Was wurde bisher erreicht?Zwischenbilanz des Exzellenzclusters „Climate, Climatic Change, and Society"
15. Mai 2023, von Stephanie Janssen
Foto: D. Notz
Seit 2019 ist die Uni Hamburg Exzellenzuniversität, im Jahr davor wurden vier Cluster eingeworben. Was wurde seitdem unternommen und wie wurden die Fördermittel verwendet? Im Exzellenzcluster für Klimaforschung „CLICCS – Klima, Klimawandel und Gesellschaft“ liefern 269 Forschende aus 16 unterschiedlichen Disziplinen Antworten auf die übergeordnete Frage: Welche Klimazukünfte sind möglich – und welche von diesen möglichen Zukünften sind plausibel? Sie erforschen den Klimawandel in einzigartiger Breite.
Mit dem aktuellen „Hamburg Climate Futures Outlook“ weist der Exzellenzcluster CLICCS nach: Derzeit ist es nicht plausibel – also nicht realistischerweise zu erwarten – dass die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius begrenzt wird. Mit Hilfe eines neu entwickelten Bewertungsrahmens hat der Cluster zehn gesellschaftliche Schlüsselfaktoren identifiziert und bewertet, die eine Abkehr von fossilen Energien bewirken könnten. Keiner dieser Schlüsselfaktoren weist ausreichend in Richtung einer vollständigen Dekarbonisierung der Gesellschaft bis zum Jahr 2050.
Dieser weltweit erste Bewertungsrahmen für soziale Dynamiken mündete jetzt in eine Mercator-Stiftungsprofessur, die ein neues Forschungsfeld zur gesellschaftlichen Plausibilität von Klimazukünften an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg etabliert. In der Studie belegt CLICCS außerdem durch die Analyse von physikalischen Prozessen, die als mögliche Kipppunkte gehandelt werden, dass der gesellschaftliche Wandel zurzeit größeren Einfluss hat als physikalische Kipppunkte.
Interdisziplinär forschen, Plausibilität bewerten
Antworten auf die Frage nach plausiblen Klimazukünften liefern CLICCS Forschende auf vielfältigen Gebieten: So zeigt eine Studie erstmals, dass rings um den Arktischen Ozean künftig drastische Landverluste durch das Tauen des Permafrosts zu erwarten sind. Weiter wurde erstmals nachgewiesen, dass eine riesige Warmwasserblase im Pazifik nicht, wie bislang gedacht, sporadisch auftritt, sondern in den letzten Jahren dauerhaft existierte und eindeutig auf menschengemachte Emissionen zurückzuführen ist. Sie begünstigt extreme Hitzewellen im Nordost-Pazifik.
CLICCS gelang außerdem die weltweit erste Modellierung des globalen Kohlenstoffkreislaufs unter Einbezug der Küsten mit dem Klimamodell ICON-Coast. Mit dessen Hilfe lässt sich zum Beispiel ermitteln, wie viel menschengemachtes CO2 die Küsten künftig zusätzlich aufnehmen können. CLICCS Forschende bewirkten durch einen transdisziplinären Ansatz die Sensibilisierung und Öffnung für künftige Küstenschutzmaßnahmen im Einklang mit naturnahen Lösungen. Diese bieten eine erfolgversprechende Option hin zu notwendiger Küstenanpassung. Der Cluster zeigte außerdem, dass eine Mehrheit der Deutschen einer geringen Steuer auf Fleisch zustimmen würde, auch wenn das Ziel einer Verbesserung des Tierwohls die Menschen dabei deutlich mehr überzeugt als der Beitrag zum Klimaschutz.
Insgesamt gab es seit Beginn von CLICCS mehr als 540 Publikationen in begutachteten Fachjournalen, die unmittelbar aus der Forschung des Clusters hervorgegangen sind. Diese wurden nicht nur in der wissenschaftlichen Community international beachtet. Auch die Öffentlichkeit interessiert sich für die CLICCS Ergebnisse. So wurden bisher mehr als 2.700 Berichte in Zeitungen, Fernsehen, Radio und Onlinemedien veröffentlicht. Im Magazin CLICCS Quarterly informiert der Exzellenzcluster die Öffentlichkeit regelmäßig über Neues aus der Forschung.
