Titel, Thesen, Promotionen mit René FeldvoßEishockey in der DDR: Die kleinste Liga der Welt
7. Oktober 2019, von Daniel Meßner
![René Feldvoß](https://assets.rrz.uni-hamburg.de/instance_assets/uni/11806659/eishockey-img733x414-1c7e590489c16f91ba848a3fab88352227192682.jpg)
Foto: UHH/Ohme
In der aktuellen Ausgabe des Hochschulmagazins stellt René Feldvoß für die Reihe „Titel, Thesen, Promotionen“ sein Dissertationsthema vor: Ab 1970 spielten in der DDR nur noch zwei Mannschaften um die Meisterschaft. Der Historiker hat in seiner Arbeit untersucht, wie es dazu kam und welche Rolle Erich Mielke, der Minister für Staatssicherheit, dabei gespielt hat.
Name: René Feldvoß
Titel meiner Dissertation: Eishockey in der DDR. Anomalie im staatlichen Sportsystem.
Mein Material: Hauptsächlich schriftliche Quellen aus dem Bundesarchiv in Berlin mit Unterlagen des Eislaufverbandes der DDR. Außerdem habe ich Interviews mit Zeitzeugen geführt.
Ort: Hamburg/Berlin/Weißwasser
Warum interessieren Sie sich für Eishockey?
Eigentlich wollte ich immer Eishockey spielen. Aber in Lübeck, wo ich herkomme, gab es keine Eishalle. So bin ich beim Fußball gelandet, aber das Interesse für Eishockey ist geblieben. Und irgendwann habe ich erfahren, dass die Eishockey-Liga in der DDR ab 1970 nur noch aus zwei Mannschaften bestand. In der Dissertation habe ich dann untersucht, warum das so war.
Welche beiden Mannschaften waren das?
Es gab den SC Dynamo Berlin und die SG Dynamo Weißwasser. Dynamo war die Sportvereinigung der bewaffneten Sicherheitsorgane, also der Stasi, des Zolls und der Volkspolizei. Beide Vereine gibt es noch. Nach der Wiedervereinigung haben sie sich umbenannt: Der SC Dynamo Berlin ist als Eisbären Berlin heute einer der erfolgreichsten deutschen Eishockeyvereine. Dynamo Weißwasser spielt heute als Lausitzer Füchse in der 2. Liga.
War diese DDR-Liga die kleinste Liga der Welt?
Meinen Recherchen nach, ja. Es gibt auf einer englischen Insel zwei Fußballvereine, die einen Pokalwettbewerb austragen, aber nicht in einer Liga spielen. Und kleiner als zwei Mannschaften geht eigentlich auch gar nicht. Aus sportlicher Sicht ist ja schon eine Liga mit zwei Teams absurd. Darunter leidet auch die sportliche Entwicklung, zumal in der DDR aus diesen beiden Mannschaften auch eine Nationalmannschaft gebildet wurde.
Gab es dann Serienmeister?
Ja, aber auch schon vor 1970. Dynamo Weißwasser ist zwischen 1951 und 1965 15 Mal in Folge DDR-Meister geworden. Später, ab 1975 bis zur Wiedervereinigung, war dann Dynamo Berlin sehr dominant.
Wie wurde denn der Spielbetrieb aufrechterhalten?
Die Saisons waren sehr kurz, es gab zum Beispiel eine Spielzeit mit nur sechs Spielen. Um die Praxis aufrechtzuerhalten, haben die Vereine deshalb viele internationale Spiele gemacht. Es gab auch eine große Rivalität zwischen den beiden Mannschaften, was sich vor allem bei den Spielen in Weißwasser gezeigt hat. Da gibt es auch Berichte über Spielabbrüche. Für die Nationalmannschaft mussten sich die Spieler aber zusammenraufen, denn die wurde aus den beiden Teams gebildet.
Warum gab es nur zwei Mannschaften in der Liga?
Bis 1970 gab es acht Mannschaften in der in der Eishockey-Oberliga und der Eishockeysport wurde in der DDR auch stark gefördert – bis zum sogenannten Leistungssportbeschluss 1969. Ab da erhielten nur noch Sportarten eine Förderung, in denen bei Olympia und Weltmeisterschaften viele Medaillen zu erwarten waren.
In einer Eishockeymannschaft spielen zwar 20 bis 25 Spieler. Sie können aber maximal eine Medaille gewinnen. Bei vielen Einzelsportarten gibt es hingegen die Möglichkeit, dass einzelne Athletinnen und Athleten mehrere Medaillen gewinnen. Daher gab es erst einmal den Beschluss, die Eishockey-Förderung komplett zu streichen. Das bedeutete das Aus für die Vereine.
Bis auf zwei Mannschaften?
Ja, und da wird es interessant. Erich Mielke, der Minister für Staatssicherheit, war gleichzeitig Präsident der Sportvereinigung Dynamo und er hat sich dafür eingesetzt, dass weiterhin Eishockey gespielt wird. Das war ein Machtkampf innerhalb des DDR-Sportsystems. Außerdem gab es wohl Druck von Seiten der Sowjetunion, denn mit dem Wegfall der DDR-Nationalmannschaft hätten die sozialistischen Staaten weniger Stimmrechte im internationalen Eishockeyverband gehabt.
Hochschulmagazin 19NEUNZEHN
Das Interview mit René Feldvoß ist in der Ausgabe 13 (Oktober 2019) des Hochschulmagazins 19NEUNZEHN erschienen. Das Magazin ist auch online verfügbar.