Ein Vormittag im Physik-Schullabor „Light & Schools“Von Geheimbotschaften und einer verschwundenen Wissenschaftlerin
30. November 2023, von Claudia Sewig
In der Science City Hamburg Bahrenfeld steht mit dem „Haus der Lehre – Light & Schools“ nicht nur ein architektonisch prägnantes und prämiertes Gebäude der Universität Hamburg – in ihm werden Schülerinnen und Schüler auch durch spannende Experimente für Physik begeistert. Etwa an einem Vormittag beim „Escape-Game“ um eine verschwundene Wissenschaftlerin.
Mit Papier, Schere und Klebeband basteln – das soll Physik sein? Die fünf Jungs gucken nicht gerade begeistert. Aufgeteilt auf vier Tische sollen die 20 Schülerinnen und Schüler der Heinrich-Hertz-Schule aus Hamburg-Winterhude erst einmal ziemlich herkömmlich basteln, was „ganz unten auf meiner Liste steht“, wie einer der fünf Jungen am Tisch von Joshua Roschlaub zu seinem Sitznachbarn sagt. Doch bereits eine halbe Stunde später sind die 12- und 13-Jährigen eifrig dabei, ihre zusammengefalteten Papierwürfel mit Klebeband möglichst lichtdicht zu bekommen, um beim Blick in das hineingestochene Loch anerkennend „Alter!“ und „Oh mein Gott! Das leuchtet ja voll grün!“ auszurufen.
Joshua Roschlaub ist erleichtert. Das Eis ist gebrochen. Als einer von dreizehn Tutorinnen und Tutoren betreut der Physikstudent Klassen bei ihren Ausflügen in das Physik-Schullabor im „Haus der Lehre – Light & Schools“. Und gibt den fünf Jungs an seinem Tisch, gefragt, wie sie ihn anreden sollen, gleich schon einmal einen Einblick in die große Welt der Wissenschaft, die sie hier in der Science City umgibt: „Bei der Arbeit im Labor duzt man sich.“
Aufgaben müssen im Labor gelöst werden
Die Begeisterung um die Leuchtwürfel nutzend erklärt Joshua Roschlaub die Physik dahinter: Das hineingeklebte, nachleuchtende Klebeband verfügt über sogenannte phosphoreszierende Farbe, welche Licht „aufnehmen und sich merken“ und es dann wieder abgeben kann. So spielerisch aufgewärmt kommt Bewegung in die Klasse. Denn: Eine Wissenschaftlerin ist verschwunden! Per Videobotschaft richtet sie sich an die Schülerinnen und Schüler als ihre „Mitarbeitenden“: „Ihr müsst meine Mappe mit den streng geheimen Forschungsergebnissen finden!“. Während daraufhin zwei der vier Gruppen auf dem Science City Gelände auf die Suche nach Hinweisen gehen, geht es für die beiden anderen Gruppen ein paar Schritte weiter im Gebäude ins Labor der Forscherin.
Was folgt ist ein klassisches „Escape-Game“: Angefangen vom Schlüssel für das Labor, der durch eine Denkaufgabe gefunden werden muss, sind überall im Labor Hinweise versteckt, die durch Experimentieren, Rechnen und Nachdenken zusammengesetzt werden müssen. Alles dreht sich dabei um das Thema Licht und seine Eigenschaften. So muss zum Beispiel ein entdecktes Beugungsgitter in einen Laserstrahl eingespannt werden, um durch die Ablenkung des Strahls eine Nachricht auf einem Stück Papier gezeigt zu bekommen. Und manche Hinweise entdeckt man erst, wenn das Licht im Raum ausgeschaltet wird …
„Möglichkeiten, die es in der Schule nicht gibt“
Klassenlehrer Alexander Praeger, der selbst Physik auf Lehramt an der Universität Hamburg studiert hat, ist begeistert. Er war bereits im vergangenen Jahr mit seinem Oberstufenkurs hier. Damals haben die Schülerinnen und Schüler Experimente zum Thema Interferenz durchgeführt. „Wir wollen gerne eine Kooperation mit dem Schullabor aufbauen“, sagt er. Diese soll das Interesse an Naturwissenschaften und speziell an Physik bei den Schülerinnen und Schülern steigern. „Das Schullabor gibt uns Möglichkeiten, die wir in der Schule nicht haben. Die Schülerinnen und Schüler können echten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Studentinnen und Studenten begegnen und können mit modernem Material aufwendigere Experimente machen“, erläutert der Lehrer.
Und damit es auch an diesem Tag nicht nur beim Kontakt mit einer virtuellen, verschwundenen Wissenschaftlerin bleibt, stellt Jette Heyer, Doktorandin am Institut für Quantenphysik, der Klasse ihr Forschungsgebiet vor: ultrakalte Quantengase. Ein derzeit heißes Forschungsgebiet der Physik, das zu vielen Fragen der Schülerinnen und Schüler führt: Von Wissensfragen wie etwa „Wie hoch kann ein Laser schießen?“ oder „Wie kalt ist es auf dem Merkur?“ bis hin zu Fragen zum Leben als Wissenschaftlerin („Wie lange haben Sie studiert?“, „Was verdient man in der Forschung?“) ist alles dabei.
Auch Online-Angebote vorhanden
Bastian Besner, Koordinator des Physik-Schullabors, ist zufrieden: „Es war ein toller Tag, an dem wir den Schülerinnen und Schülern einen Einblick in verschiedene Arbeitsweisen der Forschung ermöglichen konnten.“ Die Schulangebote von „Light & Schools“ richten sich sowohl an Oberstufenklassen als auch an Klassen der Sekundarstufe I aus Deutschland und anderen Ländern. Auch ein Onlineangebot für interessierte Schülerinnen und Schüler ist vorhanden, so Bastian Besner.
Das Angebot, welches insbesondere Gendergerechtigkeit, kulturelle Vielfalt, soziale Herkunft und Arbeitsweisen in der Wissenschaft thematisiert, wurde von Bastian Besner, Sarah Albrecht und Felix Teutloff vom Schullabor „Light & Schools“ gemeinsam mit Eileen Schwanold, der Diversity-Managerin des Exzellenzcluster „CUI: Advanced Imaging of Matter“, realisiert und wird derzeit vom gesamten „Light & Schools“-Team weiterentwickelt. Ziel ist es, einen stets aktuellen Einblick in die Arbeit in der Science City Hamburg Bahrenfeld zu gewährleisten.
„Haus der Lehre – Light & Schools“
Das Physik-Schullabor der Universität Hamburg wurde bereits 2009 im Rahmen der Landesexzellenzinitiative, die durch die Joachim Herz Stiftung gefördert wurde, ins Leben gerufen. Es wurde vom Sonderforschungsbereich 925 unterstützt und wird derzeit im Rahmen des Exzellenzclusters „CUI: Advanced Imaging of Matter“, der Teil des Hamburg Centre for Ultrafast Imaging ist, fortgeführt. Das Schullabor wird von Prof. Dr. Klaus Sengstock geleitet und von Bastian Besner, Dr. Monika Kobylinski und Dr. Jonas Siegl koordiniert.