Zu Fuß durch Hamburgs neuen WissenschaftsstadtteilGrüne Wiese, Büro- und Wohnhäuser, modernste Forschungsinfrastruktur: Das alles ist die Science City
8. April 2024, von Claudia Sewig
„Dialoge im Gehen: Erfahre mehr über die Stadt und Wissenschaft“: So wirbt das Infocenter der Science City Hamburg Bahrenfeld für seine kostenlosen Touren durch Hamburgs neuen Wissenschaftsstadtteil. Ein Kurs der Brand University of Applied Sciences hat dieses Angebot angenommen – was fällt den Studierenden aus aller Welt besonders auf? Eindrücke von einem gemeinsamen Rundgang.
Prof. Michael Jonas freut sich sehr. Für den Studiengangsleiter Digital Design der Brand University of Applied Sciences in Hamburg ist der Termin in Bahrenfeld jedes Jahr ein guter Anlass, mit seinem jeweiligen Masterstudiengang Brand Strategy die Räume oberhalb des Altonaer Fischmarkts zu verlassen und in einer komplett anderen und sich über die kommenden zwei Jahrzehnte stark verändernden Umgebung mit den Studierenden darüber zu diskutieren, wie Hamburg wächst. Und „warum etwa Innovationen an manchen Orten passieren – und an anderen nicht“.
Dass von seinen 28 Studierenden an diesem grauen, kalten und leicht nassen Vormittag am Ende nur elf dabei sein werden, hat nichts mit Desinteresse zu tun, sondern mit einer kurzfristigen Terminüberschneidung. Doch schon die Anwesenden zeigen die Internationalität des Studiengangs, der sich um Marken in einer sich rasant verändernden Unternehmens- und Markenlandschaft dreht: Aus China, Argentinien, den USA, Frankreich, Polen und Indien kommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – und bringen damit eine sehr diverse Sicht sowohl auf Wissenschaft, als auch auf damit verbundenen Städtebau mit.
Schaufenster in die Wissenschaft
Für Thorsten Gödtel sind das beste Voraussetzungen. Der studierte Stadtplaner leitet als Freiberufler Führungen für die Science City GmbH, so auch heute. Sein Rundgang mit der Gruppe beginnt virtuell, auf dem Fußboden des Infocenters gemalten Lageplan der Science City. Den Studierenden um sich herum kann Gödtel so einen ersten Eindruck vermitteln über Größe und Lage, aber auch über die Vielfältigkeit des Geländes. „Es wird hier Areale geben, die komplett neu entwickelt und gebaut werden, wie etwa die Quartiere am Volkspark auf dem Gelände der Trabrennbahn und im Bereich der heutigen Kleingärten. Es wird aber auch Bereiche geben, in dem viel mit dem Bestand gearbeitet wird, Gebäude umgenutzt und umgebaut werden und neue Gebäude ergänzend hinzukommen. So gehört etwa auch dieses Haus hier mit dem Infocenter zur Science City“, erläutert der Stadtplaner.
Die Studierenden staunen. Das ehemalige Bürogebäude im Albert-Einstein-Ring 8–10 ist äußerlich nicht gerade das, was man sich unter einem Wissenschaftsstandort von Weltruf vorstellen würde. Gödtel erläutert, dass das Gebäude in den vergangenen Monaten umgebaut wurde, damit hier etwa die Universität Hamburg mit dem Anfängerpraktikum Physik, einem Teil des „House of Computing and Datascience“ (HCDS) und dem Zentrum für Bioinformatik (ZBH) einziehen konnte. Die Luruper Chaussee bekäme damit, neben dem Infocenter, ein „Schaufenster in die Wissenschaft“. Denn bisher ist davon hier noch nicht viel zu sehen.
3800 neue Wohnungen
Davon können sich die Studierenden überzeugen, als es nach draußen und zum ersten Stopp der Tour auf die gegenüberliegende Seite der Straße geht: zum Areal der Trabrennbahn Bahrenfeld. „3800 neue Wohnungen, eine neue S-Bahn-Linie, Kindergärten und Schulen“: Mit einer ausladenden Armbewegung malt Thorsten Gödtel beim Blick über das weite, ovale Areal die Zukunft auf die sprichwörtlich grüne Wiese. Sechs internationale Teams saßen dafür an der Planung, drei Entwürfe wurden als Zwischenergebnis im Februar 2024 ausgewählt; mit endgültigen Ergebnissen sei im Sommer 2024 zu rechnen. Science City, das heißt neben einem Stadtteil für die Forschung auch ein Platz zum Leben und Arbeiten, „zum Einkaufen, im Café und abends in der Kneipe sitzen“, so Gödtel.
