Interview mit Alumnus Thees Uhlmann„Dumm in einen Raum reinzugehen und schlau wieder rauszukommen, das finde ich ganz toll“
14. April 2020, von Anna Priebe
Foto: UHH/Ohme
19NEUNZEHN stellt regelmäßig Alumni der Universität vor. Dieses Mal: Thees Uhlmann. Der Sänger und Autor spricht im Interview über James Bond, Laberköppe und die Freiheit während seines „Studienversuchs“.
Moin oder Tach?
Moin. Seit ich in Berlin wohne, ist es zu meiner kulturellen Identität geworden, dass ich Moin sage – auch abends noch. Inzwischen genieße ich das richtig.
Was gab’s damals in der Mensa: ‚Gut und günstig‘ oder die Salatbar?
Ich weiß gar nicht, ob es damals schon eine Salatbar gab (überlegt). Nee, ich lege mich fest: Es gab damals in Köln und in Hamburg keine Salatbar. Die Mensa war für mich aber immer relativ aufregend, weil es da noch einen Tisch gab, wo sich alle Punks getroffen haben. Das war für mich immer ein kleines Jugendzentrum, wo man sich treffen und erkennen konnte.
Erste Vorlesung direkt um acht oder schlafen bis zwölf Uhr?
Wenn ich ging, dann direkt um acht. Ich habe nie Probleme damit gehabt, früh aufzustehen. Morgens waren auch noch nicht die ganzen Leute da, die diskutieren wollten. So war die Chance, viel zu lernen, viel größer als später, wenn auch die ganzen Laberköppe da waren.
In den Vorlesungen: erste Reihe und mitschreiben oder letzte Reihe mit Kater?
Ich habe mitgeschrieben. Wobei: Wenn etwas wirklich gut ist, dann vergisst man das ja auch nicht. Zum Beispiel habe ich in meinen Amerikanistik- und Anglistik-Vorlesungen gelernt, wie man Filme guckt und dekodiert. Und das benutze ich heute noch jeden Tag, wenn ich durch die Gegend gehe. Diese Möglichkeit, den Alltag zu durchdringen, das ist mir sehr viel wert.
Ich versuche das ja auch in meiner Kunst: komplizierte Sachverhalte auf einen Satz runterbrechen. Für mich ist es eine Faszination, dumm in einen Raum reinzugehen und schlau wieder rauszukommen. Das finde ich ganz toll.
Wir hatten zum Beispiel eine Ringvorlesung zu den James- Bond-Filmen. Da hat uns ein Dozent erzählt, was es mit den Namen der Bondgirls auf sich hat. Die sollten zwar auf der einen Seite sexy sein, waren aber auf der anderen Seite oft auch sehr libertär. Dass es einen Unterschied zwischen James-Bond- Filmen und der Erotikmesse Venus gibt, weiß ich nur, weil ich damals versucht habe zu studieren.
Auf der Bühne: Kopf oder Herz?
80 Prozent Herz und 20 Prozent Kopf. Das ist eigentlich immer eine gute Mischung, denn so fallen mir einfach auch Sachen im Publikum auf, über die man sprechen kann.
Was ist die beste Inspiration: Angst, Wut oder Liebe?
Die beste Inspiration sind momentan Angst und Wut zusammen. Mit denen gehe ich durch meinen Alltag – nicht so durchgedreht wie bei ‚Taxi Driver‘ oder ‚Joker‘, aber ich gucke mir Sachen an und denke mir die ganze Zeit: Alter, ist das krass. Das zündet mich an und dann denke ich darüber nach. Die Liebe ist für mich momentan keine Inspiration, aber man soll sich auch nicht vorstellen, dass ich rumlaufe und sage: Es geht mir so schlecht, ich muss einen Text schreiben, sonst halte ich das nicht aus. Zu Angst und Wut kommen auch Sachen, die einem das Herz erwärmen, die man süß findet oder die einen beeindrucken.
Wenn du heute nochmal studieren würdest, was würdest du wählen: Musik, Literaturwissenschaft oder wieder Lehramt?
Den Beruf des Lehrers finde ich immer noch toll. Was mich aber zum Beispiel in letzter Zeit beschäftigt, ist, dass ich überhaupt nicht malen kann. Daher hätte ich gerne zehn Prozent Basic Skills nach dem Motto: Wie male ich einen Hasen? Was mich sonst immer schon umgetrieben hat, sind das Englische und die amerikanische Kultur. Vielleicht würde ich das am ehesten machen.
Zum Schluss: Welche drei Dinge verbindest du mit deinem Studium?
Einen absoluten Distinktionswillen. Ich hatte mit 22 so ein Bedürfnis, mich irgendwie zu unterscheiden, dass ich meine Bücher in einer Plastiktüte vom Discounter in die Uni getragen habe. Dann bin ich damals zum ersten Mal mit einem Mädchen zusammengekommen, bei dem ich dachte: Die ist zehn Mal so hübsch wie ich und ist trotzdem meine Freundin. Das war für mich eine unglaubliche Erfahrung. Und drittens die Möglichkeit, jeden Abend auf ein Konzert zu gehen (kurze Pause).
Eigentlich kein Wunder, dass das mit dem Studium nicht geklappt hat. Ich verbinde damit aber auch einfach diese Freiheit, dieses sich zum allerersten Mal allein der Welt gegenüber zu positionieren. Und sich intensiv mit einer Sache zu beschäftigen, die dich dann dein ganzes Leben lang begleitet. Das ist ein tolles Prinzip.
Zur Person
Thees Uhlmann wurde 1974 im niedersächsischen Hemmoor geboren. Ab 1996 studierte er Politik und Englisch auf Lehramt in Köln, ab 1998 dann Politik, Englisch und Pädagogik in Hamburg. Das erste Album seiner damaligen Band Tomte erschien 1998. 2001 brach er sein Studium ab und widmete sich ganz der Musik, seit 2011 ist er erfolgreich solo unterwegs. Inzwischen ist er auch Autor, u. a. des Romans „Sophia, der Tod und ich“. Im September 2019 erschien sein drittes Album „Junkies und Scientologen“.
Die neue 19NEUNZEHN ist da!
Das Interview ist in der aktuellen Ausgabe der 19NEUNZEHN erschienen. Die Ausgabe erscheint aufgrund der Corona-Pandemie vorerst nur online.