Breit aufgestellt: Expertise ist gefragt
Solche umfassenden Erkenntnisse lassen sich in der Klimaforschung nur interdisziplinär erzielen: Von Ozeanografie bis Friedensforschung, von Ökonomie bis Biologie laufen im Exzellenzcluster die Fäden zusammen, werden verknüpft und erfolgreich weitergesponnen. CLICCS hat seine Expertise weiter ausgebaut und vier neue Professuren zu den Themen Meereis und Kryosphäre, Klimastatistik und Klimaextreme, Digitale Sozialwissenschaft sowie Nachhaltigkeitsökonomik geschaffen. Insgesamt sind jetzt 80 Professuren eng in Forschungsprojekte des Clusters eingebunden.
Diese breite Expertise ist mehrfach gefragt: CLICCS-Sprecherin Anita Engels, Grischa Perino, Ursula Schröder und Jürgen Scheffran beraten in unterschiedlichen Gremien die deutsche Bundesregierung. Alexander Bassen und Grischa Perino beraten die Europäischen Union. Victor Brovkin, Herman Held, Jochem Marotzke, Christian Möllmann, Dirk Notz, Beate Ratter, Jana Sillmann und Christian Möllmann trugen als Autorinnen und Autoren zu den IPCC-Weltklimaberichten der Vereinten Nationen bei.
International und vernetzt: Klimaforschung von morgen
Der Cluster finanziert zurzeit 61 Promotionsstellen und 24 Postdocs. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der frühen und mittleren Karrierephase werden in der Graduiertenschule SICSS, der „School of Integrated Climate and Earth System Sciences“, direkt am Puls der Klimaforschung ausgebildet und gefördert. So haben allein in den letzten vier Jahren 91 Master-Studierende aus 36 Ländern weltweit vom interdisziplinären Curriculum profitiert, das klimarelevante Natur- und Sozialwissenschaften auf höchstem Niveau umfasst. Im Graduiertenprogramm der SICSS können die jungen Forschenden ihr Profil mit Workshops zu akademischem Schreiben, interkulturellem Training, Podcast-Produktion oder Karriereentwicklung abrunden.
Grundlage für die Erfolge von CLICCS sind enge und lang gewachsene Verbindungen. Internationale Kooperationen bestehen mit den Universitäten Melbourne (Australien), North Western (Illinois, USA) und Lund (Schweden). Deutschlandweit bringt sich der Cluster in Verbände wie dem Deutschen Klimakonsortium und dem Konsortium Deutsche Meeresforschung und der Deutschen Allianz Meeresforschung ein. Im Cluster selbst arbeiten elf Partnerinstitutionen zusammen: Neben dem Max-Planck-Institut für Meteorologie, dem Helmholtz-Zentrum Hereon, dem Climate Service Center Germany (GERICS), dem Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) und dem Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ) tragen in Hamburg drei weitere Universitäten sowie die Bundesanstalt für Wasserbau, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie und der Deutsche Wetterdienst zum vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg geführten Exzellenzcluster CLICCS bei.
Serie zur Halbzeit der Exzellenzcluster und Exzellenzuniversität
Im Juli 2019 wurde die Universität Hamburg von Wissenschaftsrat, Bund und Ländern mit dem Titel Exzellenzuniversität ausgezeichnet – als eine von insgesamt nur elf Universitäten und Universitätsverbünden bundesweit. Seit November 2019 läuft die Förderung.
Voraussetzung für diese Auszeichnung war die Einwerbung von mindestens zwei Exzellenzclustern. An der Universität Hamburg sind seit 2018 sogar vier Cluster beheimatet. In einer Serie stellen wir vor, was an der Exzellenzuniversität und in den vier Exzellenzclustern bisher erreicht worden ist.
Lesen Sie in den kommenden Tagen auch unsere Berichte zur Halbzeit im Exzellenzcluster "Quantum Universe" sowie zur Exzellenzuniversität.