Teilprojekt 4: Erscheinungsformen geistlicher Intermedialität in der protestantischen Dramatik um 1700: Schauspiel – Oper – Oratorium
Die intermediale Konfiguration der Künste ist für geistliche Schauspiele, geistliche Opern und Oratorien von grundsätzlicher Bedeutung. So essentiell die Frage nach den symmedial wirksamen Kombinationen von Text, Musik und Performanz ist, so vielgestaltig sind die Ausprägungen, die sich nicht konzise anhand von Gattungsgrenzen erfassen lassen. Erstens kommt es bei der Dramatisierung geistlicher Stoffe zu Austauschprozessen mit weltlichen dramatischen Modellen und zweitens sind die geistlichen dramatischen Genres des 17. und frühen 18. Jahrhunderts in einer Weise variabel, die es unmöglich macht, vorab von klar definierten Gattungsgrenzen auszugehen.
Das Projekt verwendet daher für die genannten Genres den Sammelbegriff geistliche Dramatik. Entsprechend müssen zunächst die medialen, gattungs- und funktionsbedingten Gegebenheiten für jedes Fallbeispiel herausgearbeitet werden, um die Unterschiede, insbesondere aber die übergreifenden Gemeinsamkeiten zwischen den dramatischen Erscheinungsformen eruieren zu können. Auf dieser Basis kann dann nach spezifischen Formen geistlicher Intermedialität in der geistlichen Dramatik gefragt werden.
Wegen der vielfältigen Austauschprozesse innerhalb der geistlichen Dramatik ist die Bezugnahme auf einen konfessionellen Rahmen aus pragmatischen Gründen erforderlich. Je distinkter die geistlichen Rahmenbedingungen rekonstruiert und die Relationen intermedialer dramatischer Produktion zur ‚vertikalen Achse‘ der Heilsmedialität analysiert werden können, desto präzisere Schlüsse – bis hin zur Formulierung generischer intermedialer Phänomene geistlicher Dramatik – lassen sich ziehen. Daher wird das Augenmerk in der ersten Förderphase dezidiert auf protestantische Praxen gerichtet, wobei als zweiter Fixpunkt der deutsche Sprachraum fungiert – eine Fokussierung, die mit Blick auf die weitgehende Ablehnung von geistlicher Musik nach calvinistischer Auffassung auch den geographischen Grenzen des Repertoires Rechnung trägt. Ausgehend vom Stand der Forschung stehen Hamburg, Lübeck, Braunschweig/Wolfenbüttel, Nürnberg und Zittau als führende protestantische Zentren geistlicher Dramatik im Fokus. Anhand des detailliert zu recherchierenden Quellencorpus gilt es, die Eigendynamik der Gattungsvorgaben und der Medienkombination in den einzelnen Genres zu erforschen.
Die Ergebnisse werden in einem Sammelband, in den auch die ausgearbeiteten Referate einer Tagung zur Intermedialität geistlicher Dramatik eingehen werden, sowie im Rahmen zweier Monographien mit literaturwissenschaftlicher bzw. musikwissenschaftlicher Gewichtung veröffentlicht. Ein enger Austausch während der gesamten Projektlaufzeit ist insbesondere mit TP 1 (intermediale Darstellung der Engel in der geistlichen Dramatik), TP 2 (Modelle geistlicher Liebe in Oper und Oratorium) und TP 3 (meditative Praktiken v. a. im Oratorium) vorgesehen.