Zurück über die Luruper Chaussee geht es durch den östlichen Eingang auf das eigentliche Forschungsgelände der Science City. Dieser „Neben“-Eingang wird intern auch „Uni-Eingang“ genannt, weil auf dieser Seite des Geländes die meisten Universitäts-Gebäude liegen, so etwa das Physik-Schullabor „Light & Schools“ oder das Institut für Laserphysik. Haonan Liang ist von der Idee des Schullabors begeistert. „In Hongkong haben wir ein Science-Museum. Wird es das hier auch geben?“, fragt der Student aus China. Thorsten Gödtel berichtet vom Bau des Desyums, in dem auch eine multimediale Ausstellung geplant ist und das im Sommer 2025 in der Science City eröffnen soll – „auch wenn der Größenvergleich mit Hongkong sicher hinkt“.
Begrünte und begehbare Dächer
Das Desyum wird das Besuchszentrum des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY), das neben dem European Molecular Biology Laboratory (EMBL) oder dem European XFEL einer der großen wissenschaftlichen Akteure in der Science City Hamburg Bahrenfeld ist. Beim Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie erklimmt Thorsten Gödtel mit der Gruppe das begrünte und begehbare Dach. Die Studierenden posieren für Fotos auf der gärtnerisch einladend gestalteten Plattform. Tatsächlich sieht auch der dänische Siegerentwurf für den Forschungsneubau HAFUN („Hamburg Fundamental Interactions Laboratory“), in dem künftig Forschende des Exzellenzclusters „Quantum Universe“ der Universität Hamburg mit ihren Laboren untergebracht sein werden, ein solches begrüntes Dach vor. Damit das Gelände mit seinem teils alten Baumbestand grün bleibt – oder noch grüner wird.
Zum letzten Stopp der heute etwas verkürzten Runde führt der Stadtplaner die Gruppe vorbei an einigen alten, niedrigen Backstein-Bestandsgebäuden, vor denen viele Autos geparkt stehen. „Wie soll hier die Zukunft der Mobilität aussehen?“, fragt Fermin Uriz aus Argentinien. „Es wird einen Mix aus Fahrradfahren, Zufußgehen und dem öffentlichen Nahverkehr geben. Die Science City wird eine Stadt der kurzen Wege; der private Autoverkehr soll und wird hier keine prägende Rolle spielen“, sagt Gödtel. Das entspricht sicherlich auch dem Mobilitätsverhalten der mehr als 5000 Studierenden, die einmal hier lernen werden. Thorsten Gödtel deutet über einen Zaun, der das Gelände umgibt, und auf einige Bürogebäude: „Hier soll das neue Learning Center für Studierende der Universität Hamburg entstehen. Nicht nur deshalb ist es wichtig, dass auch darüber nachgedacht wird, wie und wo der Zaun weggenommen werden kann.“ Wissenschaft, so Gödtel, heiße heute auch, sich zur Gesellschaft zu öffnen. „Und die Science City macht genau das.“
Die Science City Hamburg Bahrenfeld
Direkt am Volkspark Altona gelegen, entsteht im Hamburger Westen auf 125 Hektar die Science City Hamburg Bahrenfeld. Bereits jetzt sind auf dem Forschungscampus neben der Universität Hamburg namhafte Einrichtungen wie das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY), die European X-Ray Free-Electron Laser GmbH, das Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie oder das European Molecular Biology Laboratory vertreten. Zudem sind zwei der vier Exzellenzcluster der Universität hier ansässig: „CUI: Advanced Imaging of Matter“ und „Quantum Universe“.
Und das Gebiet wächst weiter: Bis 2040 sollen Forschung, Ausbildung und Unternehmen durch lebendige Wohnquartiere, Sport-, Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten ergänzt werden. Ein Autobahndeckel über der A7 und die Verlegung der Hamburger Trabrennbahn sollen den Bau von rund 3.800 neuen Wohnungen und zwei Schulen ermöglichen.
Verantwortlich für die Entwicklung des Geländes ist die Science City Hamburg Bahrenfeld GmbH. Sie betreibt ein Infocenter, das neben Informationen für Besucherinnen und Besucher auch geführte Spaziergänge über das Gelände anbietet. Ohne Voranmeldung können interessierte Bürgerinnen und Bürger jeden Donnerstag um 18 Uhr an einem Rundgang teilnehmen. Die Führungen sind kostenlos; Startpunkt ist am Infocenter Science City, Albert-Einstein-Ring 8-10. Mehr Informationen finden sich auf der Homepage.