Engagieren – aber richtig
17. Oktober 2017, von Anna Priebe
Foto: UHH/Schöttmer
Wie kann universitäre Lehre Engagement fördern? Cornelia Springer (34), Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studiendekanat der Fakultät für Geisteswissenschaften, arbeitet mit ihrem Team an einem Modell für den Wissenstransfer zwischen Universität und (Zivil-)Gesellschaft. Unter anderem wird es ab diesem Wintersemester eine Lehrveranstaltung geben, deren Fokus die Freiwilligenarbeit für Wohnungs- und Obdachlose ist.
Wie sieht das Konzept der Lehrveranstaltung aus?
Im Mittelpunkt steht ein Praxisprojekt, das die Studierenden bearbeiten. Dies wird ergänzt durch eine Vortragsreihe, ein Exkursionsprogramm und Workshops. Wir wollen in der Vortragsreihe ein möglichst breites Themenspektrum abdecken. Dabei sind zum einen ‚Hard Skills‘ wichtig, wie z. B. rechtliches Grundlagenwissen, ein Überblick über professionelle Unterstützungsstrukturen und ehrenamtliche Hilfsangebote in Hamburg. Für die Vorträge haben wir nicht nur Professoren, sondern auch Experten aus der Praxis eingeladen. Zu den ‚Soft Skills‘ gehören Fragen zur Reflexion über das eigene Engagement und die eigene Rolle in der Gesellschaft.
Was erwarten Sie von den Studierenden?
Im Prinzip kann jeder an der Veranstaltung teilnehmen, der möchte. Am Anfang fragen wir ab, wo die Studierenden schon engagiert sind, warum sie sich engagieren wollen und wie viele Stunden sie für ein ehrenamtliches Projekt aufbringen können. Für uns ist es aber auch interessant zu sehen, welches Vorwissen, welches Fach, welche institutionellen Vorstellungen sie mitbringen.
Was sind die größten Herausforderungen bei diesem Projekt?
Vor allem die Sensibilisierung für die Lebenslagen von Menschen auf der Straße und die adäquate Vorbereitung auf die praktische Arbeit. Wie kann ich überhaupt Kontakt zu Menschen aufnehmen, die auf der Straße leben? Die Schlüsselfrage ist: Was brauchen diese Menschen –
und wie können die Studierenden sich unterstützend einbringen? Dazu wollen wir zu Beginn extra einen Workshop machen und arbeiten mit Partnern aus der Stadt zusammen, zum Beispiel Hinz&Kunzt, der Caritas oder dem Straßenkinderprojekt KIDS. Das ist genau der Austausch zwischen Hochschule und Gesellschaft, den wir erreichen wollen.
Ist es das Ziel, Engagement zu wecken?
Es gibt einen Begriff: Professionalisierung von Ehrenamt. Das klingt erstmal nach einem Widerspruch, aber uns geht es schon darum, die Qualität von ehrenamtlichem Engagement zu verbessern, also das nötige Background-Wissen zu vermitteln. Es ist unser Anliegen, die zu stärken, die etwas tun, und ihnen das nötige Werkzeug an die Hand zu geben, um ihre Arbeit zu reflektieren und noch besser zu werden.
Welche Schlüsse haben Sie gezogen aus dem Kurs „Refugees welcome – aber wie?“, den Sie bereits seit dem Wintersemester 2015/16 anbieten?
Dass das Programm im Freien Wahlbereich, in dem wir es anbieten, perfekt aufgehoben ist. Die Studierenden profitieren ungemein davon, dass sie mit Kommilitonen zusammenarbeiten, die aus ganz anderen fachlichen Zusammenhängen kommen.
Wie langfristig sind die Projekte?
Die Projekte mit Überlebenschance sind die mit festen Partnern in der Stadt, zum Beispiel ein Urban-Gardening-Projekt in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften, bei dem auch Sozialarbeiter mitmachen. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man ein Beet anmietet und nach dem Semester ist das wieder weg.
Die beiden Projekte werden durch das Lehrlabor des Universitätskollegs gefördert. Welche Planungen gibt es darüber hinaus?
Wir wollen einen Prototypen entwickeln – aus unseren Erfahrungen mit den zwei Programmen, die im Wintersemester jetzt parallel laufen werden. Es soll ein Modell sein für die Integration dieser Engagementförderung in die universitäre Lehre und auf verschiedene soziale Probleme der Gesellschaft anwendbar sein – auch von anderen Lehrenden.
Das Interview ist in der aktuellen Ausgabe der 19NEUNZEHN erschienen, die seit Oktober in den Foyers der Uni-Gebäude und dem Unikontor sowie den Mensen und Bibliotheken erhältlich ist.