sie ihre Stellung und bereitete ihre Auswanderung in die USA vor. Mithilfe ihres Netzwerks befreundeter Forscherinnen und Forscher, das sie in den vielen Jahren internationaler Zusammenarbeit aufgebaut hatte, gelang der Start in ihrer neuen Heimat.
Zunächst arbeitete sie als Forschungsassistentin an der Harvard Law School und wechselte Anfang der 1940er-Jahre nach Washington, wo sie als Expertin für deutsches Recht im „Office of Economic Warfare“ tätig war. Sie nahm bald die amerikanische Staatsbürgerschaft an und war unter anderem lange Jahre Rechtsberaterin im US-Justizministerium. Magdalene Schoch starb am 6. November 1987 in Falls Church im Bundesstaat Virginia. Nach Deutschland kam die Juristin nach ihrer Auswanderung nur selten – die Universität Hamburg hat sie nie wieder betreten.
Erinnerung an Magdalene Schoch
Das Leben und Wirken von Magdalene Schoch geriet in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit. Erst durch neuere Forschungen, unter anderem von Prof. Dr. Rainer Nicolaysen von der Hamburger Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte, konnte ihr Leben nach 1937 rekonstruiert werden. Seither wird die Erinnerung an sie lebendig gehalten: Im Jahr 2006 wurde der Hörsaal J im Hauptgebäude der Universität in Magdalene-Schoch-Hörsaal umbenannt. Außerdem wird seit 2015 von der Fakultät für Rechtswissenschaft das Magdalene- Schoch-Mentoring ausgerufen, mit dem Nachwuchswissenschaftlerinnen bei der Verbesserung ihrer wissenschaftlichen Karrieremöglichkeiten unterstützt werden.
Die neue 19NEUNZEHN ist da!
Der Artikel ist in der aktuellen Ausgabe der 19NEUNZEHN erschienen. Die Ausgabe erscheint aufgrund der Corona-Pandemie vorerst nur online.