Teilprojekt 1: musica angelica et consociatio hominum cum angelis. Die Musik der Engel im Kirchenraum
Das TP bündelt musik-, kunst-, theologie- und frömmigkeitshistorische Kompetenzen und setzt sich zum Ziel, die performative und ikonographische Gestaltung der Musik der Engel als Erscheinungsform starker Intermedialität zu beschreiben sowie die amplifikatorischen Wechselwirkungen zwischen Bild- und Inschriftenprogrammen in Kirchenräumen und der in ihnen erklingenden Musik zu untersuchen. Das gemeinsame Forschungsinteresse richtet sich mithin auf das frühneuzeitliche Zusammenwirken von Musik, Wort und Bild, wobei insbesondere die hermeneutische sowie eschatologische Relevanz dieser spezifischen Ausprägung von geistlicher Intermedialität analysiert werden soll. Starke Beachtung kommt hierbei dem proleptischen Charakter jeglicher horizontaler Medialität zu sowie der frühneuzeitlichen Überzeugung, die Musik sei die einzige ars, die auch nach dem Jüngsten Tag praktiziert werden wird.
Zwecks Untersuchung der intermedialen Repräsentationen der Musik der Engel im Kirchenraum werden zwei Korpora mehrchöriger Kompositionen herangezogen, die satztechnische, überlieferungsgeschichtliche und institutionelle Differenzen aufweisen: 1. Kompositionen des deutschsprachigen protestantischen Bereichs, 2. römische Kompositionen des sog. Kolossalstils. Die Mehrchörigkeit wird dabei als kompositorische Umsetzung des aus der Bibel abzuleitenden alter ad alterum als Qualität des Engelsgesangs gesehen – eine Sichtweise, die im 17. Jh. u. a. bei Michael Praetorius belegt ist. In Aufführungen erfährt dieses Prinzip durch die verteilte Positionierung der Musizierenden im Kirchenraum eine Verräumlichung, die die Möglichkeiten des Zusammenwirkens mit Architektur und Bildprogramm verstärkt.
Um eine angemessene Deutung der betr. musikalischen Werke zu ermöglichen, werden diese in der interdisziplinären Zusammenarbeit aufs Engste verknüpft mit der Erforschung der frühneuzeitlichen Exegese der einschlägigen Bibeltexte in Kommentarwerken, Frömmigkeitsliteratur und Kanzelreden, aber auch in Bild- und Inschriftenausstattungen in Kirchenräumen. Besonderes Augenmerk wird hierbei u. a. der Engelsikonographie sowie den Inschriftenprogrammen an bzw. in der Nähe von Orgeln geschenkt. Denn hier findet die Vorstellung, geistliches Musizieren ermögliche eine irdisch-proleptische Erfahrbarkeit der himmlischen Musik, einen mit einem hohen Maß an Emergenz versehenen Ausdruck – etwa wenn im Gottesdienst Orgelmusik und gesungenes Wort zum Bild hinzutreten, die wiederum die im Kirchenraum erklingende Musik kommentieren und kontextualisieren.
Das TP wird erheblich von der engen Kooperation mit den TP 2, 3, und 4 profitieren, da die Repräsentanz von Engeln auch in frühneuzeitlichen Liebesdiskursen, der Meditationsliteratur, geistlichen Opern sowie in Schriften und bildlichen Darstellungen zu Faszination und Ekstase eine große Rolle spielt. Die Ergebnisse des TP werden in zwei Monographien sowie vier Aufsätzen, von denen drei von allen am TP Beteiligten gemeinsam verfasst werden, publiziert.