Klimaverhandlungen als Forschungsfeld„Die Gräben werden sichtbarer werden“
29. November 2023, von Christina Krätzig
Foto: UHH/Ohme
Am 30. November 2023 beginnt die 28. Weltklimakonferenz in Dubai. Der Soziologieprofessor Stefan Aykut erforscht bereits seit 2008, wie auf Klimakonferenzen um Lösungen gerungen wird, aber auch, Erfolgsmeldungen inszeniert werden. Seiner Meinung nach stoßen die Möglichkeiten, positive Narrative zu erzeugen, in diesem Jahr an ihre Grenzen.
Herr Aykut, zur 28. Weltklimakonferenz ist die Staatengemeinschaft weit entfernt von der Umsetzung bisher beschlossener Ziele. Weltweit werden ungefähr doppelt so viele Treibhausgase ausgestoßen wie 1992, als die erste Weltklimakonferenz in Rio de Janeiro stattfand. Bringen diese Konferenzen überhaupt etwas?
Ich glaube inzwischen nicht mehr, dass sie der Ort für einen großen politischen Wurf sind. Trotzdem halte ich sie weiterhin für wichtig: Damit die Weltgemeinschaft zum Thema Klima miteinander im Gespräch bleibt. Diese Möglichkeit muss es unbedingt geben! Wie auch die Möglichkeit, die Erderwärmung zumindest einmal im Jahr in den Fokus der Weltöffentlichkeit zu rücken.
Trotzdem ist das Schneckentempo frustrierend. Oder nicht?
Ja, natürlich ist es das. Dennoch müssen wir es in der aktuellen Situation ja schon als Erfolg ansehen, dass all diese Staaten einmal jährlich zusammenkommen, um über die globale Erwärmung zu sprechen. Schließlich haben sie meist sehr unterschiedliche Interessen, oder sind in Konflikte, ja sogar in Kriege verwickelt. Darüber hinaus ist die Weltklimakonferenz auch ein Forum, auf dem sich andere Akteure vernetzen: Städte beispielsweise, NGOs, Netzwerke indigener Völker oder auch Unternehmen. Dieser Aspekt wird immer wichtiger.
Was sind die zentralen Themen der bevorstehenden Konferenz?
Zum einen wird es eine weltweite Bilanz zum Stand der Maßnahmen gegen die Erderwärmung geben. Das ist der sogenannte Global Stocktake. Ein Bericht dazu wurde bereits im September veröffentlicht, nun wird er diskutiert. Ich bin gespannt, wie diese Diskussionen verlaufen und wie sie sich auf die Abschlusserklärung auswirken werden. Es ist an der Zeit, sich gemeinsam auf eine Abkehr von allen fossilen Energieträgern festzulegen. Hinzu kommen Fragen der Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen und die Bereitstellung von Kompensationsleistungen für Klimaschäden im Rahmen des sogenannten Loss and Damage Fund. Damit Dubai ein Erfolg wird, muss es Fortschritte in allen diesen Fragen geben.
Was sind die wichtigsten Themen für Ihre Forschung?
Mich interessiert die Schaffung von Öffentlichkeit und die medialen Inszenierungen auf Weltklimakonferenzen. Da das gegenwärtige System auf Freiwilligkeit aufbaut, herrscht immer ein großer Druck, Fortschritte zu demonstrieren und ein positives Narrativ zu erzeugen. Bisher habe ich die Mechanismen erforscht, mit deren Hilfe diese positiven Erzählungen geschaffen wurden. Nun erwarte ich, dass diese Strategie an ihre Grenzen stößt. Denn die globale Erwärmung schreitet unübersehbar und schneller als vorhergesagt voran. Die Maßnahmen dagegen sind ganz offensichtlich unzureichend. Der Global Stocktake liefert dazu konkrete Daten. Zudem steht diese COP schon im Vorfeld in der Kritik, denn die ausrichtende Nation und der Präsident der COP, Sultan Ahmed al Jaber, sind eng verbunden mit der Erdölindustrie.
Welche Konsequenzen wird dies aus Ihrer Sicht haben?
Ich vermute, dass die tiefen Gräben zwischen den verschiedenen Akteuren noch sichtbarer werden als zuvor. Viele Staaten haben äußerst widersprüchliche Interessen, divergierende Vorstellungen von den einzuschlagenden Wegen und nicht zuletzt einen unterschiedlich starken Handlungsdruck. Ich glaube aber, dass Widersprüche sichtbar werden müssen, um sie zu überwinden zu können. Inszenierte Erfolge helfen auf Dauer nicht weiter.