Das pralle LebenDie Hamburger Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte
24. Januar 2019, von Anna Priebe
Foto: UHH/Schöttmer
Eine Frage zu 100 Jahren Universität Hamburg? Die Sammlung der Hamburger Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte ist eine zuverlässige Anlaufstelle für alle Anliegen rund um die Historie der Hochschule, aber auch der Wissenschaftsgeschichte. Zum Universitätsjubiläum herrscht entsprechend Hochkonjunktur.
„Man braucht Lust und Power“ – so beschreibt Prof. Dr. Rainer Nicolaysen sein Credo. Und wenn viele Kolleginnen und Kollegen mitzögen, sei es sehr ermunternd, was man alles auf die Beine stellen könne. Als Leiter der Hamburger Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte benötigt er in diesen Wochen und Monaten eine Extraportion Kraft. In diesem Jahr steht das Universitätsjubiläum an, von Publikationen und Ausstellungen bis zu Theaterstücken werden Projekte geplant – und nicht wenige nutzen die Sammlung der Arbeitsstelle, das Gedächtnis der Universität.
Der Historiker selbst arbeitet gemeinsam mit Dr. Eckart Krause und Dr. Gunnar Zimmermann an der Herausgabe einer vierbändigen Publikation, die die 100 Jahre Geschichte der Universität Hamburg sowie die Geschichte einzelner Fächer und Institute beleuchten wird. Rund 100 Autorinnen und Autoren müssen dafür koordiniert werden; zudem werden die Inhalte bereits in einer auf fünf Semester angelegten Ringvorlesung präsentiert. „Es wird keine ‚Jubelschrift‘“, so Nicolaysen, „sondern eine den heutigen Standards entsprechende wissenschaftliche Veröffentlichung, die neben großen Leistungen auch Sackgassen und Versäumnisse thematisiert.“
Egal, um welches Fach oder Projekt es dabei geht: Basis für die Recherchen ist die Sammlung der Arbeitsstelle, ein unerschöpflicher Fundus. Sie umfasst mehr als 30.000 im Campus-Katalog verzeichnete Bücher und Aufsätze zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte sowie etliche Sonderbestände.
Komplexität der Universität erfassen
Nicolaysen betont, dass der Name der Sammlung Programm sei: „Sie heißt ‚Hamburger Bibliothek für Universitätsgeschichte‘, nicht ‚Bibliothek für Hamburger Universitätsgeschichte‘, denn unser Bestand zur eigenen Geschichte ist nur eine Hälfte der Sammlung, die andere gilt der Geschichte der anderen deutschsprachigen Universitäten und der Wissenschaftsgeschichte.“ Es gehe darum, die Komplexität von Universität zu erfassen. „Und dabei hat auch ein einzelnes studentisches Flugblatt als Quelle einen Wert“, sagt Nicolaysen. So entstand eine der deutschlandweit größten Flugblatt-Sammlungen, die im Wintersemester 1967 / 68 beginnt und stetig erweitert wird. Eckart Krause (74), Nicolaysens Vorgänger als Leiter der Arbeitsstelle, sichert noch heute in den Mensen Exemplare und ist, auch als Rentner, in der Bibliothek anzutreffen.
Ohne Krause würde es die Sammlung nicht geben. 1983 startete ein bis dahin einmaliges Forschungsvorhaben, das die NS-Geschichte der Universität Hamburg aufarbeitete. Krause, damals Planer am Fachbereich Geschichte, koordinierte das Projekt –
und musste feststellen, dass die Universität an ‚selbstverordneter Amnesie‘ litt: Das Universitätsarchiv war Anfang der 1970er-Jahre an das Staatsarchiv Hamburg abgegeben worden. Krause begann ehrenamtlich mit dem Aufbau einer eigenen Sammlung, die zum Ende des Projekts 1991 bereits 3.000 Bände umfasste. 1993 wurde diese Bibliothek formal als Institution der Universität anerkannt. Zehn Jahre später folgte die Erweiterung zur Arbeitsstelle, die in dieser Form deutschlandweit einzigartig ist und seit 2006 im Hauptgebäude ihre Räume hat. Nicolaysen übernahm 2010 die Leitung der Arbeitsstelle und vertritt die Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte auch in der Lehre.
Anlaufstelle für Fragen rund um die Universitätsgeschichte
Die Sammlung zur Universitätsgeschichte ist gleichermaßen Anlaufstelle für Wissenschaft und Öffentlichkeit. Während Forscherinnen und Forscher sowie Studierende die Bestände für ihre wissenschaftlichen Arbeiten nutzen, wenden sich Behörden, Bürgerinnen und Bürger sowie Institutionen auf der Suche nach Informationen an die Experten für Universitätsgeschichte. „Wir bearbeiten Anfragen aus aller Welt“, so Nicolaysen. Es sei manchmal erstaunlich, welche Bezüge zur Hamburger Universitätsgeschichte sichtbar würden: „In der vergangenen Woche erhielten wir etwa Anfragen von Einzelpersonen aus Argentinien und von Institutionen wie dem jüdischen Museum in Trondheim, das über zwei jüdische Norweger recherchierte, die 1933 in Hamburg studiert haben sollen – was wir belegen konnten.“
Fragen beantworten Nicolaysen und Krause – die für die Aufarbeitung der Hamburger Universitätsgeschichte 2008 den Max-Brauer-Preis erhielten – zudem bei ihren Führungen durch das Historische Rektorzimmer im Hauptgebäude, das der Arbeitsstelle angeschlossen ist, sowie bei ihren Historischen Campus-Rundgängen für Erstsemestergruppen, Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Abteilungen der Universitätsverwaltung oder auch mal 120 australische Studierende auf Hamburg-Besuch. Wer denke, alles Historische sei verstaubt, erklärt Nicolaysen, erfahre hier: „Es ist das pralle Leben.“
Dabei ist die Arbeitsstelle, in der auch die Schriftenreihe „Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte“ sowie die „Hamburger Universitätsreden“ herausgegeben werden, laut Nicolaysen nicht nur eine Adresse für Suchende, sondern auch für Gebende: „Viele Angehörige der Universität haben unsere Sammlung im Laufe der Jahre durch wichtige Materialien ergänzt.“ Seit 2014 verfügt die Universität auch wieder über ein eigenes Archiv. Nicolaysen betont: Mit diesem Ensemble ist die Universität Hamburg auf dem Gebiet der Universitätsgeschichte endlich gut aufgestellt.“
Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte
Weitere Informationen finden Sie hier.
Der Text ist in der aktuellen Ausgabe der 19NEUNZEHN erschienen, die seit Oktober 2018 in den Foyers der Uni-Gebäude und dem Unikontor sowie den Mensen und Bibliotheken erhältlich ist.