Forschung im HafenEffizientere Tourenplanung beim Containertransport
10. Mai 2019, von Anna Priebe
Foto: pixabay/chrishoefliger
Etwa 90% der Containertransporte innerhalb des Hamburger Hafen werden per Lkw durchgeführt. In Kooperation mit einem Containerterminalbetreiber haben Wissenschaftler der Universität mathematische Optimierungsverfahren und eine Software entwickelt, die zu Planung der Touren unter anderem Echtzeitdaten zur Verkehrssituation berücksichtigt. Dr. Leonard Heilig stellt das Projekt vor.
Wie wurde der Lkw-Container-Transport im Hafen bisher koordiniert und welche Probleme ergaben sich daraus?
Die Digitalisierung hat die Betriebsabläufe in den vergangenen Jahren bereits stark verändert. Auftragsfahrten, die früher noch per Zettel und Stift erfasst oder per Fax vom Kunden zugeschickt wurden, werden inzwischen per App und Software zentral verwaltet. Auch die Kommunikation mit den Lkw-Fahrern läuft nicht mehr übers Telefon, sondern per App.
Dennoch wurden nach wie vor alle Auftragsfahrten den verfügbaren Fahrern von Disponenten sehr kurzfristig zugewiesen, d.h. sobald ein Lkw-Fahrer kurz vor Abschluss einer Fahrt war, musste der Disponent schnell dafür sorgen, dass er eine Anschlussfahrt erhält. Bei dieser Art der Planung – insbesondere unter Zeitdruck – werden andere Zuordnungsmöglichkeiten, die insgesamt zu besseren Ergebnissen führen würden, z. B. kürzere Strecken, weniger Leerfahrten, gleichmäßige Verteilung der Touren an Fahrer, oftmals übersehen.
Die Einführung des sogenannten Slotbuchungsverfahrens an See- und Bahnterminals sowie Leerdepots im Hamburger Hafen führte auch dazu, dass ein Zeitfenster für Abholungen und Anlieferungen von Containern bis zu 72 Stunden im Voraus gebucht werden musste und eine Vorausplanung unabdingbar wurde. Daraus ergaben sich viele neue Anforderungen, die von der manuellen Disposition nur eingeschränkt unter einen erheblichen Mehraufwand zu bewerkstelligen gewesen wären.
Wie kam die Zusammenarbeit zustande?
Im Rahmen meiner Promotion habe ich mich intensiv mit dem Thema Cloud Computing und kombinatorischer Optimierung beschäftigt; unter anderem habe ich in meiner Forschung eine Plattform namens „port-IO“ und eine dazugehörige App entwickelt, um auf Basis verschiedener mathematischer Verfahren, insbesondere Metaheuristiken, eine Tourenplanung auf Basis von Echtzeitinformationen und Verkehrsprognosen zu unterstützen.
Nach ersten Gesprächen mit den Containerterminal-Betreibern „Eurogate“ und der Tochtergesellschaft „Eurogate Intermodal“ wurde relativ schnell klar, dass die Tourenplanung auf Basis kombinatorischer Optimierungsverfahren auch als Ergänzung der bestehenden Software sinnvoll ist.
Welche Lösung haben Sie entwickelt?
Wir haben das Ziel, aus einer sehr großen Menge von möglichen Kombinationen, z.B. in Bezug auf die Zuordnung von Aufträgen zu Fahrern und die Reihenfolge der Auftragsdurchführung, uns effizient der optimalen Entscheidung anzunähern.
Zusammen mit meinem Kollegen Dr. Kai Brüssau habe ich im ersten Schritt Algorithmen entwickelt, um die Disposition zu unterstützen. Diese mathematischen Verfahren sind Bestandteil einer Softwarekomponente, die die automatische Planung von Lkw-Touren an verfügbare Fahrer ermöglicht – unter Berücksichtigung diverser zeitlicher, örtlicher und organisatorischer Restriktionen, z.B. Gefahrguttransporte, Fahrerqualifikationen. Auch die Verfügbarkeit und die notwendigen Wechsel von Fahrgestellen (Chassis) werden von der Planung mit einbezogen. Der Disponent kann das Verfahren konfigurieren und dabei unterschiedliche Optimierungsziele verfolgen. Es können jederzeit innerhalb von Sekunden neue Tourenpläne erzeugt werden, die auf Basis der aktuellen Situation eine effiziente Durchführung ermöglichen.
Im zweiten Schritt wurden diese Verfahren erweitert, um das Slotbuchungsverfahren zu berücksichtigen. Dazu wird bspw. automatisch die Auslastung von bestimmten Zeitfenstern berücksichtigt.
Was sind die Vorteil dieses Systems?
Die manuell ausgeführten Tätigkeiten des Disponenten werden erheblich reduziert. Stattdessen nutzt er das neue Programm als Entscheidungsunterstützung und kann sich intensiver mit anderen Kerntätigkeiten beschäftigen. Die Softwarekomponente ermöglicht außerdem eine Vorausplanung über mehrere Tage und kann flexibel auf Änderungen reagieren. Durch die im Voraus geplanten Ankunftszeiten können Slots frühzeitig gebucht werden.
Ist das System schon im täglichen Einsatz?
Die ersten Tests haben – insbesondere in Bezug auf die Planungsqualität – sehr positive Ergebnisse gebracht. Aktuell läuft die Einführung; momentan wird die Softwarekomponente in die bestehenden Systeme der „Eurogate Intermodal“ integriert. Bald sollen die ersten Touren mithilfe der Optimierungsverfahren geplant werden.
Ist eine weitere Zusammenarbeit geplant – etwa für andere Logistikbereiche im Hafen?
Der Forschungsbereich zur maritimen Logistik oder speziell zur Hafenlogistik ist am Institut für Wirtschaftsinformatik sehr aktiv. Generell gibt es verschiedene Gespräche für weitere Kooperationen im Hafenbereich, auch auf internationaler Ebene.
Dieser Beitrag ist Teil des Artikels "Heimatforschung" im Jubiläumsmagazin "20NEUNZEHN" der Universität Hamburg.