Ausstellung über die Ärztin Rahel Liebeschütz-PlautAls erste Frau habilitiert und bis heute ein Vorbild
18. Juni 2019, von Tim Schreiber
Foto: UHH/Schreiber
Sie war 1923 die erste Ärztin, die sich an der Medizinischen Fakultät in Hamburg habilitierte: Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Universität Hamburg würdigt das Medizinhistorische Museum in einer Ausstellung Leben und Arbeit von Rahel Liebeschütz-Plaut, die als Jüdin nach England emigrieren musste.
„Rahel Liebeschütz-Plaut musste in ihrem Leben viel Widerstand überwinden und ist noch heute ein gutes Vorbild“, sagt Doris Fischer-Radizi. Die Allgemeinmedizinerin arbeitet ehrenamtlich für das Medizinhistorische Museum und hat sich mehr als zwei Jahre lang intensiv mit der Biografie der Ärztin beschäftigt, Material gesammelt und Interviews geführt. Ihre Ergebnisse sind nicht nur ab sofort im Museum zu sehen, sondern auch in dem gerade erschienenen Buch „Vertrieben aus Hamburg – Die Ärztin Rahel Liebeschütz-Plaut“ nachzulesen.
Herkunft aus einer Akademikerfamilie
1894 als Tochter des bekannten Bakteriologen Hugo Carl Plaut geboren, studierte Liebeschütz-Plaut zunächst in Freiburg, Kiel und Bonn. 1919 – im Gründungsjahr der Universität Hamburg – schloss sie sich dem Matrikel der Hamburger Ärzte an und arbeitete am physiologischen Institut als wissenschaftliche Hilfsarbeiterin. Diskriminierung gegenüber Frauen war zu der Zeit an der Tagesordnung. So durften sie beispielsweise nicht das sogenannte Casino betreten, in dem die männlichen Ärzte aßen und ihre Freizeit verbrachten.
Dennoch habilitierte sich Liebeschütz-Plaut 1923 mit einer Arbeit über die Sperrung des Skelettmuskels als dritte Ärztin in Deutschland und als erste in Hamburg. „Sie kam aus einer Akademikerfamilie und war eine kluge Frau mit sehr gutem Gedächtnis. Dazu war sie engagiert und fleißig“, beschreibt Doris Fischer-Radizi die Gründe für ihren akademischen Erfolg. Nach der Hochzeit mit dem Historiker Hans Liebeschütz wurde ihr als Frau durch den Doppelverdiener-Paragraphen eine Anstellung im öffentlichen Dienst verboten, unterrichten durfte sie weiterhin.
Ausstellungsraum „Ärztin werden“
Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft verlor sie 1933 auch die Lehrerlaubnis. 1938 emigrierte die Familie nach England, um der weiteren Entrechtung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Hans Liebeschütz war während der Novemberpogrome zwischenzeitlich festgenommen und vier Wochen lang im KZ Sachsenhausen interniert worden.
„Das Leben von Rahel Liebeschütz-Plaut ist in den Ausstellungsraum ‚Ärztin werden‘ eingebettet, in dem der Weg zur Approbation, zur Doktorarbeit und zur Professur gezeigt wird“, sagt der Leiter des Medizinhistorischen Museums Prof. Dr. Philipp Osten. Unter den Exponaten ist unter anderem ein Kasten mit Präparaten, die sie als Studentin 1913/1914 selbst angefertigt hat, sowie eine Zeichnung, mit der sie die Rollenzuschreibungen von Mann und Frau aufs Korn nimmt.
Rund um das zentrale Exponat, den weißen Eppendorfer Kittel, ist außerdem die Geschichte der Kinderärztin Ingeborg Syllm-Rapoport zu sehen, die mit 102 Jahren ihre Promotion abgeschlossen hat, nachdem ihr 1938 wegen ihrer jüdischen Abstammung der Zugang zur mündlichen Prüfung verwehrt worden war. Außerdem geben 71 Ölgemälde aus der Anatomie, Dokumente aus der NS-Zeit und Flugblätter von 1968 Besuchern Einblick in die Hamburger Medizingeschichte.
Gesprächsrunde zum neuen Ausstellungsraum
Am Donnerstag, 27. Juni 2019, um 18.30 Uhr findet im Medizinhistorischen Museum eine Gesprächsrunde zum neuen Ausstellungsraum statt. Mit dabei sind Friederike Kröger (Assistenzärztin in der Klinik und Poliklinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie am Universitären Herzzentrum Hamburg GmbH), Ricarda Bessel (Medizinstudentin am UKE), Doris Fischer-Radizi (Allgemeinärztin) und Moderator Dirk Schneider (Journalist).
Infos zum Medizinhistorischen Museum
Das Medizinhistorische Museum zeigt die Entwicklungen in Medizin und Gesellschaft seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Von den Entwicklungen in der Physik und der Chemie über die Mikroskopie bis zum Arzneimittelforschung und der Medizintechnik. Das größte Exponat ist der lichtdurchflutete Sektionssaal, der sich im Originalzustand des Jahres 1926 präsentiert. Das Museum liegt auf dem Gelände des UKE (Eingang Frickestraße) und ist Mittwoch, Sonnabend und Sonntag von 13 bis 18 Uhr geöffnet. Sonntags um 15 Uhr gibt es jeweils eine öffentliche Führung. Der Eintritt kostet 6 Euro, ermäßigt 4 Euro. Mehr Infos gibt es hier.