Neue Förderrunde aus Mitteln des TransferfondsWie Obstplantagen im Alten Land den Klimawandel bremsen können
17. November 2023, von Christina Krätzig
Foto: Anna-Louisa Wriedt
In 2023 fördert die Universität Hamburg 13 Forschungsprojekte aus Mitteln ihres Transferfonds. Die diesjährige Ausschreibung zielte insbesondere auf Projekte, die eine Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Akteurinnen und Akteuren initiieren. Wir stellen eines der Forschungsvorhaben vor.
Seit 300 Jahren wird im Alten Land intensiv Obst angebaut. Mehr als zehn Millionen Apfel-, Kirsch-, Birnen- und Zwetschgenbäume wachsen dort; eine Obstplantage grenzt an die nächste. Das Alte Land ist das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet in Deutschland.
„Die Böden der einzelnen Flächen sind weit weniger homogen als wir erwartet haben“, erklärt Bodenexperte Prof. Dr. Lars Kutzbach von der Universität Hamburg. In seinem aktuellen Transferprojekt möchte der Leiter der Arbeitsgruppe „Böden im Klimasystem“ des Instituts für Bodenkunde ein Wissensnetzwerk zur nachhaltigen Nutzung von Obstbauböden im alten Land initiieren. Ein Fokus liegt dabei auf der Untersuchung des Humushaushalts der Böden. Er ist entscheidend für die Fruchtbarkeit. Darüber hinaus binden die abgestorbenen organischen Substanzen Kohlenstoff. Verbleibt dieser Kohlenstoff im Boden, gelangt er nicht als Kohlendioxid in die Atmosphäre. So tragen humusreiche Böden dazu bei, den Klimawandel zu bremsen.
Doch die Eigenschaften der Obstbauböden im Alten Land seien kleinräumig sehr unterschiedlich, sagt Kutzbach. Das liegt zum einen an der Wirtschaftsweise der Landwirtinnen und Landwirte. Die Methoden der Bodenbearbeitung und die Art und Menge an zugeführten organischen Düngern hat starke Auswirkungen auf den Aufbau von Humus und damit die Speicherung von Kohlenstoff.
Zum anderen spielt die Geschichte der einzelnen Flächen eine wichtige Rolle. „Sie werden seit Jahrhunderten mithilfe von Gräben entwässert“, erklärt Kutzbach. „Das ist jedoch kein statisches System. Gräben werden bei Bedarf gezogen oder zugeschüttet, und über die Zeit beeinflusst das Wassermanagement die Entwicklung und Eigenschaften der Böden.“ Darüber hinaus seien manche Flächen früher an eine der vielen Ziegeleien im Alten Land verpachtet worden. Um Ton für die Ziegelproduktion zu gewinnen, wurden die oberen Bodenschichten abgetragen. Das merke man den Böden bis heute an.
Kutzbach will möglichst viele Obstbäuerinnen und Obstbauern für sein Transferprojekt gewinnen
„Einige Familien bewirtschaften ihr Land bereits seit mehr als zehn Generationen“, erzählt er. Sie denken langfristig und wollen die Fruchtbarkeit ihrer Böden auch für die Zukunft erhalten. Viele wollen mit ihrer Arbeit auch zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen und so wirtschaften, dass der Boden möglichst viel Kohlenstoff bindet. „Eine solche Wirtschaftsweise könnte ja auch ein Verkaufsargument sein oder künftig als Beitrag zu einer nachhaltigen Gesellschaftstransformation finanziell gefördert werden“, so Kutzbach.
Um das transdisziplinäre Real-Labor Obstbauböden im Alten Land einzurichten, kooperiert Kutzbach mit der Soziologin Prof. Dr. Simone Rödder vom Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Hamburg. Sie wird einen Workshop konzipieren, in dessen Rahmen alle Beteiligten Ihre Erwartungen an das Projekt äußern und auf Augenhöhe diskutieren können. „Wir möchten für das Real-Labor Obstbauböden die Wissensbestände aller Beteiligten einbeziehen, um sich auf ein gemeinsames Problemverständnis zu verständigen und das entstehende Wissensnetzwerk als Win-Win Situation für alle einrichten und betreiben“, erläutert Rödder. Dies sieht die Expertin für transdisziplinäre Dialoge als eine wesentliche Voraussetzung, damit die Obstbäuerinnen und -bauern dauerhaft selbst zu Forschenden werden. Neben ihnen sind das Esteburg Obstbauzentrum Jork und die Behörde für Umwelt, Klima und Agrarwirtschaft der Freien und Hansestadt Hamburg wichtige Partner des Projekts.
Wie in der Bodenkunde üblich, werden Kutzbach und sein Team viele der gewonnenen Bodenproben im Labor untersuchen. Der Forscher vermutet aber auch, dass es möglich sein müsste, mithilfe standardisierter Fotos einen Eindruck von der Qualität und Dicke der Humusschichten zu gewinnen. „Da sich der Humus farblich von anderen Bodenschichten unterscheidet, wollen wir testen, ob Landwirtinnen und Landwirte mit Spaten und Digitalkamera dazu beitragen können, die kostspieligen Laboranalysen auf ein Minimum zu reduzieren.“
Das Projekt wird vorerst für die Dauer von 9 Monaten mit 30000 Euro gefördert. Der Bodenkundler Lars Kutzbach und die Soziologin Simone Rödder, die beide im Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS an der Universität Hamburg aktiv sind, hoffen, dass sie mit ihren Projektteams im Verlauf des Transferprojekts ein längerfristiges Forschungsprojekt initiieren und dann realisieren können.
Mehr Informationen zum Transferfonds
Seit 2021 fördert die Exzellenzuniversität Hamburg jährlich rund ein Dutzend Forschungsprojekte mit einer Anschubfinanzierung aus ihrem Transferfonds. Dieser wird aus Mitteln der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder finanziert. Die Geförderten erhalten maximal 30.000 Euro. Begleitende Workshops ermöglichen es ihnen, Synergien zwischen ihren Projekten zu erkunden und deren Verlauf zu reflektieren. Mehr Information gibt es auf den Seiten der Transferagentur.