Lehre lieber ungewöhnlich
14. Mai 2019, von Daniel Meßner
Foto: UHH/Ohme
Die Hochschullehre steht unter anderem durch die Digitalisierung vor großen Herausforderungen und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. An der Universität entstehen in innovativen Projekten neue Lehrformate für die Zukunft.
„Die Rahmenbedingungen und die Organisation der Lehre haben sich massiv verändert“, sagt Gabi Reinmann, Professorin für Lehren und Lernen an der Hochschule und Leiterin des Hamburger Zentrums für Universitäres Lehren und Lernen (HUL). Die Veränderungen beträfen letztlich alle Bereiche des Hochschulalltags: „Man denke nur an den Bologna-Prozess, explodierende Studierendenzahlen, wachsende Diversität und die digitale Transformation.“ Wie sollte die Hochschuldidaktik also auf diese Herausforderungen reagieren? Durch individuelles Engagement und eine institutionelle Anstrengung, wie Reinmann betont: „Lehre braucht ihre Freiräume für kreative Experimente.“
HistoGames: Computerspiele im Geschichtsunterricht
Ein – auch im internationalen Vergleich – einzigartiges Lehr-Experiment wurde in Zusammenarbeit zwischen der Geschichtsdidaktik für das Lehramtsstudium und dem Arbeitsfeld Public History des Fachbereichs Geschichte umgesetzt. In einem Kurs haben Studierende Unterrichtsmaterial zum Umgang mit Videospielen erarbeitet. „Digitale Spiele prägen den Alltag von Schülerinnen und Schülern“, erklärt Projektkoordinator Nico Nolden, „aber sie spielen in der medienpädagogischen Ausbildung der Lehramtsstudierenden und im Geschichtsunterricht noch keine Rolle.“
Das wird sich nun ändern, denn die Studierenden haben sieben Unterrichtskonzepte für je eine Doppelstunde in der Sekundarstufe (5. bis 10. Klasse) erstellt, die an Partnerschulen umgesetzt werden. Anschließend wird das Projekt evaluiert und die Ergebnisse sowie sämtliche Materialen werden für die freie Nutzung zur Verfügung gestellt.
Nico Nolden hebt vor allem die Verknüpfung von neuester Forschung mit der Unterrichtspraxis durch die Lehre hervor: „Studierende lernen in diesem Kurs sehr anschaulich, was es heißt, ein Unterrichtskonzept nicht nur zu entwickeln, sondern anschließend auch direkt anzuwenden.“ Das „Repositorium HistoGames“ liefert damit eine Antwort auf die Frage, wie die Lehramtsausbildung mit digitalen Medien in Zukunft aussehen könnte.
Modellstudiengang iMED und interprofessionelles Lernen
Forschungsnahe Lehre, die wissenschaftlich und berufsvorbereitend gleichermaßen ist – das sollte das Ziel sein, sagt Prof. Reinmann. Aber: „Das ist angesichts der Spezialisierung in den Fachwissenschaften eine große wissenschaftsdidaktische Aufgabe.“
Eine Aufgabe, für die am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) an Lösungen gearbeitet wird: Im Wintersemester 2012/13 wurde mit iMED ein deutschlandweit einmaliger Modellstudiengang entwickelt. Das Besondere: Bei dem Studiengang werden die theoretischen und klinischen Studieninhalte enger als bisher miteinander verknüpft.
Wie das aussehen kann, zeigt sich auf der Station H4a des Universitären Herzzentrums am UKE: Angehende Ärztinnen und Ärzte üben dort mit Pflegekräften in der Ausbildung Visiten und führen in dem zweiwöchigen Modul gemeinsam Fallbesprechungen und Teamkonferenzen durch. Oberarzt Dr. Hanno Grahn, der diese Lehrform auf der Herzstation eingeführt hat, zieht eine positive Bilanz: „Wir integrieren den Gedanken des interprofessionellen Handelns nicht nur theoretisch in die Lehre, sondern direkt in den klinischen Alltag. Das Verständnis der Studierenden und Auszubildenden füreinander wird dadurch stark verbessert.“
Von der berufsübergreifenden Lehre profitieren letztlich alle Beteiligten: die zukünftigen Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte sowie Patientinnen und Patienten, denn durch die direkte Kommunikation steigt auch die Versorgungsqualität auf der Station.
Psychologische Diagnostik und RLab 2.0
Auch in anderen Fakultäten arbeiten Lehrende und Studierende gemeinsam an zukunftsweisenden Lehrprojekten. Ein wichtiger Ort dafür sind die sogenannten Lehrlabore. Im Rahmen des Lehrlabors Lehrerprofessionalisierung (L3Prof) am Zentrum für Lehrerbildung Hamburg (ZLH) zum Beispiel entstand „HistoGames“. Im Universitätskolleg (UK) bündeln sich an der Universität Hamburg alle Projekte, die Hilfe für die Studieneingangsphase bieten und damit den Übergang ins Studium erleichtern. Auch hier gibt es ein Lehrlabor.
Hier wurde zum Beispiel ein Praxisworkshop für Studierende der Psychologie durchgeführt, bei dem sie angeleitet werden, sich die Durchführung und Auswertung von psychodiagnostischen Testverfahren selbst zu erarbeiten. Ein weiteres Projekt ist das „RLab 2.0“, bei dem Studierende durch unterschiedliche didaktische Methoden an den Umgang mit der Statistiksoftware R herangeführt werden. Das Besondere ist, dass die Inhalte ursprünglich aus der Statistikeinführung der Geographie stammen und inzwischen interdisziplinär auf die Meteorologie- und Biologie-Studiengänge übertragen wurden.
Projekte wie „HistoGames“ und „RLab 2.0“ oder Modellstudiengänge wie iMED können Vorbildfunktion haben – nicht nur für Mitglieder der Universität, die zukünftige Lehre gestalten wollen, sondern auch für andere Hochschulen. Grundsätzlich sollte bei diesen Formaten eine Grundregel befolgt werden, so Prof. Reinmann: „Universitäre Lehre und ihre ‚Formate‘ sollten wahrhaftig in dem Sinne sein, dass sie dem Kern der jeweiligen Fachwissenschaft und ihrer Forschung gerecht werden.“ Zudem sollten sie authentisch zu dem jeweiligen Lehrenden passen und auf solidem bildungswissenschaftlichen Grund bauen. „Wenn man das berücksichtigt und Forschungsnähe zum Hauptkriterium macht, kann jedes Lehrformat ein sinnvolles sein.“